Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2220]

Eberhard von Rümlang an
Bullinger
Bern,
19. August 1545

Autograph: Zürich StA, E II 360, 387 (Siegelspur) Ungedruckt

Die vom Bieler Schulmeister [Johann Leopold Frey]angefertigte deutsche Übersetzung von Bullingers lateinischer Abhandlung "De [vera hominis Christiani]iustificatione", entnommen aus dem Johannes [kommentar], wird in [Bern]gedruckt. Bullinger wird sie in Kürze erhalten. Als Zensor hat Rümlang dem Drucker [Matthias Apiarius] den Druck genehmigt, womit der derzeit abwesende Venner und Mitzensor [Hans Rudolf] von Graffenried gewiss einverstanden sein wird. Rümlang hofft, Bullinger zur nächsten Zurzacher Messe [1 September] zu treffen und mit ihm über die [Berner] Verhältnisse sprechen zu können. Dem inzwischen von den Buceranern eingenommenen [Sulpitius] Haller soll Bullinger nichts anvertrauen. Die Buceraner sind nämlich sehr schlau, verführen mit rhetorischer Kunst, behaupten, man bräuchte

zwei fürstlichen Kommissaren übertragen werden. Weder sollte Herzog Heinrich in sein Land gelassen noch seine Diener darin zu Amts- oder Befehlsleuten angestellt werden. Die Kommissare sollten Vollmacht für gütliche Verhandlungen zwischen den feindlichen Parteien haben, und diejenige Partei, welche gegen die Kapitulation verstoßen würde, sollte wegen Landfriedensbruches bestraft werden. Zu Kommissaren wurden Kurfürst Friedrich von der Pfalz und Pfalzgraf Hans von Simmern ernannt. Die beschlossene Sequestration kam jedoch nicht zur Ausführung, auch traten die Kommissare ihr Amt nicht an, sodass der bisherige Zustand der Besetzung des Landes fortdauerte und dieses in den Händen des Schmalkaldischen Bundes blieb; s. Ißleib 22f; Gabriele Schlütter-Schindler, Der Schmalkaldische Bund und das Problem der causa religionis, Frankfurt a. M./Bern/New York 1986, S. 258-261; Demandt 58f; RTA JR XVI/2 1492-1494; Nr. 271 (Vergleich über die Sequestration des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel); PC III 6121, Nr. 583 (Beilage).
12 Karl Viktor von Braunschweig.
13 Gemeint ist Kaiser Karl V.
14 Siehe dazu oben Nr. 2214, 57-65.


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auch menschliche Erläuterungen für das Verständnis der Worte des Herrn, und lehren dann wieder Wahres, um die aufgewühlten Geister zu beruhigen. Rümlang trauert um den verstorbenen Georg Binder. Gruße.

S. Libellus a te Latine editus in Ioannem De iustificatione 1 per pedotribam Bielensem 2 in Germanicum translatus hic typis excuditur. 3 Brevi tibi exemplar mittam. 4 Excrescit in quinque paginas. 5 Hic libellus dum mihi ostendebatur, ut typographo 6 traderetur, permisi; quod non ingratum erit signifero a Gravenried 7 , collegae meo, qui prelo mecum praeest, 8 licet iam non domi sit.

Ad proximas Zurzazenses a nundinas 9 deo volente te conveniam coram et statum omnem expediam nostrum, etc. 10 Precor, noli questori Hallero 11 quicquam credere, nam prorsus pendet a Buceranis. Abusi sunt eius simplicitate, quam illexere in nassam suam. Venenum occultare sunt callidissimi multoque verborum lenocinio seducunt parum cautos atque pre se ferunt, perinde atque illis inique dolus obtrudatur, cum nonnisi a simplicitate domini verborum pendeant et humana commenta explodant. Depuduere 12 , susque deque ferunt 13 mentiri et contradictoriis uti. Pauci tamen animadvertunt.

a In der Vorlage Zurzazensens.
1 Dabei handelt es sich um Bullingers "Praefatio de vera hominis Christiani iustificatione, vera item et iusta bonorum operum ratione"(HBBW XIII, Nr. 1774), die als Widmungsepistel an Hans Rudolf Lavater in Bullingers Kommentar zum Johannesevangelium von August 1543 (HBBibl 1153; BZD C 321; VD 16 B 9741) veröffentlicht worden war.
2 Johann Leopold Frey; s. Anm. 3.
3 Es handelt sich um: Von warer rechtfertigung eins Christen menschen und von rechtgeschaffnen gutten wercken. Erstlich durch m. Heynrichen Bullinger an den fürtreffenlichen Herren Johansen Rüdolphen Lavater Burgermeyster der Statt Zürich inn Latinischer sprach beschriben, nüwlich durch einen gütwilligenn zum aller trüwlichstenn vertütscht, Bern, Matthias Apiarius, 1546, 40 Bl., 8°(HBBibl 1156; Hans Bloesch, Dreißig Volkslieder aus den ersten Pressen der Apiarius ... mit einer Einleitung und Bibliographie, Bern 1937, S. 35, Nr. 65), übersetzt von Johann Leopold Frey, der Bullinger am 6. Juni 1546 (Zürich StA, E II 345, 320) ein Exemplar davon übersandte. —Dass die Übersetzung
dieser Schrift von LL VII 417 Johannes Fries statt Johann Leopold Frey zugeschrieben wurde, geht offensichtlich auf eine Verwechslung zurück.
4 Entgegen der hier geäußerten Ankündigung wurde die Schrift erst 1546 gedruckt.
5 Fünf Druckbogen (d.h. die auf die Form aufgelegten Blätter), die gefaltet insgesamt 40 Blätter im Oktavformat (s. Anm. 3) ergeben.
6 Matthias Apiarius.
7 Johann (Hans) Rudolf von Graffenried. — Signifero: dem Bannerherr (,,Venner"). Graffenried war in den Jahren 1535-1555 dreimal Venner zu Pfistern; s. HBBW XII 248, Anm. 30; HLS V 589f.
8 Rümlang war seit 1539 zusammen mit Peter Kunz, Hans Rudolf von Graffenried und Anton Noll Mitglied der neu geschaffenen Zensurbehörde; s. HBBW XIV 76, Anm. 45.
9 Am 1. September; vgl. oben Nr. 2175, Anm. 4.
10 Ob dieses Treffen von Rümlang und Bullinger stattfand, ist nicht bekannt.
11 Sulpitius Haller.
12 =Sie schämen sich nicht.
13 Adagia, 1, 3, 83 (ASD II/I 386, Nr. 283).


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Miscent coelum mari terraeque 14 confusaneaque docent, ex quibus se ipsos explicare nequeunt. Non constant sibi ipsis, et ut turbatas mentes mitigent, quandoque vere docent, mox, prodentes veritatem, salivam Buceranam expuunt, etc.

Gravissimum vulnus inflixit obitus dulcissimi mei sodalis Georgii Binden, 15 etc.

Vale. Habeto me commendatum. Salutabis meo nomine omnes doctos apud te.

Datum raptim Bernae, 19. augusti anno 45.

Tuus Eberardus a Rumlang.

[Adresse auf der Rückseite:] Vigilantissimo fidelissimoque viro d. Heinrycho Bullingero, ecclesiaste Tigurino primario, patrono suo semper excolendo. An meister Heinrich Bullinger. Zurich.