Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[941]

Bullinger an
Thomas Blarer
Zürich,
2. Februar 1537

Autograph: Konstanz Stadtarchiv, A I 7, Fasz. 19 (Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW I 839f, Nr. 756

Wünscht Thomas Blarer alles Gute im neuen Amt [als Bürgermeister]. Einige Konstanzer Domherren haben sich kürzlich aus Überlingen an einige Zürcher Ratsherren gewandt und um Vermittlung zwischen ihnen und Konstanz gebeten, in der Hoffnung, daß ein Zusammenleben wie etwa in Straßburg möglich werden könnte; die Zürcher haben nicht zugesagt und werden auch nichts unternehmen, wenn es Konstanz unangenehm oder schädlich wäre. Bittet um Antwort; Grüße.

Gnad und frid vonn gott durch Jesum Christum, unsernn herrenn.

Frommer, ersammer, wyser und günstiger, lieber herr, ich wünschen üch von gott vil heyls, glücks, wyßheyt, bestand 1 , gerächtigheyt und bescheydenheyt in üwerm eeren a von gott geordnetem ampt und bitten unsernn herren Christum, das er üch verlihe, das ir mitt eeren und heyl der loblichenn statt Constants langwirig 2 vorstandint 3 . Wo ich dann zu sölichem christlichem werck ützid 4 verhälffen und üch dienen könde, söllend ir mich allwäg 5 willig und gantz den üwern finden.

Dannenhar bin ich ouch bewegt worden, volgenden handel üwer wyßheyt fürzetragenn: Es hatt sich begäben innet kurtzen tagen, das ettliche üwere

e wohl irrtümlich für herre.
19 weiß.
20 vernehmen.
a in der Vorlage eeeren.
1 Beständigkeit.
2 lange.
3 Thomas Blarer war zum Bürgermeister
gewählt worden; vgl. Bullingers Mitteilung an Myconius vom 16. Dezember 1536 (HBBW VI, S. 497, Z. 10f) sowie Ambrosius Blarers Glückwunsch vom 18. Dezember (Blarer BW II 836); die Wahl hatte wohl am 4. Dezember stattgefunden (vgl. Rublack, Konstanz 203, Anm. 65).
4 etwas.
5 immer.


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domherren, die ettwan 6 zu Constans gesässen 7 , jetzund zu Überlingen unwerd 8 sind, habend an ettliche miner herren von Zürych radtsfründ langen lassen 9 , es verwundere sy, das doch niemandts sich ynlege 10 , zwüschen inen und der statt Constants zu scheyden. Habend unsere geantwurt: "Darzu ist nützid zu reden; dann ir wellend meß haben und üwer wyß triben; dorumb hilfft üch niemandts." Habend sy geantwurt: "Nein, möchtend wir nun 11 in ein gespräch mitt inen kummen, ob sy uns vilicht hieltend wie die statt Straßpurg die iren"12 etc. Uff sömlichen antrag habend die unsernn nüt wyters handlen noch antwurten oder sich erbieten 13 wöllen. b Und hatt doch sy für gut angesähen, üch durch mich sölichs handels zu berichten. Von denen ich ouch wol verstanden, wo üwer eer und nutz darby sin möchte und mir des ützid entwändt 14 , wurdent sy ghein müy, kost noch arbeyt spaaren. Wo aber unradt 15 daruß entstan oder nachteyl dem göttlichen wort, oder das es der statt Constans ghein lieb were, wurdent sy sich der sach gnodt 16 und gar nützid beladen. Wer weist aber, ob sy vilicht durch den anlaß under inen möchtind tränt 17 werden und ire ettliche gepürliche mittel 18 annämind etc.

Hierumb begär ich ein antwurt von u[wer]w[yßheyt], wo es müglich 19 . Bitt ouch, ir wöllind diß min schryben früntlich annemmen, dann es uß trüwen beschicht. Ir wüssend, was üch hierinn zu handlen. Gott beware üch trüwlich. Ich sag üch vil guts und [---]tzes c von minem h[errn] burgermeister Röysten etc.

Datum Zür[ych]d , 2. februarii 1537.

Heinrych Bullinger, der üwer.

[Adresse auf der Rückseite:] Dem frommen, ersammen, fürsichtigenn und wysen Thoma Blaurer, burgermeisternn zu Constants, sinem günstigen, lieben herrenn.

b wöllen am Rande nachgetragen. und [---]tzes am Rande nachgetragen; Text durch die Siegelung teilweise verdorben.
d Text durch die Siegelung teilweise verdorben.
6 einmal, einst.
7 Zum Auszug der Domherren aus Konstanz in den Jahren 1526/27, als Folge der reformatorischen Auseinandersetzungen, und zu ihrer Niederlassung auf der andern Seeseite vgl. Helvetia Sacra I/2 768f; Rublack, Konstanz 45f und Vögeli, Schriften II/II 1188f.
8 unbeliebt, unwillkommen. - Vgl. dazu Moeller, Zwick 231, Anm. 180.
9 sind an einige Zürcher Ratsherren gelangt. - Die Beteiligten sind nicht bekannt.
10 sich ins Mittel legt.
11 nur.
12 Die Straßburger Domkapitularen unterstanden nicht dem Ratsbeschluß vom 16. Januar 1525, der alle Geistlichen zur Annahme des Bürgerrechts verpflichtet und damit ihres privilegierten Standes (Steuerbefreiung) beraubt hatte (vgl. Otto Winckelmann, Straßburgs Verfassung und Verwaltung im 16. Jahrhundert, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 57, NF 18, 1903, S. 507f).
13 sich anerbieten.
14 und wir dadurch entlastet würden.
15 Unheil, Schaden.
16 ganz.
17 gespalten.
18 angemessene Vermittlungsvorschläge.
19 Vgl. unten Nr. 952, 1-3, und 961.