[1704]
Autograph: Zürich StA, E II 343a, 264r.-264a v. (ohne Siegel)
Dank für den Brief [Nr. 1684] und die übersandten [Kommentare zum Matthäusevangelium,
zur Apostelgeschichte und zu den apostolischen Briefen]; hätte er allerdings gewusst, dass
Bullinger ihm diese Bücher schenken würde, hätte er sie selbst in Frankfurt erstanden;
wünscht, er hätte Bullinger früher gefragt, welche Autoren und Historien er lesen sollte; so hat
er nun Bernardo Giustinianis "De origine urbis Venetiarum", [Magnus Aurelius Cassiodorus']
"Historia ecclesiastica tripartita". Eusebius' "Historia ecclesiastica", "De evangelica
praeparatione" und "De evangelica demonstratione"gelesen, was er deshalb bedauert, weil
er die Zeit besser hätte nutzen können. Eusebius' "Demonstratio [evangelica]" war wegen der
teilweise ungeschickten Exegese, besonders hinsichtlich des Logos und der Juden, recht mühsam
zu lesen; zählt verschiedene Punkte auf die ihm zusagen oder die er kritisiert; diese
Bücher las er vor seinem Besuch in Zürich, wie auch Tertullian, dessen Frömmigkeit, Einfachheit
und rechtes Urteil bezüglich der Abendmahlslehre und anderer Themen ihm mehr auffiel
als sein schwieriger Stil; sowohl aus Tertullian wie auch aus den Kirchenhistorien hat er viele
Stellen gesammelt, die er gegen seine Landsleute einsetzen kann, die epikureische Auffassungen
vertreten. Hat Tertullian auf dem Markt erstanden und gelesen, weshalb er Bullinger bei
seinem Besuch [in Zürich] dazu befragen konnte; ist sich auch bewusst, dass Tertullians
Ansichten zuweilen widersprochen werden muss oder diese mit Vorsicht aufzunehmen sind, wie
etwa in "De praescriptione haereticorum", wo er u. a. argumentiert, dass man mit Häretikern
nicht disputieren solle, und von kirchlicher Prüfung der apostolischen Lehre spricht. Seit
seiner Rückkehr [aus Zürich] hat er mit großem Interesse Cyprian und Laktanz, den er als
Unterstützer in folgender Sache ansieht, gelesen. Vom Tod der Königin Anne [Boleyn, im Mai
1536] bis zu seiner Abreise [1540] wurde er von einigen Nachbarn in London kritisiert, weil
er nicht nach Sitte der Gemeinde [St Margaret Bridge Street] Geld für große Wachskerzen
gab, die vor dem Kreuz und dem [Oster-]Grab angezündet werden; Beschreibung seiner
Argumentation gegenüber den Nachbarn, die die Sache sogar vor den Diözesanbischof [JohnBriefe_Vol_12_277 arpa
Stokesley] brachten; dieser unternahm in Erwartung [der Restaurierung des Katholizismus]
zunächst nichts und starb bald vor Gram über die Vorwürfe von Cromwell und anderen, er
habe die Bemühungen des Königs [Heinrich VIII.] um die Abschaffung des päpstlichen Primats
und die Auflösung der Klöster nicht unterstützt. Als ihm seine Gegner [1538] ein neues
königliches Edikt vorhielten, das Kerzen nur noch vor dem Kruzifix und zur Osterzeit vor dem
Heilgen Grab gestattete, erklärte er, nicht davon betroffen zu sein, da er ja die Kerzen nicht
entfernen wolle und als nächster Schritt ohnehin deren Abschaffung zu erwarten sei; darauf
warf man ihm Auflehnung gegen die alte Sitte vor, an der selbst seine Mutter zu seinem Schutz
festgehalten hatte. Am Tag nach seiner Abreise nach Antwerpen verhörte [der Bischof von]
Winchester [Stephen Gardiner]einige von Hilles' Nachbarn, aber selbst seine ärgsten Feinde
wollten ihn nicht denunzieren; mit diesem Vorgehen wollte ihn der Bischof möglicherweise zur
Flucht veranlassen - Bullinger sieht nun, warum er Laktanz als seinen Verteidiger ansieht.
