Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[1879]

[Ambrosius Blarer an
Bullinger]
[Konstanz],
22. März 1544

Autograph: Zürich StA, E II 357, 74-76v. (ohne Siegel) Zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 241f, Nr. 1071

Konnte diesen Brief am Vortag nicht mehr durch die Metzger schicken, daher sendet er ihn mit eigenem Boten; sorgt sich um die [am Reichstag zu Speyer von den Reichsständen gewährte] Offensivhilfe gegen [Franz I.], die für Deutschland nur Unheil bringen wird unabhängig von der Entscheidung der [Reichs-]Städte; auch die Folgen einer Spaltung der Eidgenossen aufgrund einer Schutzforderung [Franz' I.]sind nicht abzusehen, noch verheerender wäre, wenn sie aufgrund des [Ewigen Friedens]geschlossen Frankreich beistehen; sorgt sich, dass sich die Städte der Zustimmung [zur Offensivhilfe] nur schwer entziehen können. Wenn [Franz I.] in einem Schreiben an Straßburg für die Erhaltung guter Nachbarschaft plädieren würde, könnte sich die Stadt den Ständen gegenüber entschuldigen; auch die Eidgenossen sollen ein solches Schreiben verfassen; hofft, dass die Gesandten der Städte nichts ohne Rücksprache bewilligen, sodass noch Zeit dafür bleibt. Auch sollte Zürich an Konstanz schreiben, welche Nachteile die Bewilligung [der Offensivhilfe]bringen könnte, und gute Nachbarschaft unterstreichen - so ließe sich die Stadt vielleicht von einer Absage überzeugen und könnte das Schreiben als Grund dafür verwenden; darf nicht alles schreiben, was er weiß; befürchtet eine Torheit, besonders, da Konstanz täglich Beschwerden durch die Eidgenossen erfährt; man soll zu Gott beten. Hat zuvor von einer großen [Kriegs-]Kunst geschrieben, möge Gott dem Erfinder [Konrad Zwick]Standhaftigkeit verleihen! Der Botenlohn sollte Bullinger erspart bleiben, da er auch Bürgermeister [Diethelm] Röist informieren kann und es sich um eine Sache von allgemeinem Interesse handelt, andernfalls kommt Blarer selbst für den Botenlohn auf; wird Bullinger sofort über Neuigkeiten informieren; man soll beten.

Sonders vertrauwter, freuntlicher, l[ieber] herr und bruder.

Ich hab euch auff gestert diß ingeschlossen briefflin schicken wellen durch unsere metzger, die aber schon verruckt 2 gewesen, und diewyl ich aber sonst kain bottschafft waiß und meines bedunckens vyl daran gelegen, hab ich euch disen aignen botten 3 desshalb zuschicken wellen; dann ich mancherlay gedancken diß nacht gehapt, wahin diß sachen raichen mögind, soll diß offensiv hilff wider den Frantzosen 4 fürgang haben. Dann, die stett bewilligind oder nitt, 5 so wirt doch grosß grausam empörung in teutscher nation. Sollend dann ouch die aidgnossen sich auff des Franzosen beger, das sy inn by seinem land schützen und schirmen wellind, 6 trennen, haben ir zu

1 Der Brief mit zahlreichen Bezügen zu anderen Briefen zwischen Blarer und Bullinger reiht sich nahtlos in deren Korrespondenz ein.
2 abgereist.
3 Unbekannt.
4 König Franz I. -Die Reichsstände hatten sich am Reichstag zu Speyer zur Unterstützung des Kaisers im Kampf gegen
Franz I. bereiterklärt; s. oben Nr. 1878 mit Anm. 7.
5 Die Gesandten der Reichsstädte hatten sich Bedenkzeit für die Einholung von Instruktionen erbeten; s. oben Nr. 1878, Anm. 9.
6 Zürich und auch Bern hatten sich wiederholt gegen ein französisches Unterstützungsgesuch ausgesprochen, zuletzt an


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ermessen, was args doruß enstehn müsse. Sollend sy dann, wie ich gedenck sy der erbainung 7 halber schuldig sin, ainmütigklich mitt allem vermögen zu dem Frantzosen setzen, ist aber lichtlich 8 abzenemmen, was für ellend, jomer, blutvergiessen und landsverherung folgen muß, wa dise potentaten dermassen all ir macht und vermögen an ain ander bynden werden, allso das es in allweg grosß auffsechens bedörffte, wie yeder gedechte, auff das best und lydlichst sich zeentschutten 9 . Mir ist treffelich angst unserer fromen stett halber; dann der herren wort sind yetz treffelich süsß und gut; damitt lasst man sich etwan blenden. Und bitt gott von gantzem hertzen, das er davor seye, damitt sy darin nitt gehellind 10 , wiewol grosse sorg daby ist, sy werdind sich kommerlich ausschlöffen 11 , diewyl ouch die protestierenden fursten etc, in sölichs bewilliget habend.

Ich hab gedacht, wann möglich were, das onverzug denen von Strassburg geschriben wurd ||75 durch den Frantzosen, wie inn sölichs anlange, und das sy bedencken wellten, was im und inen daran gelegen sey, das sy gute nachpurschafft nitt lassind zerrütt werden, wie dann die warhait ist, und man das selbig nach der leng ausstrichen 12 köndt, es sollte treffelich gut und nütz sin; dann damitt und von sölichs schreibens wegen hetten die von Strassburg etwas entschuldigung irer gelegenhait nach gegen den anderen stenden. Ich hett ouch ausß vyl ursachen für nützer, das sölich schryben durch den Frantzosen dann gmain aidgnossen beschäche, wie wol, wellten sy ouch schreiben, mocht nichts schaden, wann es nun 13 alles unverzug beschäche. 14 Ich hoff, die gesandten der stett zu Spir werdind söliche schwäre, wichtige sach nitt bewilligen on hindersichbringen 15 an ire herren, allso das vyllicht an gemeldtem schriben, so es ylends bescheche 16 , nichts versumpt 17 möchte sein. Hinwyder waiß ich wol, wie man etwan ylt und durch posten 18 die ding uherhuyet 19 , das wol möglich, es seye zu spat. der Badener Tagsatzung vom 17. März; s. EA IV/1d 356 d.

