Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[1141]

Johannes Zwick an
Bullinger
Konstanz,
26. Juni 1538

Autograph: Zürich StA, E II 364, 49-51 (Siegelspur) Ungedruckt

Empfiehlt den in Konstanz für aussätzig erklärten Stephan [...], den die Zürcher bereits mit einer Spende unterstützt haben. Zunftmeister [Ulrich von Wengi], der ihn zu einer Badekur schickte, zweifelt ebenso an der Diagnose wie verschiedene Heilkundige in Schaffhausen, Metz und Mülhausen. Trotz erfolgreicher Kur halten die zuständigen Krankenschauer jedoch an ihrem Urteil fest. Zwick bittet deshalb, dem Mann in Zürich oder anderswo in der Eidgenossenschaft zu einer Neubeurteilung zu verhelfen. Seine Frau ist in der gleichen Lage. Zwick möchte nochmals wissen, wieviel die Zürcher gespendet haben. Erkundigt sich nach Bullingers Urteil über Bucers Seelsorgeschrift, warnt aber vor einer öffentlichen Meinungsäußerung. Grüße.

Die gnad gottes sye mit uch.

Lieber her und bruder, zöger 1 des brieffs ist der gut mann, der by den unseren des ussatz halb erkent worden ist 2 und dem ir och ain stür 3 hie har geschickt habend, welche ich im och mittgetailt. Damit ir aber wissind, worum er yezund zu üch kome, so stat sin sach also:

Zum ersten ist er von etlichen des ussatz verdacht 4 worden, das er sich hat müssen schowen lassen. Zum anderen so ist er by den unseren gschowet 5 worden, das ist von den siechen 6 , und also dem ussatz zu erkent 7 ; doch ist by uns der bruch, das niemand dann die siechen schowend. Wie sy nun erkent, das er ussetzig sye, habend wir gar a ain gschickten scherer und zunfftmaister 8 ; der sagt b uns, er hielte in nit fur schuldig, dann es were ain rud von kelte 9 ; er sölte in ain bad ziechen, so wurde sin sach gwiss besser. Das ist bschechen. Zum dritten, wie er dahin zogen, ist er komen zu ainem juden zu Schaffhusen 10 , item zu dem schowmaister daselbs 11 , item zu dem schow

a gar über der Zeile nachgetragen.
b vor sagt gestrichenes u.
1 Überbringer.
2 Wie aus dem Folgenden sowie aus zwei Briefen Zwicks an Vadian hervorgeht, handelt es sich um einen Prediger namens Stephan, der "propter verbum" in Gefangenschaft war und in der Eidgenossenschaft (,,apud quosdam ex vestratibus") große Not litt (s. Vadian BW V 485, Nr. 1005, und 492, Nr. 1012; vgl. oben Nr. 1129, 41).
3 Spende.
4 verdächtigt.
5 besichtigt, beurteilt.
6 den Aussätzigen.
7 für aussätzig erklärt worden.
8 Zunftmeister der Schefflut, zu denen die Scherer gehörten, war Ulrich von Wengi; s. Rublack, Konstanz 111.
9 ein durch Kälte verursachter Ausschlag (Frostbeulen).
10 In Schaffhausen praktizierte um 1524-1562 ein heilkundiger Jude namens David; s. Karl Heinz Burmeister, Der Arzt Meister David von Schaffhausen (ca. 1490-1562) und der gegen ihn erhobene Ritual mordvorwurf. in: Schaffhauser Beiträge zur Geschichte 73, 1996, S. 195-206; vgl. auch Vadian BW V 425.
11 Unbekannt.


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maister von c Metz 12 , item zu dem bruchschnider von Mulhusen 13 . Die alle habend gsagt, das sy gar nichts an ym des ussatz findind. So sagt der gut mann Steffanus, disse yez erzelten habind in vil vlysiger gschowet dann die siechen by uns.

Wie er nun in dem bad gwesen und wider zu uns komen und alle ding anzaigt, och am lib ||50 gantz glatt worden und die rud gar hingfallen ist, habend wir angelangt, das man yn doch wyter besichtiget hett. Also ist von unseren herren befolchen worden, das yn bsechen solten zwen doctores und zwen die furnempsten schouer 14 . Das habend sy thon und yn uff alweg 15 von ussen und ynnen durchs blut und sunst probirt und aber 16 ainhelliklichen gsagt, das sy gantz und gar kain ussatz an ym fyndind.

Uff sollichs habend unsere herren erkent, das er von den siechen widerum solle gschowet werden; doch hond sy ainen zu d ynen verordnet, der sy vermane, damit sy mit vlys und ernst schowind. Wie sy in nun widerum gschowet, habend sy in widerum siech erkent. Daby mus es nun by uns e der schow halb bliben 1 , dann sy habend ire bruch und gerechtikaiten; davon lassend sich die siechen nit triben.

Die wil aber die sach in ainem zwifel ston will und etlich sagend wys 17 , die anderen schwartz, so hat in fur gut angsechen, och unß etlich, das er sich etwan an ainem anderen ort g och schowen liesse. So verr nun ir by uch oder an ainem anderen ort oder zwayen in aignossen 18 wisstind, do man schowete, ist min pitt an uch um liebe willen, ir wellind ym daselbs hin hilfflich und retlich 19 sin. Darum wurt uch gott der her den lon geben.

Diss ist, das ich uch hab wellen von des guten manns wegen zu schriben.

Datum Costantz, 26. iunii 1538.

Tuus Io. Zwick. Wie es mit dem Steffano gangen, also ists och mit der frowen 20 gangen.

||51 Item ich hab allerlay almusen gsamlet und alles in ainen seckel thon und bin irs 21 drin worden, das ich nit gwiss wais, was mir von yederman worden ist; bitt uch, lassend mich wissen, wie vil ir mir gschickt habind.

c von für gestrichenes zu am Rande nachgetragen.
d vor zu gestrichenes uff.
e by uns für gestrichenes widerum am Rande nachgetragen.
f am Ende des Wortes ein gestrichener Buchstabe.
g vor ort gestrichenes och.
12 Unbekannt.
13 In Mülhausen wirkte der angesehene Stein-, Bruch- und Augenschneider Hans Bitter von Schlettstadt; s. Philippe Mieg,
Les médecins et chirurgiens du Vieux-Mulhouse, in: Bulletin du Musée historique de Mulhouse LXI, 1953, S. 95f. 112. 119f.
14 Unbekannt.
15 auf alle Arten.
16 wieder.
17 weiß.
18 in der Eidgenossenschaft.
19 mit Rat behilflich.
20 Der Name der Ehefrau ist nicht bekannt.
21 unsicher, verwirrt.


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Praeterea nichil est, quod scribam. Negotium concordiae quiescit gratia domini. Quid secuturum sit, nescio. Scis tamen, ni fallor, editum libellum a Bucero De cura pastorali 22 . Utinam tuum iuditium impetrare possem! Sed cave, ne ad quemvis quidquam vel commendes vel vituperes, ne idem tibi quod cum libello Ad Monasterienses accidat 23 .

Vale plus millies cum tota domo et fratribus. Pellicano iam non licuit scribere, sed salvum volo cum Leone 24 et reliquis bonis. Iterum atque iterum vale.

[Adresse auf der Rückseite:] Ornatissimo viro d. Hainricho Bullingero, domino et fratri meo observando.