Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2308]

Oswald Myconius an
Bullinger
Basel,
22. Dezember 1545

Autographa: Zürich StA, E II 336, 221 (neu: 239)(Siegelspur) Ungedruckt

Die Belgier leiden unter Kaiser [Karl V.]. Einige Städte halten ihn sich sogar mit der Begründung fern, dass es genug sei, wenn sie nur das leisten, wozu sie rechtlich verpflichtet sind. Ginge [Karl V.], der Störenfried Deutschlands, doch endlich zu den Seinen! Aus Frankreich kommende Soldaten berichten, dass [Franz J.] von Frankreich und [Karl V.] bei dem Treffen [ihrer Gesandten]mit [denen von Heinrich VIII. von]England wieder in Feindschaft geraten seien. Vielleicht ist das Komplott gegen Turin die Ursache dafür. Hauptmann [Wilhelm] Frölich glaubt, deshalb von [Franz I.]einberufen worden zu sein. —[...], aus Straßburg kommend, erzählte, dass in Frankfurt auf dem [Schmalkaldischen]Bundestag unter anderem beschlossen worden sei, den Schmalkaldischen Bund aufrechtzuerhalten, ungeachtet der Beschlüsse des Konzils, des Kaisers und der Reichstage; ferner, dass keiner einem Verbündeten helfen müsse, es sei denn, dass dieser wegen [seiner Treue zum] Wort [Gottes]angegriffen werde. Vom Hofe des Grafen Georg von Württemberg und des jungen Herzogs [Christoph von Württemberg] wird berichtet, dass der Braunschweiger [Herzog Heinrich] entlassen, sein Besitz zurückerstattet worden und er selbst ein Protestant geworden sei; doch ist das unwahrscheinlich. Bullinger weiß, was die Sieben [katholischen] Orte im Wallis bewirkt haben. Myconius wundert sich, wie die [Zürcher]und die übrigen [evangelischen Orte]dies aufnehmen werden, besonders angesichts der Verhandlungen, die am letzten Tag zu Baden [am 19. Oktober 1545] stattgefunden haben sollen.

dem Tal verwiesen. Er predigte daraufhin in Vicosoprano (Bergell). 1547 verließ er aus unbekannten Gründen seine Stelle, soll weiter in Scharans (Domleschg) gewirkt haben und dort auch gestorben sein. —Lit.: Petrus Dominicus Rosius a Porta, Historia Reformationis Ecclesiarum Raeticarum, Chur 1771, Bd. 1/1, 158; 112 14; 27-30; Z x 229-231, Nr. 884 und Anm. 4; Vadian BW IV, S. 178f, Nr. 571; Emil Camenisch, Geschichte der Reformation und Gegenreformation in den italienischen Südtälern Graubündens und den ehemaligen Unterlanden Chiavenna, Veltlin und Bormio, Chur 1950, S. 67-71.
a Mit Unterstreichungen.


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S. Qui sunt in Belgis sub cesare 1 , moleste ferre incipiunt onera, quibus in dies magis ac magis gravantur, adeo ut quedam civitates esse dicantur, quae a se ipsum excludant satis esse dictitantes, quod, quae iure debeant, prestent. 2 Utinam abeat aliquando ad suos! Hactenus enim Germaniam perturbavit nimium.

Spargunt milites, qui veniunt a Gallo 3 , novum dissidium incidisse inter hunc et cesarem in conventu horum et Angli 4 . Causam ignoro, nisi forsitan sit proditio contra Turinum, quam vocant. 5 Letus 6 capitaneus evocatus est a rege 7 ob eam, ut ipse putat, causam.

Ex Argentina quidam 8 adtulit hen in comitiis Francfordiensibus 9 haec duo praeter cetera agenda esse illic, et forsitan nunc acta: Alterum, quod mansurum sit foedus Smalcaldicum in verbo domini, quicquid concilium, cesar et comitia definiant; alterum, quod deinceps nemo quidpiam alten debeat vi foederis, nisi quis propter verbum infestetur. 10 Cetera posthac.

Ex aula Georgii 11 , comitis Wirtembergensis, et ducis iunioris, 12 refertur Brunsvicensem 13 dimissum, possessionem omnem restitutam et ipsum e numero protestantium factum. 14 Non fit mihi verisimile.

De Septempagicis 15 nosti, quid egerint in Vallesia. Miror, qualiter tui et reliqui, quos evangelio donavit dominus, factum sint accepturi. Dum id

1 Karl V.
2 Zu den Verfolgungen in den Niederlanden s. oben Nr. 2194, 26-31; 2146, 16-19; 2144 und Anm. 3.
3 König Franz I.
4 König Heinrich VIII. —Zu den Treffen der Gesandten vgl. zuletzt oben Nr. 2301, 25-28. —Hintergrund von Myconius' Mitteilung sind die gescheiterten Bemühungen der Protestanten und des Kaisers um einen englisch-französischen Frieden im Dezember 1545 sowie die fortgesetzten Kampfhandlungen; s. dazu Potter 286f.
5 Vgl. PA I 535, Nr. 849: "[...]Zeitung über einen Anschlag gegen Turin und Genf"; Die Dreizehn von Basel an die von Straßburg, 12. Dezember 1545 (PC III 690, Nr. 644): "So haben drig italianische houptleut, so des konigs [Franz I.] diener gwesen, dem herzogen von Safoy [Karl III.] die stat Thaurni (Turin?) mit verreteri inzugeben understanden, weliche schon gefangen und allen anschlag entdect haben."
6 Wilhelm Frölich. — Dass er tatsächlich nach Turin entsandt wurde, geht hervor aus Andre Thevet, Les vrais pourtraits et
vies des homines illustres, Paris 1584, S. 416.
7 Franz I.
8 Unbekannt.
9 Der Schmalkaldische Bundestag zu Frankfurt am Main; s. oben Nr. 2285 und Anm. 37.
10 Zu den weiteren Verhandlungsthemen des Frankfurter Bundestags s. das Tagebuch von Jakob Sturm (PC III 697-712, Nr. 651).
11 Georg d.J. von Württemberg-Mömpelgard.
12 Graf Christoph von Württemberg-Mömpelgard.
13 Herzog Heinrich d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel.
14 Ein Gerücht.
15 Gemeint sind die Sieben katholischen Orte (Un, Schwyz, Unterwalden, Luzern, Zug, Freiburg und Solothurn), die eine Gesandtschaft nach Sitten (Wallis) schickten, wo am 28. November 1545 über Maßnahmen gegen die lutherischen Tendenzen im Wallis beraten wurde; s. EA IV/Id 570, Nr.1.


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equidem confero cum his, que acta dicuntur in ultimis comitiis Badensibus 16 vehementer horreo. Haec scires, si nescires, volui.

Vale in Christo. Basilea, raptim, 22. decembris anno 1545.

Tuus Os. Myco.

[Adresse auf der Rückseite:] D. Heinricho Bullingero, Tigurino episcopo, fratri in domino venerando suo.