Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[1951]

Johannes Gast an
Bullinger
Basel,
8. August 1544

Autograph: Zürich StA, E II 366, 250r.-v. (Siegelspur) Ungedruckt

Hat zwei Briefe Bullingers erhalten und wird den Brief an [Gilbert] Cousin in den nächsten Tagen dessen Bruder mitgeben. Berichtet ausführlich über den dreifachen Sturm kaiserlicher Truppen auf Saint-Dizier, der mit hohen Verlusten endete; die Franzosen streifen bis vor Epinal; dies melden italienische Soldaten; Näheres kann [Konrad] Pellikan berichten. Gruß. Über das Unternehmen des Herzogs [Heinrich] von Braunschweig[-Wolfenbüttel] gegen den Bischof von Münster [Franz von Waldeck]weiß Bullinger schon Bescheid. Der Fürst [von Oranien, Renatus] von Nassau ist beim Sturm [auf Saint-Dizier] ums Leben gekommen; seine Ländereien fallen an Lutheraner, nämlich an Wilhelm von Nassau, der Erasmus Sarcerius bei sich hat, und an Herzog [Ulrich] von Württemberg.

S. in domino.

Literas binas 1 simul compactas nuper a te accepi, in quibus abunde animum tuum erga me declaras. Quas autem literas d. Cognato scripsisti, 2 domi adhuc habeo. Expecto autem in singulos dies fratrem 3 illius, qui libros quosdam avecturus est, cui dabo, ne sis sollicitus.

7 Vgl. Baalita: Anbeter von Baal; s. Hoven s.v. Baalita.
8 Dichterische Nebenform für den Infinitiv Präsens Passiv vinci.
9 1Kön 18, 18-40.
10 Gwalther übersetzte damals deutsche Schriften Zwinglis ins Lateinische für die vierbändige Ausgabe "Zvinglii opera", Zürich 1544/45; s. Finsler 75, Nr. 105a.
11 Mk 5, 1-13 par.; Lk9, 1; 10, 17.
1 Nicht erhalten.
2 Bullingers nicht erhaltene Antwort auf den Brief Gilbert Cousins vom 15. Juni (oben Nr. 1927, Anm. 15).
3 Gilbert Cousin erwähnt seine Brüder Hugo und Antonius 1547 in einem Brief an Bonifacius Amerbach als Reisende


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Nova de caesaris 4 et Galli 5 exercitu:

Der keyser hat lassen sturmen ein stettlin nomine Santisier a 6 , das vorhin wol beschossen. Die knecht sindt angeloffen, aber bald von der muren hinweg getriben; dann die Galli hendt buchsen geladen mit einer kuglen b , in die verschlossen ist gsin ein yseni kettenen; die hat vil knecht umb bracht. Zum anderen angeloffen, sy, die knecht, in ein blindtgraben 7 kommen, darin strouw und pulver gelegen, do ein grosser dampff worden und vil knecht erstickt, hinwider hinder sich gezogen, handt ouch ab der muren c zinnen geschir zerschmeltzs, vil knecht verprent d . Und do sy nun gemeint haben die statt zu eroberen, do haben die Galli ettlich wieer 8 , darzu vorhin verordnet, 9 abgelossen, das die knecht in der ordnung sindt gestanden biß an gurtel und habent müssen by einer teutschen mil hinder e sich ziehen, im wasser lassen stan ir zelten, hutten, hefen 10 , geschir und was mann do bruch, ouch verlassen by 16 stuck buchsen 11 , welche die Galli genomen haben. Ouch streiffen die Galli biß gon Spinol 12 an das thor, werffen gütter nider 13 , was sy finden. Haec a militibus Italis habeo. Reliqua Pellicanus. 14

Vale in domino cum uxore 15 et tota familia.

Basileae, 8. augusti 1544.

Tuus Gastius

ex animo. 250v.

|| Quid dux Brunsvicensis conatus sit contra episcopum Monasteriensem, 16 nosti iam pridem.

a Randbemerkung von Bullingers Hand: Sandisir. S. Desiderii.
b Vor kuglen mehrere gestrichene Buchstaben.
c In der Vorlage eher als murer zu lesen.
d In der Vorlage verpret oder verbret.
e Vor hinder gestrichenes abzi.
zwischen Basel und Nozeroy; Antonius hielt sich anscheinend öfter in Basel auf; s. Amerbach, Korr. VI 166. 500f; VII 36; X/2 521.
4 Karl V.
5 König Franz I.
6 Am 15. Juli versuchten die kaiserlichen Truppen in mehreren Anläufen erfolglos, Saint-Dizier zu erstürmen; s. Du Bellay, Mémoires IV 254f; PC III 526f; Paillard 143-152.
7 versteckten Graben.
8 Weiher. - Siehe ferner Du Bellay, Mémoires IV 248; Paillard, aaO, S. 125.
9 die zu diesem Zweck im voraus angelegt worden waren.
10 Töpfe.
11 Flinten oder Geschütze.
12 Epinal (Dép. Vosges), Lothringen (Frankreich).
13 beschlagnahmen, rauben Güter.
14 Pellikan befand sich damals auf der Heimfahrt von Rufach nach Zürich (s. Pellikan, Chronikon 164) und war wohl Überbringer dieses Briefes.
15 Anna, geb. Adlischwyler.
16 Herzog Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel bedrohte Bischof Franz von Waldeck militärisch und verlangte seinen Rücktritt, da der Bischof 1542 die Vertreibung des Herzogs aus Wolfenbüttel unterstützt hatte; s. Hans-Achim Schmid, Landsknechtswesen und Kriegführung in Niedersachsen 1533-1545, in: Niedersächsisches Jahrbuch 6, 1929, S. 218-221; Wilhelm Kohl, Das Bistum Münster, Bd. 7/3: Die Diözese, Berlin-New York 2003, S. 568. -Germania sacra, NF 37/3.


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Der fürst von Nassauw ist umb kommen am sturm; 17 die lehen et feuda - nam decessit absque liberis -data sunt Lutheranis, dann den[!] fursten Wilhelmo von Nassau ist das nider landt umb Leuen 18 gegeben zu lehen, 19 vil stett und lütt, qui apud se habet Erasmum Sarcerum 20 ; item pars quaedam duci Wirtembergensi cessit Burgundiam attingens. 21 Quo consilio id caesar agat, dominus novit.

Vale iterum atque iterum.

[Adresse darunter:] D. Heinrycho Bullingero, praeceptori suo charissimo. Zurich.