Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

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Hemmann Haberer an
Bullinger
Hallwil ,
8. Januar 1533

Autograph: Zürich StA, E II 360, 267f. Ohne Siegelspur. -Ungedruckt

Hat von Hans Mutschli in Bremgarten gehört, daß sich die Zürcher an der letzten Tagsatzung in Baden zu einem Gerichtsentscheid betreffend den Mandatstreit bereit erklärt hätten, weil sie von den Berner Tagsatzungsgesandten nicht unterstützt worden seien. Bittet Bullinger um genauere Nachricht, da er von Peter Im Haag in Bern erfahren hat, daß Zürich damit gegen den Willen der Berner und der Basler gehandelt habe.

Min gantz früntlich grutz und alzytt willige und unverdroßne dinst zu vor, günstiger und geliepter bruder im herren.

Ich bin uff hütt 3 zu Bremgarten gesin und alda von unserem gutten herren und bruder schultheißsen Mutßly 4 vernommen, daß mich gar befrömdtt und unbillich hatt 6 . Und ist daß namlich der handel von deß vergangnen tags, so jetz vor wienecht

1 Hemmann (Hermann) Haberer, um 1505-1577, aus Brugg (Kt. Aargau), immatrikulierte sich im Wintersemester 1522/23 an der Basler Universität. Ein Hemmann Haberer aus Brugg hielt sich 1527 als Küfer in Huttwil (Kt. Bern) auf, wo er mit den Kirchherren von Huttwil und Sumiswald wegen theologischer Fragen im Streit lag (ABerner-Ref 1201. 1238). Ob dieser mit dem Schreiber des vorliegenden Briefes identisch ist, bleibt ungewiß. Haberer stand offenbar in Kontakt mit dem Täufer Martin Lingg (auch Weniger), gegen den er als Zeuge am Zofinger Täufergespräch im Juli 1532 auftrat (QGTS IV 138. 337). Im gleichen Jahr wurde er Schreiber der Grafschaft Lenzburg und gleichzeitig Schaffner der Herren von Hallwyl, 1535-1558 Landschreiber zu Lenzburg. Hier war er seit 1546 Mitglied der Burger und Räte, 1548-1552 des Kleinen Rates. Mehrmals verwickelte sich Haberer in Streitigkeiten und wurde (vielleicht wegen einer solchen) 1558 als Landschreiber entlassen. Im folgenden Jahr wurde er zum Stiftsschreiber von Zofingen ernannt, welches Amt er bis zu seinem Tod versah. Daneben betätigte sich Haberer als dramatischer Schriftsteller. «Jephta» wurde 1551 in Aarau
aufgeführt, «Abraham» 1562 von den Bürgern von Lenzburg gespielt und im selben Jahr bei Froschauer in Zürich gedruckt (Rudolphi 60, Nr. 577). Bullinger und Haberer kannten sich wohl durch Hartmann von Hallwyl, der mit dem Antistes korrespondierte und in dessen Auftrag Haberer 1546 für Bullinger einen Bericht über die Lage im Reich verfaßte (Zürich StA, E II 360, 399). - Lit.: Jakob Baechtold, Geschichte der Deutschen Literatur in der Schweiz, Frauenfeld 1892, S. 367 und im Anmerkungsteil S. 97f; Max Banholzer, Hemmann Haberer von Brugg, in: Brugger Neujahrsblätter 1960, S. 27-36; Max Banholzer, Die Brugger Studenten an der Universität Basel in den ersten zwei Jahrhunderten ihres Bestehens, in: Brugger Neujahrsblätter 1961, S. 10f; [Jakob] Baechtold, in: ADB X 267; HBLS IV 31; Basel, Matrikel I 353.
2 Hallwil (Kt. Aargau).
3 Bremgarten (Kt. Aargau).
4 Demnach starb Hans Mutschli erst im Jahre 1533 und nicht schon 1532, wie bisher v. a. aufgrund des Berichtes in HBRG III 314 angenommen wurde, s. HBBW I 204, Anm. 17.
5 erstaunlich (SI IV 1167f).
6 dünkt, vorkommt (SI II 879).


