[2023]
Original a : Zürich StA, E II 377, 2701 (Siegelspur)
Die Neuenburger "Classe". 2 Die Ermahnung und förmliche Zurechtweisung wird folgendermaßen
gehandhabt: Der zu Ermahnende muss sich zurückziehen; dann erkundigt sich der
Dekan bei den Nachbarn und Verwandten, ob ihnen ein Verstoß dieses Bruders [Pfarrers]
gegen die Kirche oder den Pfarrdienst durch ihn oder dessen Familie bekannt ist; dann
werden die anderen befragt, welche Ermahnung sie für angemessen halten; darauf wird der
Bruder [Pfarrer] zurückgerufen und kraft des Rats und Urteils aller freundlich ermahnt,
seinen Dienst fromm zu verrichten und zum Aufbau der Kirche beizutragen. Der Widersprechende
[Jean Chaponneau]der "Classe"behauptet: 1. Brüderliche Zurechtweisung ist ein Akt
der Liebe und fällt unter das göttliche Gebot, von dem niemand ausgenommen werden darf
2. Da die Vorschrift der brüderlichen Zurechtweisung verbindlich ist, ist diese nicht an einen
gewissen Zeitpunkt [wie etwa das Treffen des "Colloque" oder der "Classe"] gebunden.
3. Die förmliche Zurechtweisung, dessen Ziel die Besserung des sündigen Bruders ist, darf
also nicht nur aufgeschoben, sondern manchmal sogar aufgehoben werden. 4. Gemäß dem
Gebot Christi, "Wenn dein Bruder gegen dich gesündigt hat" usw. [Mt 18, 15], muss Ermahnung
im Verborgenen einer öffentlichen Denunziation vorangehen. 5. Wer dem Bruder und
sogar einem, dessen Sünde der Öffentlichkeit bekannt ist, in christlicher Liebe zugetan ist,
handelt klug, wenn er ihn zunächst heimlich ermahnt, dann, falls dieser nicht hört, dies in
Anwesenheit von ein bis zwei Zeugen wiederholt, und erst dann den Starrsinigen der Gemeindebriefe_vol_14_488 arpa
anzeigt. 6. Dieser darf nicht irgendeiner Gemeinde angezeigt werden, sondern nur derjenigen,
deren Mitglied er ist. [Von Farels Hand:] Die Brüder [Pfarrer] sagen, dass die von ihnen
ausgeübte Berichtigung fromm und nützlich ist, damit die Kirche und die Lehre nicht verletzt,
sondern reiner bewahrt werden. Der Gegner [Chaponneau] behauptet, dass die ausgeübte
Zensur im Widerspruch zum Wort des Herrn stehe, indes ein jeder Pfarrer zuerst persönlich zu
ermahnen sei, dann vor dem Volk, das er unterweist, und niemals in der Versammlung der
lehrenden Brüder [Pfarrer]; man muss sich wundern, dass das, was er beobachtet hat, nicht
zu einem Sinneswandel bei ihm führt, da es ja zwei [Pfarrer, Claude de Glant und Alexandre
Le Bel]3 gab, die sich schlecht benahmen und weder den Ermahnungen der Brüder
[Pfarrer] noch dem Befehl des Magistrats gehorchen wollten, weil sie auf das von ihnen
verblendete Volk zählten, welches jetzt das Unheil hasst, das es zuvor in verderblicher Liebe
herbeiwünschte.
[Gedruckt: CO XI 760f, Nr. 580; Corr. des réformateurs IX 349f, Nr. 1403.]