Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2001]

Johannes Gast an
Bullinger
Basel,
30. September 1544

Autograph: Zürich StA, E II 366, 248 (Siegelspur) Ungedruckt

Es ist nötig, [Johannes] Cochläus - wie es Luther schon tat - so darzustellen, wie er ist, damit es nicht den Anschein hat, als sei er ein gelehrter Theologe, und damit er einfache Gemüter nicht verführen kann; zwar ist er einer Antwort nicht würdig, aber um der Kirche willen sollte man ihm antworten; Gast würde ihm auf lateinisch, nicht auf deutsch schreiben. Bat [Mathias] Limberger brieflich, ihm Luthers Buch [,,Kurtz bekentnis"] auf der Frankfurter Messe zu kaufen; legt dessen Antwort bei und bittet um deren Rücksendung. [Johannes] Brenz schrieb Folgendes: Bisher war seine Nachbarschaft vom Wahnsinn der Täufer frei, nun aber schicken einige am Rhein gelegene Dörfer eine Menge von Täufern nach Mähren, die durch seine Nachbarschaft hindurchziehen und einige mit ihrer Seuche anstecken; aber auch wenn das bedauerlich ist, so ist dies doch ein Beweis dafür, dass Gottes Reich gekommen und das wahre Evangelium offenbart worden ist; in Ungarn war die Lage während des Sommers ruhig, doch leiden die Menschen unter den türkischen Statthaltern; im vergangenen Frühjahr soll der Sohn [Mustafa]des türkischen Sultans [Suleiman I.] vom Safawiden [Schah Tahmasp I.]geschlagen worden sein; der Beylerbey [Mehmed Pascha] wurde aus Ungarn nach Konstantinopel zurückbeordert; Freunde schreiben ihm, dass [Cheireddin] Barbarossa die Liparischen Inseln erobert habe und der [Sultan Suleiman I.] in Konstantinopel ein riesiges Heer sammle. Möge der Herr den Glanz seines Evangeliums nicht verdunkeln. Das Übrige wird Bullinger von Froschauer erfahren. Grüße.

S[alutem] in domino.

Chocleum iam suis coloribus depingere 1 , larvam detrahere, quemadmodum Lutherus fecit, 2 commodum a erit, ne videatur in religione christiana doctus ac ne simplices per illius malitiam seducantur; sed non dignus ullo responso, si illius personam considero, dignus autem propter ecclesiam, quam irridet suis argumentis. Latine illi responderem, non Germanice, neque ego vulgus curarem, quod iudicare in divinis nescit, scommata 3 observat ac iam ipsum negligit.

Scripsi Limpergio 4 5 , ut librum illum Lutheri 6 mihi vellet emere Francofurti; quae autem respondent ad literas meas, legenda mitto ea conditione, ut remittas. 7 Nescio, quid ex illius literis decerpere debeam; video enim Lutheri animum erga nostras ecclesias exacerbatum.

a Korrigiert aus unlesbar gemachtem Wort.
1 Adagia, 1, 4, 6 (ASD II/1 414, Nr. 306).
2 Gast bezieht sich auf Luthers Schrift "Adversus armatum virum Cokleum" von 1523 (Benzing/Claus I 1525-1529; WA XI 292-306).
3 Spötteleien, Sticheleien; vgl. Macrobius,
Saturnalia, 7, 3, 10, u.a.
4 Mathias Limberger.
5 Nicht erhalten.
6 Das "Kurtz bekentnis"Luthers, das erst in diesen Tagen erscheinen sollte; s. oben Nr. 1971, Anm. 20.
7 Diese Beilage scheint nicht erhalten zu sein.


briefe_vol_14_434arpa

Brentius haec ad me scripsit 8 : "Nostra vicinia fuit hactenus per clementiam dei ab anabaptisticis furiis libera; nunc autem quidam Rhenani viculi mittunt frequentia pene agmina anabaptistarum ad Moraviam, 9 quibus, cum per nostram viciniam proficiscendum est, inficiuntur hac peste nonnulli, ut et illis sese adiungant. Sed bene habet; etsi dolendum est, quod tantum liceat satanae in miseros homines, manifestum tamen argumentum est advenisse regnum dei et verum evangelium revelatum esse, 10 etc. In Hungaria hac aestate res fuerunt tranquillae, nisi si quam molestiam perferant homines miserrimi a praefectis Turcicis. Haec autem tranquillitas hinc adeo evenit, quod superiori vere filius 11 Turcici imperatoris 12 dicatur a Sophi 13 profligatus esse 14 et Bellerbecus 15 cum exercitu suo ex Hungaria ad Byzantium 16 revocatus fuerit. 17 Ac scribunt mihi amici 18 famam esse Barbarossam 19 expugnasse

