Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[1986]

Bullinger an
Ambrosius Blarer
[Zürich],
15. September 1544

Autograph: St. Gallen Kantonsbibliothek (Vadiana), Ms 34 (VBS V), 298 (Siegelabdruck) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 296, Nr. 1121

Hofft, dass Blarer seinen letzten Brief und die dazu beigelegten Briefe für andere [Wolfgang Musculus, Sixt Birck und Adam Bartholomäus]gut empfangen beziehungsweise weitergeleitet hat. Hat nichts über den Krieg [zwischen Karl V. und Franz I.] zu berichten; in den vergangenen Tagen hielt sich in [Zürich] ein Gesandter des Kaisers aus Burgund auf ein Schwager des [Nicolas Perrenot de] Granvelle [François Bonvalot oder Jean de Saint-Mauris]; dieser hat den als Vermittler wirkenden Eidgenossen von Seiten des Kaisers einen Friedensvorschlag

a In der Vorlage Panonia.
7 lardum: Hier vermutlich sinnbildlich für gutes Essen.
8 Schah Tahmasp I. Der Familienname Sophi (auch: Safi, Sufi) bedeutet "aus dem Haus Sophi", also "Safawide". Tahmasps Vater Ismael I. war der erste persische Herrscher aus dieser Familie gewesen. - Lit.: Roger Savory, Iran under the Safavids, Cambridge 1980.
9 Vgl. oben Nr. 1969, Anm. 28. Hier handelt es sich vermutlich um ein Gerücht.
10 Nicht erhalten. Bullinger ging in seiner Antwort vom 5. September 1544 an Vadian auf den (heute verlorenen) Brief ein; s. oben Nr. 1973.
11 Alexander Rischacher, der damals auch zu Gast bei Pellikan war; s. oben Nr. 1978, 1; Pellikan, Chronikon 166.


briefe_vol_14_403arpa

zwischen Herzogtum und Grafschaft Burgund mitgebracht, dem sogar [Franz I.] zustimmte. Empfiehlt den Jüngling Josua Bullinger, Sohn seines Bruders [Hans], in der Hoffnung, dass dieser während des Winters eine Lehrstelle [als Kürschner in Konstanz]finde; bittet [Blarer], ein Auge auf Josua zu haben. Grüße.

Gratiam et pacem.

Tuas avide expecto, colendissime mi Ambrosi, nam meas 1 tibi redditas esse arbitror; spero item meas illas a inscriptas aliis 2 bona fide esse abs te curatas. In praesenti nihil habeo, quod scribam.

De bello illo infausto 3 nihil habemus. Fuit sane superioribus diebus hic orator caesaris 4 , Burgundio quidam, gener 5 Granvellae, 6 consensum afferens caesaris ex castris super neutralitate comitatus Burgundiae et ducatus, nam opera Helvetiorum pax inter ilios facta est; 7 consensit etiam Gallus 8 . Burgundio ille asserebat magnam esse spem pacis et concordiae sarciendae. Dominus det nobis pacem suam! 9

Commendo tibi hunc puerum, Iosue Bullingerum 10 ; est fratris mei 11 filius. Si haeserit apud vos (optarem autem maxime, ut magistrum apud vos inveniret,

a ilias verbessert aus illis.
1 Aus diesem Zeitraum ist nur Bullingers Brief vom 5. September (oben Nr. 1971) erhalten, den Blarer aber wohl schon [kurz nach dem 6. September] (oben Nr. 1976) verdankt hatte.
2 Vermutlich die nicht erhaltenen Briefe Bullingers an Wolfgang Musculus (s. unten Nr. 1991 mit Anm. 2), Sixt Birck (s. unten Nr. 2000, 1f) und Adam Bartholomäus (s. unten Nr. 1991 mit Anm. 26).
3 Gemeint ist der Krieg zwischen Kaiser Karl V. und König Franz I. 4 Karl V.
5 Hier die seltenere Bedeutung: Schwager.
6 François Bonvalot aus Besançon oder Jean de Saint-Mauris; s. oben Nr. 1979 mit Anm. 5.
7 Vgl. die kaiserlichen und französischen Stellungnahmen zur burgundischen Neutralität am Tag zu Baden vom 23. Juni 1544, EA IV/1d 393f k. - In den auf die Burgunderkriege - als deren Folge das Herzogtum Burgund französisch, die Freigrafschaft Burgund habsburgisch wurde - folgenden Verhandlungen traten die Eidgenossen immer wieder als Vermittler auf, etwa 1478 auf dem Kongress zu Zürich oder 1493 im Frieden von Senlis wie auch 1522 und später bei der Aufrichtung eines
Neutralitätsvertrages. Ab 1544 trat die Auseinandersetzung mit Frankreich in dieser Hinsicht besonders nach dem Frieden von Crépy-en-Laonnois (Aisne) in den Hintergrund. - Lit.: Bettina Braun, Die Eidgenossen, das Reich und das politische System Karls V., Berlin 1997. - Schriften zur Verfassungsgeschichte 53, S. 446-448; Paul Schweizer, Geschichte der Schweizerischen Neutralität, Frauenfeld 1895, S. 144f.
8 König Franz I.
9 Diese Gebetsformel entstammt dem Stundengebet; vgl. Hans Lietzmann, Einführung in das römische Brevier, Bonn 1917. -Kleine Texte für Vorlesungen und Übungen 141 =Liturgische Texte X, S. 26, 14.
10 Josua Bullinger (1529-1581). der vermutliche Briefüberbringer, war der einzig überlebende Nachkomme von Bullingers Bruder Hans (s. Anm. 11) und der Elisabeth Zehnder aus Aarau. Er erlernte das Kürschnerhandwerk und beteiligte sich später am Kriegsdienst im Piemont. 1570 wird er als Prädikant in Ottenbach erwähnt (Zürich StA E I 30. 22, Nr. 11; Max Stiefel, Die kirchlichen Verhältnisse im Knonaueramt nach der Reformation 1531-1600. Ein Beitrag zur landschaftlichen Reformationsgeschichte, Affoltern am Albis 1947, S. 107). Im privaten Testament Bullingers


briefe_vol_14_404arpa

apud quem hac hyeme laboraret), 12 quaeso, admoneto et corripito ipsum, ne adolescentium more insolescat. Oro item, ut mihi, quomodo ille se gerat, significes; rem facies longe gratissimam.

Vale una cum tuis omnibus.

Septembris 15. anno 44.

H. Bullingerus tuus.

[Adresse auf der Rückseite:] Praestantissimo viro d. Ambrosio Blaurero, fratri suo singulari ac incomparabili. Constantz.