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7 zu Baden gehalten ist , von welcher handlung er von uch ettwaß worten verstan[den] a 8 , so vilicht unseren herren von Zürich von unserer heren von Bern radtsbotten 9 söl begägnett sin, alls namlich daß sy unserer herren von Bern halber sollind one hilff und ganß radtloß oder trostloß gestanden sin, und also inen ins rächt verwyllgen umb sölcher ursach 11 . Nun aber, diewil und ich jetz uff wienächt zu Bernn von mim herr vennrichen Imm Hagg vil ein anders verstanden hab, das doch sölchem gar widrig 12 ist, und ich im 13 ouch gern wölty zuschriben daß, so under uch die sag und Mag ist, und ich nun aber deß nit so gar gewüß, ist min früntlich bitt an uch, irr wellend der sach und sölcher red dester eygentlicher 14 nochfragen und mich, oder allein min obgenanten herr schultheisen 15 , sölichs berichten. Dan daß sag ich: Hand unserer herren radtsbotten von Bern sölichs gehandlett, so hand sy es uß inen selbs und nit uß miner gnädigen herren empfeich, ouch sidhar zu Bern nit die warheyt dargethon. Und darum, diewil ir ouch herwiderumb daß geschrey und die sag zu Bernn vernemmind, ist mir sölichs von mim herr vennrichen Petren Im Hag selbs gesagt uffs nechsten vergangnen wienechts tag. Dan alls ich by zwo stunden zu Bernn in sim huß by im bin gesassen und under vil reden ouch inn von sölchem abscheid deß tags gefragt han, hatt er mir geantwurttet, er wüsse noch nütt drumb, er sige noch nit bin botten ||268 gesin, doch so habint sy in empfelch 6 , daß sy by denen von Zürich söllint stan, und uff daß sy da gar und gantz den fünff ortten inn und zu keinem rächt standint, dan sölichs rächt möchtind wir eben alls wol alls sy nit erlyden, ursach unsers mandatt 17 sige scherpfer 18 , und wen es ab üch keme, so were es zum nächsten ouch an unß. Und hatt hiemitt mir bede mandat miner gnädigen herren und ouch das deren von Zürich zeigett etc. Noch sölchem uff dem abent ist er mir bekommen 19 bim münster b und mir gerüfft und gesprochen: «Wie du mir hast
a Wortende am rechten Rand abgerissen.
b in der Vorlage müster.
7 Die Tagsatzung von Baden am 16. Dezember 1532, an welcher der Mandatstreit zwischen Zürich und den V Orten zur Sprache kam, s. EA IV/1b 1451b und unten Anm. 11.
8 Von einer diesbezüglichen Mitteilung Bullingers an Mutschli ist nichts bekannt.
9 Berner Gesandte an der Tagsatzung waren Hans Pastor und Hans Franz Nägeli (EA IV/1b 1450).
10 ohne Hilfe oder Ermutigung (SI VI 1560).
11 An der erwähnten Tagsatzung wurde in den Verhandlungen über das zürcherische Religionsmandat vom 29. Mai 1532 folgender Stand erreicht: Zürich bittet die V Orte nochmals, sie mögen sein Mandat unangefochten lassen und von einem Gerichtsurteil in dieser Sache absehen, da man in Zürich bereit ist, den Vorschlag der Schiedorte anzunehmen, wonach auch das von den V Orten im Rheintal erlassene Mandat gültig bleiben soll. Andernfalls jedoch will Zürich das Recht nicht abschlagen. Die V Orte dagegen beharren auf einem Rechtsspruch, falls die Sache nicht auf gütlichem Wege entschieden werden kann, s. EA IV/1b 1451 b.
und HBRG III 369-371; dazu noch HBBW II 288f, Anm. 7. Die Berner hatten ihre feste Haltung in der Frage schon an der Zürcher Tagsatzung vom 19. bis 21. November 1532 bekräftigt (EA IV/1b 1439) und wichen offenbar auch in Baden nicht davon ab, S. Z. 23-25 und 36f.
12 gänzlich widerspricht.
13 Hans Mutschli.
14 genauer (SI I 146f).
15 Hans Mutschli.
16 sie hätten folgende Instruktion erhalten (SI I 798).
17 Als einziges Berner Mandat, das inhaltlich dem Zürcher Religionsmandat entspricht, kommt das Reformationsmandat vom 7. Februar 1528 in Frage.
18 Währenddem das Zürcher Religionsmandat von der Messe sagt: «wie die bishar bi der römischen kilchen, nit zuo kleiner schmälerung und verkleinerung des bitteren lidens und sterbens Jesu Christi, ... brucht worden» (AZürcherRef 1853, S. 797f), steht im Berner Reformationsmandat: «so doch die mäss der eer gottes abbricht und dem ewigen opfer Christi Jesu lestrig ist» (ABernerRef 1513, S. 631).
19 begegnet (SI III 281).


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hüt gesagt, also ist es gangen c .» Ich aber hatt im gesagtt, wie ich vernomen hette, daß die von Zürich sich begäben hätten, den fünff orten ins rächt zu stan 20 . Und wyter redt er: «Das gott trülich erbarm! Ich mein, das gott gar wider uns sige. Ich weiß schier nit, weß wir unß sond 21 zu denen von Zurich versähen. Sy wend nit bestendig sin, dan wie die fünff ortt hand wellen d ein antwurtt von inen haben, und sy deß nit hand gewallt 22 gehebt, hand sy noch me gewallt hindersich geschickt 23 , und noch dem, alls der gewalt inen komen, inen ins rächt verwilgett e 24 , und daß wider unserer botten und deren von Basell geheyß, günst und willen 25 , daß unß nun übel beschwecht 26 . Doch so hand sy noch daß vor innen, daß sy alleinig also verwilligett hand, daß sy vermeinend, sy habint nütt wider den lantzfriden gehandlett» etc. Sölichs, lieber Meyster Heinrich, ist mir von dem genanten warhafften man 27 selbs gesagtt. Darby ir wol mogen abnemen, waß für ein listiger tüffel in der sach umgatt, dan die großt klegt und sorg zu Bern, alls ich ouch von anderen gehörtt han, weder daß die von Zürich nit wellind handvest 28 sin, und statt vast wol in Bernn etc. Damitt dem herren Christo trülich bevolchen.

Datum 1533, die 8. ianuarii.

Umb bruder Andreß Rappenstein statt es woll.

Uwer alzit williger Hemman Haberer,

schaffner, zu Hallwyll.

[Ohne Adresse.]