8 Dieser Brief von Brenz ist nicht erhalten; s. W[alther] Köhler, Bibliographia Brentiana. Bibliographisches Verzeichnis der gedruckten und ungedruckten Schriften und Briefe des Reformators Johannes Brenz, Berlin 1904. -Beiträge zur Reformationsgeschichte, S. 362, Nr. 807.
9 Es handelte sich um Täufer aus Württemberg; s. hierzu Gottfried Seebaß, An sint persequendi haeretici? Die Stellung des Johannes Brenz zur Verfolgung und Bestrafung der Täufer, in: Gottfried Seebaß, Die Reformation und ihre Außenseiter. Gesammelte Aufsätze und Vorträge. Zum 60. Geburtstag des Autors hg. v. Irene Dingel unter Mitarbeit von Christine Kress, Göttingen 1997, S. 283-335, bes. 319.
10 Vgl. 2Thess 2, 3.
11 Mustafa, Sohn von Sultan Suleiman I. und Mahidevran.
12 Sultan Suleiman I.
13 Schah Tahmasp I.; s. oben Nr. 1985, Anm. 8.
14 Näheres über die Auseinandersetzung konnte nicht ermittelt werden, allerdings findet sich eine andere (wohl spätere) Nachricht im Briefwechsel Siegmund von Herbersteins; s. Johannes Voigt, Der Briefwechsel des Freih. Sigismund von Herberstein mit dem Herzog Albrecht von Preussen, in: Archiv für Kunde österreichischer Geschichts-Quellen, hg. v. der zur Pflege vaterländischer Geschichtsquellen aufgestellten Commission, Bd. 17, Wien 1857, S. 265-293, bes. 288: "Es sind Zeitungen von Venedig kommen, davon bisher viel wahrhaffter Kundschaften kommen sind,
dass des Türkischen Kaisers ältester Sohn [Mustafa] sich mit dem Sophi vertragen und verglichen soll haben wider seinen Vater [Suleiman I.], nachdem er vernommen, dass der andere sein Bruder [Selim], doch von einer andern Mutter [Roxelane], vor ihm zu dem Kaiserthum soll vermeint trachten und das aus Beförderung seiner Mutter, die so gewaltig bei dem Kaiser ist, als nie erhört ist worden."
15 Beylerbey (Beglerbeg), Statthalter, Titel des wichtigsten türkischen Provinzverwalters. Gemeint ist hier der Beylerbey von Buda (Ofen). Von 1543 bis 1548 hatte Mehmed Pascha dieses Amt inne; s. Hammer-Purgstall III 252. 266. 270; Austro-Turcica 695.
16 Byzanz (Konstantinopel).
17 Der Beylerbey hatte im Juni 1544 mit 40'000 Mann an der ungarischen Grenze gestanden, wie aus einem Brief von Kaiser Karl V. an Herzog Moritz und August von Sachsen vom 7. Juni 1544 hervorgeht; s. Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen, hg. v. Erich Brandenburg, Bd. 2, Leipzig 1903, S. 91, Nr. 608. Am 22./23. September 1544 trat Suleiman I. seinen Rückzug von Pest an, kam zehn Tage später nach Petrovaradin (Peterwardein), und vierzehn Tage später wurde das Heer in Belgrad in die Winterquartiere entlassen, während Suleiman nach Konstantinopel zurückkehrte; s. Hammer-Purgstall III 260.
18 Ein entsprechender Brief ist nicht erhalten.
19 Cheireddin Barbarossa.


briefe_vol_14_435arpa

in Sicilia Lyparas 20 et Turcam colligere Byzantii ingentem exercitum." 21 Haec ille.

Oremus itaque dominum, ut sui evangelii splendorern non sinat obscurari. Reliqua a Froschouero audies. 22

Basiliae, 30. septembris 1544.

D. Bibliandro precor omnem felicitatem cum reliquis ministris. Uxorem 23 tuam cum liberis 24 valere opto.

Tuus Gastius

ex animo,

raptim.

[Adresse auf der Rückseite:] D. Heinrycho Bullingero, praeceptori suo charissirno. Zurich.