Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[1469]

Simon Grynäus an
die Pfarrer von Zürich
[Basel,
kurz vor 25. Februar 1541]1

Zeitgenössische Abschrift von unbekannter Hand: Zürich StA, E II 347, 211-234

Begründet, weshalb er ihnen nicht einzeln schreiben konnte. Die Tagung [in Worms] blieb so weit hinter den Erwartungen zurück, dass vor allem mitzuteilen bleibt, was dort nicht geschah. Bericht über die Ankunft der Gesandtschaften und das verspätete Eintreffen der Präsidenten; Verzeichnis der Delegierten. Vorbereitende Gespräche der protestantischen Theologen über Glaube und Werke, Messe, Mönchsgelübde und Papstgewalt. Schwinden der auf Kaiser [Karl V.] gesetzten Hoffnungen wegen Nachrichten über das in Brabant erlassene Ketzeredikt und die damit verbundenen Verfolgungen, aber auch wegen der gegen Goslar verhängten Acht. Verspätete Eröffnung der Tagung am 20. November, Verlesung von Schreiben des Kaisers und seines Orators [Nicolas Perrenot, Herr von] Granvelle; Stellungnahmen beider Parteien und Antwort der Präsidenten. Ankunft Granvelles [am 22. November], Verlesung kaiserlicher Briefe

n In der Vorlage imeritos.
o In der Vorlage iis.
11 Am 12. Februar, Vadian BW VI 5f, Nr. 1152.
12 Gemeint ist zweifellos Johannes Haab, der im Januar und Februar 1541 ein bernisch-freiburgisches Schiedsgericht präsidierte; s. EA IV/1d 9-14.
1 Die in Zürich liegende Abschrift trägt den Vermerk "Haec descripta 1541 febru[arii] 25." Grynäus hatte am 28. Januar einen ausführlichen Bericht über die Wormser Tagung angekündigt (s. oben Nr. 1456, 1f); am 8. März ging Myconius davon aus, dass Bullinger diesen erhalten hatte (s. unten Nr. 1475, 1f).


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und Rede Granvelles [am 25. November]. Empörung der Protestanten über die Rede und Beratungen über eine angemessene Antwort; Erläuterung der Umstände, die nur eine gemeinsame Antwort beider Parteien zuließen. Vorschläge der Präsidenten zur Organisation des Gesprächs. Kritik am Verfahren, das die Protestanten in die Rolle der Angeklagten versetzte. Deren Einwände, vor allem gegen das Einstimmigkeitsprinzip; Einreichung der Confessio Augustana [variata] und der Apologie; Liste der von beiden Seiten für das Gespräch Nominierten. Antwort der Präsidenten vom 2. Dezember auf die Stellungnahme der Protestanten vom 28. November. Deren erneute Einwendungen werden großenteils abgelehnt. Weitere Zugeständnisse der Protestanten und Antwort der Präsidenten vom 3. Dezember; die Protestanten fügen sich in der Hoffnung auf sofortigen Gesprächsbeginn. Weitere Verzögerung um vier Tage durch Verhandlungen der Präsidenten mit der Gegenseite und dem kaiserlichen Orator sowie Abhaltung einer Messe vom HL Geist. Überraschender Auftritt des päpstlichen Nuntius [Tommaso Campeggio, am 8. Dezember]. Beratungen über eine Antwort an diesen; Ablehnung einer offiziellen Vertretung des Papstes. Streit um die am 9. Dezember vorgelegte Eidesformel der Notare. Verlegenheit der Gegner wegen des Entgegenkommens der Protestanten und wegen Uneinigkeit in den eigenen Reihen, besonders zwischen Johannes Eck und Ambrosius Pelargus; Vermittlungsbemühungen Granvelles, der die Einmütigkeit der Protestanten rühmt. Gründe für deren Widerstand gegen die in der Eidesformel vorgesehene Geheimhaltungspflicht. Stellungnahme Granvelles und der Präsidenten zu den Einwänden der Protestanten; nach siebentägiger Auseinandersetzung willigen diese trotz Bedenken ein. Nach vermeintlicher Überwindung aller Hindernisse am 18. Dezember erneute Maßnahmen der Gegner zur Verzögerung des Gesprächsbeginns: Versuch, evangelische Predigten zu unterbinden; Druck auf die pfälzischen, brandenburgischen und klevischen Delegierten; Vorschlag, ein privates Gespräch abzuhalten. Am 26. Dezember Beschwerde der Protestanten wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit der Bemühungen; die Präsidenten verweisen auf die in Hagenau verabschiedeten Rahmenbedingungen und schlagen vor, die Mehrheitsmeinung jeder Partei entgegenzunehmen und an die Gegenseite weiterzuleiten. Die Protestanten bestehen auf offener Diskussion; Stellungnahmen der protestantischen Räte und Theologen. In ihrer Antwort vom 2. Januar verlangen die Präsidenten, dass das Gespräch auf zwei Kolloquenten beschränkt werden soll und dass nur die Ergebnisse protokolliert werden. Ablehnung entsprechender Zugeständnisse durch die Protestanten am 5. Januar. Antwort der Präsidenten vom 12. Januar; Zustimmung der Protestanten zur Gesprächsführung durch zwei Kolloquenten. Am 13. Januar Vereidigung der Notare und Ansetzung des Gesprächsbeginns auf den folgenden Tag. Zusammenfassung der viertägigen Debatte von Melanchthon [und Eck] über die Erbsünde; die Einzelheiten des Gesprächs sind noch unveröffentlicht. Versuch Granvelles, die Positionen zur Deckung zu bringen; Gegensatz zwischen Eck und Pelargus. Zufriedenheit der Protestanten mit der erreichten Konsensformel; Verwunderung, dass diese überhaupt strittig sein konnte. Sistierung des Gesprächs durch kaiserliches Mandat am 18. Januar; abruptes Ende des Tagung. Zusammenfassende Beurteilung: Die Gegner wollten das Gespräch bis zur Ankunft des Kaisers hinauszögern und die Schuld daran den Protestanten zuschieben. Diese konnten trotz weitgehender Zugeständnisse nicht erreichen, dass das Gespräch rechtzeitig begann; sie hatten die Schiedsrichter mit Ausnahme des Pfälzers [Ludwig V.]gegen sich, und der Zeitrahmen war von Anfang an zu eng gesteckt. Über die privaten Gespräche will Grynäus hier nicht berichten. Was vom kommenden Reichstag in Regensburg zu erwarten ist, bleibt offen.

[Gedruckt: ADRG II/2 1325-1346.]