[1300]
Wilhelm von Zell an
Bullinger
Konstanz,
20. August 1539
Autograph: Zürich StA, E II 364, 99 (Siegelspur)
UngedrucktSpürt die Gebrechlichkeit des Alters. Hat Bullingers Brief mit demjenigen Leo Juds am 10.
Juni durch Gervasius Schuler erhalten und sieht, daß Bullinger Kenntnis von seinem Schreiben
an Jud erhalten hat. Anlaß dazu gab ihm das Ketzerurteil mancher Gelehrter [über
Schwenckfeld], doch er akzeptiert die Mahnung, solche Fragen ruhen zu lassen, und freut sich,
daß Bullinger fest bei Zwinglis [Abendmahlsverständnis] verharrt. Hat sich in Konstanz im
Hause von [Johannes] Zwick und dessen Frau niedergelassen; läßt Bullingers Frau [Anna]
grüßen. Übersendet ein Büchlein, das er aus Augsburg erhalten hat.
Gnad und frid durch Christum von gott sampt miner christenlichen liebe und
treu bevor.
Insonders gunstiger, fürgeliebter her und bruoder, ewr gesundhait und
wolfart zu hörn und von allen ewrn liebverwanten hette ich fröwd. Umb
mich istz dermassen meins alters halben gestaltet wie umb den mon; yetz
nymbt er zue, bald wider ab, also och umb mich, ein weil schwach und
krankh, wirt den wider besser. Ye doch lasse ich mich von gott mit danckh
und lobsagung hertzlich und woll benyegen 1 etc.
Ihnsonders geliebter her, ewr fraintlich, christenlich und gantz bruederlichs
schr[eiben] ist mir durch maister Gerfasium Schueler sambt mains
lieben hern und gfatters maister Leons Juds brief 10. iunii uberantburt, den
verlesen und wol vernomen, wie uch min gfatter Meister Leo Jud mein
schr[eiben]2 ouch eröffnet ader zlesen geben hat etc.
Getrewer, lieber her, darauff wist, das nit an ist 3 auß viler gelerter urthail,
so ich gelesen, irthe mich die straff 4 der käczereyen 5 , derhalben ich minem
lieben hern und gfatter, wie obstat 6 , gschriben, dieweyl dann solhs auch an
ewr liebe gelangt und ir mir derhalben so ganz vätterlich geschriben und in
christenlicher liebe und trew vermanent 7 , wölle mich in ansehen meines
alters deren dingen halb zu rue setzen, kan erchenen, das diser ratt guet ist,
kan ach ermessen, so ich mich beflisse, ihm baws 8 gottes recht zu thun und
seiner grossen gnad vleissig und getreulich warnäme, ihn 9 glauben und rechter
dessen Lehre wurden durch den Zuzug
Zehs im Sommer 1539 nach Konstanz
und auch nach Zürich getragen; vgl.
Moeller,
Zwick 2 I 3f.
geduld unz 10 annß end an meinem gott zu bharren, wurde er mir nit mehr
zumuetten 11 auch anderer thun und lassen halb von mir chein
, rechnung
vordern. Derhalben ich ewr lieb und trew gegen mir zum höchsten vermerkhe,
wann
12 ich ahn ewrm schr[eiben] woll zufriden und vernüyegt
13 bin.
Und das ir auch des sacramentz halb kainer andern maynung seind
14 , dann
vor ye 15 gwesen, wölhs mich von herzen woll erfröwet; dan ich ye glaub,
unsers fromen Zwinglis dienst am wort und warhait habe dem hern gefallen,
und werde sein lehr guette brob halten
16 . Gott verrleyhe im und allenn
glaubigen des leiplichen absterbens ein frölich urstende
17 .
Min getrewer, lieber her, pittend ouch gott für mich, das thu auch ich für
euch; dem sind zeitlich und ewig bevolhen, euch mit gesundtlichem langleben
zu fristen 18 , siner christenlicher gmein zu uffpauung. Ich habe mich
hie niderthan 19 by unserm fromen doctor Zwicken, wölher sambt siner erlichen
a hausf[rowen]20 alle treu und liebe beweisen, als ob ir sune oder ir
vatter wäre; dem treuen gott sye lob und danckh, der mich so gnedigklich in
minem alter hat underpracht und versehn christliche, frome, getröwe, gotselige
menschen, got sye ir ewger lon. Pitt, wellent got mit mier loben und
danken seiner gnaden. Meinen unbechanten gruos wellet eur christenlichen
frowen 21 minen gruos im hern vleissig und getreulich sagen und mirß zu
guot halte.
Schickh euch ain büchle 22 , ist mir von Augspurg von minem wirt 23 zugeschickt.
Wo es euch gefellig, sehe ich gern.
Datum zu Costencz, am mitboch, 20. augusti ihm 1539.
Ewer ganz [willilger g[etruwer] bruder b .
Wilhelm von Zell.
[Adresse auf der Rückseite:] Dem erwirdigen unnd hochgelerten hern Maister
Hainrichen Bullinger, praedicant zu Zurch etc., minem insonders günstigen,
gepietenden hern und brueder in Christo. Zurch.
erhalten.