Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[1600]

Die Pfarrer und Lehrer von Zürich an
Kaspar Schwenckfeld
Zürich,
1. Februar 1542

Zeitgenössische Kopie a : Zürich StA, E II 337a, 349r.-v. Gedruckt: HBGesA II 154-156; Teildruck: CSch VIII 83f

Haben Schwenckfelds Brief [Nr. 1597] erhalten und dessen durch Jakob Held vorgetragene Anliegen zur Kenntnis genommen; sie haben es bislang so gut wie möglich vermieden, in solchen theologischen Auseinandersetzungen zu richten, und sich stattdessen an die einfache, apostolische Lehre von der Gnade Gottes durch Jesus Christus gehalten, der als wahrer Mensch und wahrer Gott gekreuzigt, auferstanden und in den Himmel aufgefahren ist, wo er zur Rechten Gottes sitzt und von wo er kommen wird, über die Lebenden und Toten zu richten; diese Lehre wird durch das unfehlbare Wort Gottes gestützt, an dem sie festhalten wollen, selbst wenn ein Engel etwas anderes verkünden würde. Sollte Schwenckfeld gleicher Meinung sein, danken sie Gott; sollte er aber davon abweichen, bitten sie Gott, ihn auf den rechten Weg zurückzuführen. Von der Verdammung Schwenckfelds durch die Schmalkaldener haben sie bislang nichts gewusst, können sich aber nicht in fremde Händel einmischen; Vadians Schrift [,,Antilogia"] ist ihnen bekannt und sie hoffen, dass Vadian die Sache so behandelt hat, dass es schließlich zum Guten gereichen wird. Aufgrund der vielen Verpflichtungen haben sie Schwenckfelds Buch noch nicht gelesen und werden es auch nicht begutachten, was sie Vadian überlassen. Segenswunsch.

b S. 2f unbeschrieben. Neben der Adresse ein Regest von späterer Hand.
7 Das Schreiben, in dem die Zürcher ihren Entschluss zur Neubesetzung der Bieler
Pfaff- und Schulmeisterstelle mitteilten, ist nicht erhalten, vgl. aber das Dankschreiben Biels (unten Nr. 1615).
a Adresse von der Hand Bullingers.


Briefe_Vol_12_034arpa

Gnad unnd frid von gott dem vatter durch unseren herren Jesum Christum, mit erbietung unsers früntlichen grusses unnd willigen diensten bevor.

Eerenvester, lieber herr unnd fründ, uwer schriben an uns gethon 1 zuo sampt dem buch, uff die schmalkhaldische condemnation unnd uff die Antilogian unnsers lieben herren unnd bruders Vadiani durch uch gestelt, 2 habend wir von dem frommen, eerenfesten Jacoben Helden von Dieffenow, bürgern zuo Strassburg, empfangen, den selben ouch sins anbringens von üweren wegen gutwillig verhört 3 .

Unnd danckend uch hieruff alles üweren früntlichen embietens, arbeit 4 unnd guten willens gegen uns etc. Fügend uch hiemit zewüssen, guter unnd früntlicher meinung, das wir uns hie unnd bisshar der scharpfen disputationen von sömlichen 5 hohen sachen unnd hochgelerter, träffenlicher lüten, so vil uns müglich gwesen, darin zuo richten oder uns darin zuo legen 6 , gantz entschlagen 7 , dargegen das wir die kilchen Christi, so uns befolhen, zum trüwlichisten unnd unnserem besten vermögen nach, vorab nach evangelischer, apostolischer einfalte 8 , also gelert habend, das got, der himelisch vatter, allen sinen gloubigen gnedig sin unnd das eewig leben geben welle durch unnseren herren Jesum Christum, welcher in unzertrenter person, doch mit unvermischten naturen, warhaffter got unnd mensch, 9 für uns gekrützget, gestorben unnd begraben ist, der ouch mit sinem waren menschlichen lichnam 10 am dritten tag widerum von den todten ufferstannden, in die himel uffgefaren unnd da noch, warer gott unnd mensch, zur gerechten 11 gottes sitzend unnd widerumb mit waarhafftem lib uber die lebenden unnd todten zuo richten, zuokünfftig ist etc. 12 Dann sömlicher unnser leer unnd