Detailfragen zum Verständnis von Laktanz' Werken. Weitere Detailfragen zu Cyprian, der
manchmal allzu streng urteilt. Wollte Origenes wegen dessen Alters lesen, hat aber seine
Meinung geändert, nachdem Bullinger ihn nicht erwähnte; wird stattdessen Augustin lesen
oder Hieronymus zu den Propheten, außer wenn Bullinger davon abrät, wie auch Capito, der
in einer Vorlesung zu Jesaja sagte, dass Hieronymus nur als Rhethoriker tauge. Bittet um
Anleitungen, wie man das Gelesene am besten im Gedächtnis behalte; er legt normalerweise
[ein Florilegium] an, was für ihn als langsamen Schreiber doch mühsam ist. Bittet um Übersendung
von Bullingers "De scripturae sanctae authoritate [...]deque episcoporum [...] institutione
et functione" und "De origine erroris", als ein Buch gebunden, sowie von Leo Juds
Bibel [,,Biblia sacrosancta"], falls fertiggestellt, zuvor soll Bullinger jedoch den Preis festsetzen,
den Heinrich Falkner erstatten wird; Grüße an Falkner und Peter Hürtzel [Hirzel]; die
beiden sollen umgehend ihre Schulden bezahlen, da er für all sein Geld englisches Tuch
gekauft hat, das nun wegen des Krieges in Antwerpen blockiert ist. Grüße und Dank an
Bullingers Frau [Anna, geb. Adlischwyler]für die freundliche Aufnahme während des Besuchs
der Hilles in Zürich; bittet um nähere Erläuterung zu dem von Bullingers oder Meganders
Frau [Regula, geb. Offenhuser] bestellten Stoff; Grüße; ist Bullinger ganz ergeben, will ihn
aber nicht mehr mit Briefen belästigen. Bittet, sich vor dem Zürcher Rat für John Burcher
einzusetzen, weswegen auch [John] Butler kürzlich an Bullinger geschrieben hat [Nr. 1689].
Hat seit der Frankfurter Messe keine Neuigkeiten mehr aus England gehört, hat aber an
Bullinger durch Peter Hürtzel [Hirzel] ausrichten lassen, dass an der Grenze zwischen Schottland
und England Krieg ausgebrochen ist; nach der Tötung einiger englischer Soldaten hatte
[Heinrich VIII.] mit Krieg gedroht, falls [Jakob V. von Schottland] nicht die Bedingungen
akzeptiere, [Heinrich VIII.] als Oberhaupt anzuerkennen, Papsttum und Mönche zu beseitigen
und die Ausbreitung des [evangelischen] Glaubens zu erlauben sowie [Heinrich VIII.]für den
erlittenen Schaden zu entschädigen, was [Jakob V.] aber größtenteils ablehnte; während dieser
Verhandlungen im August und September wurde gleichzeitig zum Krieg gerüstet; über die
Verluste der nach Schottland vorgestoßenen englischen Truppen gibt es nur Gerüchte; Bullinger
wird dies schon alles von John Burcher erfahren haben, aber Hilles berichtet ihm trotzdem
wie versprochen. Hat in England eine größere Summe Geld verloren; möchte nun eine jährliche
Summe für die Religionsflüchtlinge in Straßburg geben, so dass er für die Flüchtlinge in
Zürich in Zukunft nicht mehr so viel spenden kann, aber bei Bedarf gerne von Bullinger darum
gebeten wird. Grüße.
[Gedruckt und Übersetzung: Epistolae Tigurinae III 152-157, Nr. 109, bzw. Original Letters I 228-238, Nr. 109; Regest: LP XVII 670f, Nr. 1218.]