Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[179]

Ulrich Fischer an
Bullinger
[Biel],
17. Januar 1533

Autograph: Zürich StA, E II 355, 53. Siegelspur. -Ungedruckt

Hat lange auf die Gelegenheit einer ihm gemäßen Anstellung gewartet und sich um die frei gewordene Lehrerstelle in Bern beworben, die aber mit einem Ausländer, [Johannes Endsberg], besetzt wurde. Sieht sich gezwungen, sich weiterhin durch manuelle Arbeit den Lebensunterhalt zu verdienen. Bittet um Empfehlung bei Megander. Simprecht Vogt und Jakob Würben lassen grüßen.

Superiori anno, cum ob munus quoddam ambiendum te convenissem 3 , aliquoties ad te scriberem postulabas idem et te facturum pollicitus, hucusque tamen non negligentia, sed nuntiorum penuria intermissum. Obtigit ergo a casu praesentium lator 4 , vir, ut apparet, non usque adeo impius, cui, inquam, ad te ferendas commisi, quo vel semel, quid mearum esset, certior fieres. Ut enim culpabas, quia relictis literis ad huiusmodi artificium a bonis artibus prorsus alienum me contulissem, non perpetuo id acturum, verum ad tempus, quo inopiae succurrerem, donec aliquid commodius ad manus veniret, accipiebas paratumque ad quamcunque provintiam viribus meis non imparem. Expectatis inde aliquot annis nihil erat; quod unquam offerretur, quam anno hoc praesenti, quo Bernanus paedagogus vacantibus scholis alio conferendus erat 5 . lis itaque ut praeficerer, omni conatu petebam Megandri usus opera,

a nach magistratus gestrichen aut aliquis.
1 Ulrich Fischer (Piscator) aus Bern, studierte seit Juni 1517 in Köln (Köln, Matrikel II 783). Es ist anzunehmen, daß er und Bullinger einander während ihrer gemeinsamen Kölner Studienzeit kennenlernten. 1529-1531 war er Helfer in Biel und hielt sich offenbar auch nach 1531 da auf. Nachdem er die Lehrerstelle in Bern nicht erhalten hatte, verhandelte das Chorgericht anfangs 1534 mit ihm über die Lehrerstelle in Zofingen, anscheinend jedoch ohne Erfolg. Sonst ist über Fischer nichts bekannt. Weitere Briefe sind nicht erhalten. - Lit.: de Quervain 69; Lohner 474. -Die Identität mit den in ABernerRef
2016 und 2173 erwähnten Personen desselben Namens ist fraglich.
2 Fischer scheint sich nach wie vor hier aufzuhalten. Dafür sprechen auch die von den Bieler Predigern Vogt und Würben aufgetragenen Grüße (s. Z. 24f).
3 Wann der stellensuchende Fischer sich mit Bullinger getroffen hat, ist nicht zu ermitteln.
4 Unbekannt.
5 An der Berner Lateinschule war die Stelle des ersten Schulmeisters frei geworden, als ihr Inhaber, Albrecht Bürer, am 28. Oktober 1532 strafweise nach Thun versetzt worden war, s. Adolf Fluri, Die bernische Schulordnung von 1548, in: Mitteilungen der Gesellschaft


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qui certe rem meam aeque ac suam curavit fratrisque officium apprime executus. Interea autem, dum Megander fratrum circuisset conventus, hypodydascolus [!] suevus Augustensis 6 - quae huius doctrina, qui mores, Megander optime novit - Bertholdi, ut opinor, technis subornatus est 7 . Megander vero a conventibus ut rediit indignatus senatum adiens, rem omnem, ut instituta erat, enumerans effecitque, ut stipendium quadraginta librarum annuatim distribuendum mihi ascriberetur, donec aliquo vocarer, verum calumniatoris cuiusdam iniuria senatus hoc decretum rescissum. Quo fit, ut satis persuasum habeam vi ac numine quodam me ad manuum laborem trahi. Tu vero, mi Bullingere, me amare, ut soles, perge. Nam et ego te amo. Unum superest, quod te facere vellem, ut vel semel Megandro scripturus me illi commendatum reddas. Non est enim, quod aeque cupiam, quam aliqua saltem parte doctorum familiaritati esse coniunctum.

