Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[1125]

Dekan und Kapitel zu Aarau
an die Zürcher Synode
[Aarau],
4. Mai 1538

Original a : Zürich StA, A 241. 1 (Siegelabdruck) b Ungedruckt

Der Briefüberbringer, Johannes Landolt, ein ehrbarer Mann, der sich bisher wohl gehalten hat und treu zur evangelischen Lehre steht -derentwegen er auch das Solothurner Gebiet hat verlassen müssen -, möge mit seiner Familie in Zürich Aufnahme und ein Amt finden; er hat als Lehrer an der deutschen Schule in Aarau, abhängig von privaten Schulgeldern, nicht

h Rand beschädigt.
i-l Der auf das Verschlußband geschriebene Teil der Adresse fehlt.
a Doppelblatt, von 1 bis 4 durchpaginiert. - Geschrieben vom Aarauer Stadtschreiber Gabriel Meyer (vgl. Max Banholzer, Johannes Landolt. Schulmeister, Täufer und Prädikant, in: Aarauer Neujahrsblätter 42, 1968, S. 43).
b Siegelabdruck des Aarauer Kapitels (vgl. Banholzer, aaO).
1 Dekan des Aarauer Kapitels war seit 1528 Johannes Buchser, Pfarrer in Suhr (vgl. Willy Pfister, Die reformierten Pfarrer im Aargau seit der Reformation 1528-1985, in: Argovia 97, 1985, S. 159, Nr. 1726).
2 Vgl. unten Z. 42 mit Anm. 32.


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ausreichend verdient, denn daneben besteht eine mit guten Lehrkräften ausgestattete Lateinschule, die von der Obrigkeit finanziert wird.

Erwirdige, wolgelerte herrenn unnd furgeliepte mittarbeiter in dem wordt Christi, gnad sie 3 mit uch und fride von gott, unnßerem vatter, und dem herren Jesu Christo.

Geliepte geprüdere, es langt Johannes Landolff 4 , zöuger dis 5 , uns bittlichen an, mit furgschrifft 6 gegent uwer erwird ze erschießenn 7 , domit ir verursacht, vor einem ersamen rhatt, ouch sonderbaren 8 personen einer lobrichen statt Zurich ime behulffen ze sin, das er allda von sinen herrenn und obern vätterlichen uffgenommen und ettwar mit 9 versähen, dodurch er sin narung ouch gehabenn und sich, sin wib und kinde hinbringgen mög 10 etc. Des wir nun gants wol willig, ouch unßerer erachtung schuldig, wan 11 er ein fromer, erberer gsell, so sich byßhar wol und frömbklich 12 betragen und evangelischer leere, dorum er dan uß Solothurner herschafft, do er sich nidergelaßenn, hinwegkommen 13 , all mall truwlich angehangt und sinem besten vermögen nach gefurdert. Denen von 14 , geliepte herren, unßer underdienstlich 15 pit und begäre, gemelten 16 bruder gunstlichen bevolchen ze habenn unnd also vor einem ersammen rhat ze conmendieren, hiedurch ettlicher maßen mittel sines furkommens ervolgt und befunden 17 , das ime doch ettwas condiction 18 und emptlins angehenckt oder aber, so das nit erheblich 19 , anlaß 20 , witer ze studieren angebotten, domit er doch keins wegs also unfrucktbar verderben, sonders ime selbs und andren möntschen dienstlich und nutzlich sin möchte. Dann er nunme ettliche jar zu Arow 21 thutsch

3 sei.
4 Hans Landolt, aus dem Gebiete Zürichs stammend, gest. 1551, trat Ende der zwanziger Jahre in solothurnischen Täuferkreisen auf. Nach seiner Ausweisung kam er in den frühen dreißiger Jahren als Lehrer an die deutsche Schule in Aarau. Aufgrund des vorliegenden Schreibens wurde er in Zürich aufgenommen, vorerst durch das Studentenamt unterstützt und dann 1540 als Diakon in Goßau eingesetzt. Nach zahlreichen gegen ihn gerichteten Klagen wegen Trunkenheit und unwürdigen Verhaltens, welche immer wieder Synode und Obrigkeit beschäftigten, wurde er schließlich 1547 wegen Ehebruchs seines Amtes enthoben, 1548 jedoch rehabilitiert und nach Tegerfelden (Kt. Aargau) versetzt. - Lit: Zürich StA, B IV 15, 21v.-22r. und 50v.-51r. sowie G II 39. 2 (1551); Banholzer, aaO, S. 43-49; Gordon, Discipline 248; Pfarrerbuch
401.
5 Überbringer dieses Briefes.
6 Empfehlungs- bzw. Bittschreiben.
7 beizutragen.
8 einzelnen.
9 mit irgendetwas.
10 wodurch er seinen Lebensunterhalt bestreiten, Frau und Kind durchbringen könne.
11 da.
12 ehrenhaft.
13 ausgewiesen wurde.
14 Daher.
15 pflichtergebene.
16 genannten.
17 für sein Weiterkommen aufgebracht und gefunden werden.
18 Anstellung.
19 erhältlich.
20 Gelegenheit.
21 Aarau (Kt. Aargau).


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schul gehalten und truwlich gehandelt; das aber gants keinen genyeß 22 bringgen, dwyl sonst ein latinisch und mit vast wol 2 berichten23 und gelerten preceptoribus versähen schule hatt, do dan die knaben nut geben, sonders uß der statt seckell den ludimagistris ir provision geschöpfft 24 , und aber die, so dem thutschen anhänggig, fur sich selbs bezalen müßend 25 , wölches ime gants abbruchlich 26 und nachtheilig, wiewol die von Arow ime gunstig; nutdisterweniger wyl es inen ze schwär sin, zwo schulenn ze erhaltenn. Deßhalb er sin ußkommen by uns nit gehaben mag c 27 . Unnd wöllent also, erwirdige herren und geliepte mitbrüder, uch sölcher gestalten gegent ime erwysen, das er gespüren mög unßer furpit genoßen haben 28 , und keinswegs unwurcksam gehandelt, begärend wir unverdroßenlich, willig und underdienstlich 29 ze beschulden und ze gedienenn 30 .

Datum 4. maii anno domini 38.

Uwer erwird

guttwillige

diener,

decan und gemein

capitel zu Arow.

[Adresse auf S. 4:] Denn erwirdigenn, woll unnd vilgelertenn herren, gemeynen vorstendern und ußkundern 31 göttlichs wordtes der loblichen stat und landtschafft Zurich, yetz daselbst in einem synodo versampt 32 , unßern furgelieptenn herren und prüdern d .

c vor mag gestrichenes unlesbares Zeichen.
d Über der Adresse von zeitgenössischer Kanzleihand: Decan u[nd] capitel zu Arouw; den 4. maii 1538.
22 Einkommen.
23 sehr fähigen.
24 bezogen wird.
25 Vgl. dazu Martha Reimann, Die Geschichte der Arauer Stadtschulen von ihren Anfängen bis zum Ende der bernischen
Herrschaft (1270-1798), Diss. phil. Bern, Aarau 1914, S. 56f.
26 schädlich.
27 bestreiten kann.
28 daß er unserer Fürbitte Nutzen zu spüren bekommt.
29 dienstwillig.
30 zu vergelten und erwidern.
31 Verkündern.
32 Die Zürcher Frühjahrssynode des Jahres 1538 tagte am 7. Mai (vgl. Zürich StA, E II 1, 229).