Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[1882]

[Ambrosius Blarer an
Bullinger]
[Konstanz],
26. [oder kurz zuvor] März [1544]

Abschrift von Bullingers Hand a : Zürich StA, E II 453, 189.1r.-189.2r. Ungedruckt

Kann auch weiterhin nicht offen schreiben. Ein vom Reichstag kommender Gewährsmann berichtete von hauptsächlich gegen die Eidgenossen gerichteten Plänen; die Eidgenossen oder die [evangelischen] Städte Zürich, Bern, Basel, Schaffhausen und St. Gallen sollten Straßburg und Konstanz warnen, dass deren Zustimmung zur Offensivhilfe für Kaiser [Karl V.] gegen [Franz I.] sie in Opposition zur Eidgenossenschaft bringen würde; es wäre sehr nachteilig für [Zürich], wenn sich Konstanz auf die Seite der Gegner ziehen ließe; Straßburg hat Vorreiterfunktion unter den Städten und war den Eidgenossen immer zugeneigt; wenn ein solcher Brief der Eidgenossen oder der [evangelischen] Städte vor dem Reichstagsabschied und der darin enthaltenen Hilfsforderung eintreffen würde, würden [Konstanz und Straßburg]die gute Nachbarschaft sicherlich nicht leichtfertig aufgeben; [die Eidgenossen] müssen schnell handeln, denn man ist ihnen nicht gut gesinnt, sie haben aber immer noch Freunde.

Lieber und guter fründ, üwer schryben uff min letstes gethon 3 hab ich empfangen und verstanden, und diewyl ir mich so hoch vermanend, ich wölle doch üch vertruwcklich offnen, was das heymlich sye, das b in der fäderen stäckt, da ich geschryben, ir söllend üch wol umbsähen, ich dörffe nitt schryben alles das ich wüß, 4 were ich willig, üch ze dienen, wo es mir gepurte 5 ; jetzund aber wil ich üch gepätten haben, ir wöllind üch deß vernügen

y Die Adresse steht in A am Beginn.
z In A Philippus Melanchton vor Clarissimo.
a Bullinger hat wohl Blarers Autograph an Diethelm Röist weitergereicht und seine eigene Abschrift zurückbehalten.
b sye, das über der Zeile nachgetragen.
1 Der Brief reiht sich nahtlos in die Korrespondenz zwischen Blarer und Bullinger von Ende März 1544 ein (vgl. die folgende Anm.).
2 Das Tages- und Monatsdatum (unten Z. 37) ist gestrichen. Der vorausgegangene
Brief, auf den mehrfach Bezug genommen wird, ist mit großer Wahrscheinlichkeit (vgl. unten Z. 1. 4. 12f) jener vom 22. März 1544 (oben Nr. 1879). Die inhaltliche Berührung mit dem (zweiten?) Brief vom 26. März 1544 (unten Nr. 1883, bes. Z. 44-52) spricht für eine Datierung auf den 26. März oder kurz davor.
3 Bullingers Antwort auf Blarers Brief vom 22. März (oben Nr. 1879) ist nicht erhalten.
4 Vgl. oben Nr. 1879, 46f; unten Nr. 1883, 44-47.
5 gebühren würde.


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6 , das ich üch erscheindt 7 hab, und mich nitt wyter ersuchen; dann ich hab ye darzu grosse ursach, das ichs darby blyben laß.

Die radtschleg sind gschwind 8 , und hatt mir ein vertruwter eerenmann 9 , der jetzund ab dem rychßtag 10 kummen, in c truwen geoffnet 11 , es werde gar stattlich ze Spyr geradtschlagt und die radtschlag eins grossen levis wider üch eydgnossen gericht etc. 12 Und wie ich üch ze letst geschriben und anzeigt 13 , das verständig eeren und üch gut günstig lüt, ||189.1v denen diß sach vast 14 naach anlygt, für gut ansähe, das ir eydgnossen oder joch 15 Zurych, Bern, Basel und Schaffhusen, ouch Santgallen, üwern nachpuren, Straßburg und Constantz schrybend, 16 wie üch anlangte, das den stetten 17 wider den Frantzosen 18 und sine hälffer ein offensif hilff dem keysser 19 ze d bewysen angemutet, und so die bewilliget, könne man wol gedencken, wer an einandren gesetzt, und das üwer nachpurlich vermanen sye, das sy sich wider üch nitt unfrüntlich ynlassend etc., alls ir baaß 20 wüssend zu stellen. Da so vermeintend die selben guten günner noch, es sölle von üch nitt underlassen werden. Dann die von Constantz ligend üch an der thür, und so sich die selben e , alls das menschen kind vil kan f , von fürsten wider die eidgnossen bewegen g , bringen und hetzen h liessend, habend ir zu gedencken, was grosser macht lüten ir haben müstend, alein uff Costantz ze wartend[!]21 - zu dem das [es?]i [jetz]und vil ein andere [rüs-?]k ||189.2v. tung hatt ze kriegen dann inn dem Schwabenkrieg 22 . Und wurde üch die harr 23 den hals brächen und üwer lüt müden, so ist Costantz für uffzucken gemacht 24 , ir wurdents nitt bald überrumpplen etc. So ist Straßburg grosses vermögens, und hängend

c Vor in gestrichenes mir[?].
d dem keysser ze am Rande nachgetragen.
e selben über der Zeile nachgetragen.
f Von alls bis kan am Rande nachgetragen.
g bewegen über der Zeile nachgetragen.
h und hetzen über der Zeile nachgetragen.
i Text am unteren Rand beschnitten.
k Rechte untere Ecke abgetrennt.
6 damit begnügen.
7 bekannt gemacht.
8 listig, tückisch?
9 Unbekannt.
10 Der Reichstag zu Speyer.
11 vertraulich eröffnet.
12 Vgl. die engen Parallelen von Z. 9-12 zu unten Nr. 1883, 49-59.
13 Oben Nr. 1879, 23-37 und 38-46.
14 sehr.
15 doch.
16 Zu den von Blarer vorgeschlagenen
Schreiben der Eidgenossen an Straßburg und Konstanz vgl. oben Nr. 1879, 23-37. 38-46.
17 Die Reichsstädte.
18 Franz I.
19 Karl V.
20 besser.
21 Achtzuhaben.
22 Der Schwabenkrieg, auch Schweizer oder Engadiner Krieg, wurde 1499 zwischen der Eidgenossenschaft und dem vom Schwäbischen Bund unterstützten Haus Habsburg ausgefochten. - Lit.: Vom "Freiheitskrieg" zum Geschichtsmythos. 500 Jahre Schweizer- oder Schwabenkrieg, hg. v. Peter Niederhäuser und Werner Fischer, Zürich 2000.
23 Dauer.
24 im Sinne von: zu rascher Mobilisierung bereit.


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iro vil der stetten nach. Und habend allwäg ein gut hertz zu den eydgnossen gehept etc. Wenn dann üwer der eydgnossen oder stetten brieff in stetten werend, ee der abscheid käme ab dem rychßtag, wenn dan der abscheid käme und genampte hilff anmutete l , wurde man sich bedencken, ee man gute nachpurschafft übergäbe 25 . Dorumb lugend in das spyl 26 by zyten, dann man ist üch nitt hold. Doch habend ir ouch noch gut fründ, wenn irs nitt verachtend. Gott beware üch.

Datum 26. martii m .