Aenobarbus noster Sympertus 8 et lacobus Wirben 9 , verbi ministri, te saluere iubent. Coniugem tuam 10 ex me quoque salutabis.

Vale sanus cum Christo.

Datae 17. ianuarii anno etc. 33.

Uldricus Fischerus tuus.

[Adresse auf der Rückseite:] Domino Henrico Bullingero, Tigurino ecclesiastae, viro docto iuxta atque pio fautorique suo facile dilectissimo.

für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte, Jg. 11, Berlin 1901, S. 173; de Quervain 67f.
6 Nachfolger Bürers als Leiter der Lateinschule wurde der bisherige Provisor Johannes Endsberg (Entzisberger, Telorus), gest. 1543, welcher aus dem zum Bistum Augsburg gehörenden, bayrisch-schwäbischen Füssen stammte. Die dadurch freigewordene Provisor-Stelle erhielt Peter Huber, s. oben Nr. 172 und 174; Fluri, aaO, S. 173f. 189.
7 Der kritische Ton des Einheimischen gegenüber den Ausländern Endsberg und Haller ist charakteristisch für die fremdenfeindliche Stimmung nach 1531, s. Anshelm VI 124.
8 Simprecht (Simpert) Vogt, 1480-1561, aus Schaffhausen, kam vor 1528 als Geistlicher nach Biel und nahm an der Berner Disputation teil, an der er möglicherweise Bullinger kennenlernte. Als 1536 in Schaffhausen die Auseinandersetzung zwischen Ritter und Burgauer mit dem Weggang der beiden Prädikanten zu Ende gegangen war, wurde Vogt als Nachfolger Ritters ans Schaffhauser Münster gewählt. Zusammen mit den Pfarrern an St. Johann und am Spital, Heinrich Linggi und Sebastian Grübel, bildete er ein Triumvirat, das die Schaffhauser Kirche leitete. Der Zuname «Aenobarbus» bezieht
sich auf Vogts roten Bart (s. Wipf 311). Aus der Bekanntschaft mit Bullinger ergab sich ein reger Briefwechsel, von dem seit 1536 viele Briefe Vogts erhalten sind. - Lit.: HBRG I 430; Blarer BW II 699; Vadian BW V, Reg.; QGTS II 136-138. 173f; Wipf passim; Lohner 472; HBLS VII 291.
9 Jakob Würben (Wirben), gest. nach 1545 (s. Zürich StA, E II 345, 312), möglicherweise aus Biel, war seit 1512 Kaplan an der Bieler Stadtkirche und trat 1515 ins Basler Barfüßerkloster ein, wo er Pellikan begegnete und Lesemeister wurde. Nachdem er 1524 bei der Disputation über die Priesterehe in der Basler Universität die reformatorische Lehre verteidigt hatte, verließ er das Kloster und kehrte nach Biel zurück, wo er mit Thomas Wyttenbach für die Einführung der Reformation arbeitete. 1528 nahm er an der Berner Disputation teil. 1529 wurde er zum Kirchherrn, Biels oberstem Geistlichen, gewählt. Im Herbst 1528 verfaßte Würben eine Schrift gegen Ludwig Hätzer. -Lit.: HBRG I 154. 430; Vadian BW IV 130; Z IX 379, Anm. 1; Hans Rudolf Guggisberg, Jakob Würben von Biel, ein besonnener Mahner wider Ludwig Hätzer und die Täufer, in: Zwa XIII 570-590; Lohner 472.
10 Anna Bullinger, geb. Adlischwyler.