Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2189]

Bullinger an
[Theodor Bibliander]
[Zürich,
Ende Juni/Anfang Juli 1545]

Entwurf oder Abschrift Bullingers a : Zürich ZB, Ms F 46, 52-54

Bullinger wendet sich schriftlich an [Bibliander], da Schriftliches bei dem sich Widersetzenden, offensichtlich Aufgewühlten mehr vermag als Mündliches. Bibliander hatte ihm seinen Entschluss, [Zürich zu verlassen,] dargelegt, und Bullinger hat dies natürlich nicht gerne vernommen. Bibliander möge ihn, den Diener Christi und Freund, anhören und ihm nicht den Rücken zuwenden. Dies würde Bibliander später schmerzen und den Brüdern schaden. Zuerst wird ein den Papisten, Buceranern und Lutheranern willkommenes Gerücht über Zwietracht in der Zürcher Kirche entstehen. Den Gottlosen wird es Gelegenheit geben, gegen den Dienst [der Pfarrer] zu lästern und im [Zürcher] Gebiet die jetzt herrschende Ruhe durch Streitigkeiten zu stören. Auch der Rat wird davon betroffen werden. Die Eintracht der [Zürcher] konnte bisher viel Schlimmes verhindern. Seit nunmehr vierzehn Jahren wirken Bullinger und Bibliander trotz aller Schwierigkeiten einträchtig in der Kirche. Bibliander solle doch nicht bei seinem gefassten Entschluss bleiben. Die ihn nicht zu Unrecht quälende Angelegen-

12 Gast hatte sich nach dem Preis und der Anordnung der Werke Zwinglis erkundigte s. oben Nr. 2143, 7-12.
a Mit Randbemerkungen von Johann Heinrich Hottinger.
1 In unten Nr. 2193, 21-28, vom 9. Juli 1545 werden Meinungsverschiedenheiten zwischen den Zürchern und Theodor Bibliander erwähnt, die gut zum Inhalt des vorliegenden Briefs passen. Die Mahnung zu bleiben kann nur an den zum Wegzug bereiten Bibliander gerichtet sein, wie bereits Johann Jakob Simler in seiner Ab-
schrift (Zürich ZB, Ms S 57, 158) und Egli, Analecta II 75-79, bes. 77f, erkannten. Aus dem Brief geht hervor, dass der Adressat zusammen mit Bullinger seit 14 Jahren in der Zürcher Kirche wirkt, was auf das Jahr 1545 und auf Bibliander hinweist. Beide traten ihr Amt fast gleichzeitig an, Bullinger im November, Bibliander im Dezember 1531 (s. Egli, Analecta II 15).
2 Wohl vor Johannes Gasts Brief vom 9. Juli 1545 (unten Nr. 2193), wo in Z. 22-24 der Streit zwischen den Zürchern und Bibliander als bereits beigelegt bezeichnet wird.


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heit wird wohl wieder beigelegt werden. [Geht er aber,]wird es zu Unruhen kommen, und gibt man dem Gegner Gelegenheit [zu schaden], versündigt man sich. Wenn also Bibliander wegen der Beleidigungen eines aufgebrachten Menschen [Otto Werdmüller?] die Kirche verlässt, handelt er unklug. Bibliander kann bisher nicht [eines Fehlers] bezichtigt werden. Wenn er aber allein wegen einer erlittenen Beleidigung sein Amt niederlegt, Brüder und Freunde verlässt und durch seinen Weggang Vielen die Gelegenheit zu Schmähungen gibt, sündigt er. Man wird sich alle Mühe geben, um die Eintracht zwischen Bibliander und dem Bruder, der ihn verletzt hat, wiederherzustellen. Bibliander soll sich an [Eph 4, 26], [Eph 5, 1f] und [Mt 5, 23f] erinnern. Bibliander wird antworten, dass er von einem, dem das nicht zukommt, ganz unwürdig behandelt worden sei. Bullinger weiß das, und es schmerzt ihn. Doch werden er und die Mitpfarrer sich bemühen, in diesem Fall recht und billig zu verfahren. b Diese Angelegenheit ist kein hinreichender Grund, alle zu verlassen und dadurch Anlass zu einem Streit zu geben. Bullinger bittet Bibliander im Namen des Herrn, der Ruhe der [Zürcher] Kirche und der brüderlichen Liebe, Affekt und Schmerz beiseite zu lassen, zu beten, keinen Platz für den Gegner zu schaffen und zu bleiben.

[Gedruckt: Egli, Analecta 11139-141.]