7 Blarer meint hier mit "Erbeinung" nicht die Erbeinung der Eidgenossen mit dem Haus Habsburg von 1477 bzw. 1511, sondern den Ewigen Frieden mit Frankreich von 1516; s. Walter Schaufelberger, Spätmittelalter, in: Handbuch der Schweizer Geschichte, Bd. I, Zürich 1972, S. 358.
8 leicht.
9 befreien, entziehen.
10 zustimmen.
11 kaum entziehen können.
12 darlegen.
13 nur.
14 Am Tag zu Baden vom 21. April wurde
vorgeschlagen, an Straßburg und Konstanz zu schreiben, wobei die verschiedenen Meinungen nach Zürich gesandt werden sollten, das dann im Namen der Orte die Schreiben verfassen sollte; vgl. EA IV/1d 369 d, Text: 372 zu d. -Sraßburg entschloss sich damals, den Kaiser in seinem Vorhaben gegen Frankreich nicht zu unterstützen; s. Rodolphe Reuss, Histoire de Strasbourg, Paris 1922, S. 135.
15 Meldung, Relation.
16 eilends geschähe.
17 versäumt.
18 Boten, Botschaften.
19 übereilt.


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So sech mich ouch gantz für gut an, das gemain aidgnossen minen herren von Costentz ouch auff sölich mainung schribind, wie sy anlangte a , das inen solichs wurde zugemutet, derhalben sy bedencken weiten, was auff solichem allem stönde, zu was nachtail zu allen tailen diß bewilligung raichen möchte, wie vyl an solicher guter nachpurschafft gelegen, wie man dann vyl und mancherlay fürwenden möchte etc. Dann allso, hoffte ich, möchten meine herren bewegt werden, sich des zu wegeren 20 , köndten ouch sölich der aidgnossen schreiben für ain ursach fürwenden etc. Ich wellt ye von gantzem hertzen gern, das diß jomer verhüt wurde. Ich darff euch ||76r. nitt schreiben, was ich waiß; so wartet man yetzund alltag ander brieff, und sind vyllicht ettliche schriben vorhanden, darinn man blauw dunst sich understeht den ougen fürzeweben 21 . So kan das menschenkind wunder über wunder, und seind der herren hochgeferbte, kluge fürgeben 22 schmaltzig und süsß, das mir warlich myn hertz bidmet 23 by denen sachen, alls 24 übel besorg ich, man begang etwan ain torhait, sonderlich diewyl (alls ir vyllicht wol wissen mögt) diser statt teglich nitt gering beschwerden von den aidgnossen widerfaren. 25 Es darff hytzigis senens 26 und schreyens zu gott, das er unsß auff seinen wegen behalte.

Ich hab euch vormals von ainer grossen sach und kunst 27 geschriben; da bittend gott von gantzem hertzen, das er den finder mitt krafft erhalte zu allem gutem.

Ich waiß, das euch diß hendel ouch, wie billich, angelegen, derhalb ich euch nitt underlassen mögen, diß zeschreiben by aignem botten, welchem, so ir den bottenlon nitt wisst usserhalb ewers seckels zuentrichten, hat kain not, so will ichs thain 28 ; aber diewyl ich lyden mag, das ir meinem g[nädig]en herrn burg[ermaister] Rösten 29 sölichs ouch anzögind, und es ain gemain sach 30 ist, gedenck ich, man entrichte den botten sonst on ewern schaden; wa nitt, so sollt ir ruwig sein, ich will inn zefriden stellen. Ir hapt vyllicht die zeytung 31 vorhin 32 ; noch hat mich getruwe sorgfeltigkait 33 getriben, das ich allso mine gedancken und gute beduncken hab anzögen müssen. Alls bald dann andere schreiben weyter herkommend, will ich, sovyl mir möglich, allweg euch berichten, so erst ich bottschafft hab, oder wa die sachen allso groß und wichtig sich zutragen wurden, by aigner bottschafft.

a Vor anlangte gestrichenes unlesbares Wort.
20 weigern.
21 Vgl. Wander I 711, Nr. *4 s.v. "Dunst".
22 Äußerungen, Aussagen.
23 bebt, zittert.
24 so.
25 Blarer spielt vielleicht auf die Sache Hütlin an; s. zuletzt oben Nr. 1847, 1-6.
26 Es bedarf heißen Sehnens.
27 Blarer spielt auf die "Kriegskunst"Konrad Zwicks an; s. oben Nr. 1836, 35-118 mit Anm. 16; 1838, 2-21.
28 tun.
29 Diethelm Röist.
30 von öffentlichem Interesse.
31 Nachricht.
32 vorher, dennoch.
33 Sorge.


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||76v. Lasst unß in himel schreyen. Es thett nie nöter 34 ; es hangend zornige wetter b doben 35 . Der starck g[ott]c verleych, das sy sich gnedigklich niderlassind. A[men]d .

Datum den 22. martii anno 1544.

[Ohne Adresse.]