1 Oben Nr. 1597.
2 Es handelt sich um ein Manuskript von Schwenckfelds Schrift "Confession unnd erklerung vom erkandtnus Christi und seiner göttlichen herrlicheit"(CSch VII 484-884). Das den Zürcher Theologen übersandte Manuskript liegt unter dem Titel "Von der herrlichhait Christi und seinem erkanthnus. Rechenschaft dess Glaubens unnd verantwurtung auff das ausschreiben der gelehrtenn zu Schmalckhallden [...]" in Zürich ZB, Ms Car I 272. Mit dieser Schrift antwortete Schwenckfeld u. a. auf die 1540 erfolgte Verurteilung seiner Lehre durch einen Theologenkonvent in Schmalkalden (vgl. CSch VII 455-460) und auf das gegen ihn gerichtete Werk "Antilogia" Vadians (Zürich: Christoph Froschauer, [1540] [BZD C 292]). Zu Schwenckfelds Debatte mit Vadian und den Schweizer Theologen vgl. R. Emmet
McLaughlin, The Schwenckfeld-Vadian Debate, in: ders., The Freedom of Spirit, Social Privilege, and Religious Dissent. Caspar Schwenckfeld and the Schwenkfelders, Baden-Baden 1996. -Bibliotheca Dissidentium. Scripta et studia 6, S. 153-173; Yasukazu Morita, Bullinger und Schwenckfeld, in: HBGesA II 143-156.
3 angehört.
4 Mühe, Einsatz.
5 solchen.
6 zu entscheiden oder zu vermitteln.
7 enthalten haben.
8 Einfachheit.
9 Vgl. die christologische Definition des Konzils von Chalcedon (451), Denzinger 301f.
10 Leib.
11 Rechten.
12 Vgl. das apostolische Glaubensbekenntnis, Denzinger 30, 4-7.


Briefe_Vol_12_035arpa

gloubens habend wir guten, hellen grund in dem unfelbaren wort gottes; dem selben werdend wir mit der hillff gottes also styff 13 anhangen unnd darby beliben, das, wenn glich ein engel vom himel kem unnd uns ein annders offnen welte, würdend wirs gantz unnd gar nit annemmen. 14

So feer ir nun des gloubens unnd glicher apostolischer einfalt unnd haltung sind, danckend wir got und bittend in, das er üch unnd allen gloubigen sin gnad meere. Wo ir aber anderer meynung sind, bittend wir den herren, das er uch gnedig sy unnd uweren verstannd uff die ein-||349v. falten, gesunden leer widerumb richte.

Von dem span 15 , den ir bisshar mit den Smalkhaldischen gehept, unnd von uwer hanndlung oder iren verdammung 16 habend wir bis uff dise stund nie nutzig 17 gewüst. Darumb konnend wir uns eins frembden unnd unbekanten hanndels ubel beladen 18 . Von dem schriben 19 aber unnsers fürgeliebten herrenn unnd bruders Vadiani habend wir wol gewüst, hoffend aber, die wil der eerenfest Jacob Held in uweren namen by Vadiano gesin, im ouch uwer geschrifft unnd buch überantwurt unnd gehanndlet, ouch genampter unser lieber her Vadian allweg fürpündiger 20 früntlickeit gegen mengklichen 21 fürtreffenlich , trüw dem herren Christo, darzuo grosser bescheidenheit unnd wunderbarer kunst unnd erfarnuß ist, er habe der mass mit unnd gegen uch gehandlet unnd sich veranlasset 22 , das es alles zuo gutem nach 23 gereichen werde.

Darum habend wir üwer buch uffgenommen, nit das wir es ylends unnd angends 24 lesind, dan wir mit vilen geschefften beladen sind unnd diser zit kein muß habend. Wir habends ouch nit"darumb empfangen unnd behalten, das wir darüber richtind oder ir unnser urtheil erwartind, dann wir uns zuo vil ringfug 25 zuo solchen dingen schetzend, sonnder wen es unnser aller unnd unsers jetlichs gelegenheit erliden mag 26 , das wir es dann besehend. Doch hoffend wir, unser lieber herr und bruder Vadian werde hierinn allweg 27 hanndlen der gebür nach, das es unnser besunderen arbeit nit bedörffe. 28 Gott der allmechte well uch sinen geist durch Jesum Christum trülich unnd rychlich mitteilen. Amen.

b Vor nit gestrichenes da.
13 fest, beständig.
14 Vgl. Gal 1, 8.
15 Streit.
16 Vgl. oben Anm. 2.
17 nichts.
18 nicht/schwerlich annehmen.
19 Zu Vadians "Antilogia"vgl. ebd.
20 außerordentlicher.
21 jedermann.
22 Stellung bezogen.
23 noch.
24 sogleich.
25 zu unbedeutend.
26 erlaubt.
27 in jeder Hinsicht.
28 Vadian antwortete auf Schwenckfelds Werk mit der Schrift "Dreyzehen namhaffter irrthumb Gaspar Schwenckfelds, außzogen auß seinen büchern, die er hat lassen ußgon von dem bekenntniß und der glori Christi [...]", Zürich: [Christoph Froschauer], [1542](BZD C 314).


Briefe_Vol_12_036arpa

Datum Zürich, dess ersten tags im hornung 1542.

Pfarher, prediger, leser, diener der kylchen Zürich.

[Adresse auf f. 350v. : c ] Dem frommen, erenvesten, unserm lieben, besondernn Casparn Schwenckfeld, uff Justingen inn Schwabenn.