Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

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Matthias Claudius an
Bullinger
[Lindau, evtl. Nürnberg] 2 ,
9. Januar 1546

Autograph: Zürich StA, E II 355, 118 (Siegelspur) Ungedruckt

Auch wenn Claudius weiß, dass die Zürcher täglich Nachrichten erhalten, besonders über den [Regensburger] Reichstag, wird Bullinger wohl Interesse an schriftlichen Nachrichten von Ulmer und Augsburger Ratsherren haben. In der Beilage [nicht erhalten] hat Claudius die

1 Matthias Claudius (Clodius). In der Matrikel der Universität Padua wird Claudius als "Hespergensis" bezeichnet, was allerdings keine Bestimmung seines Heimatortes zulässt, zumal dabei mehrere Orte in Frage kämen. Aus einem am 3. Dezember 1547 an Vadian verfassten Brief (Vadian BW VI 679f) geht aber hervor, dass er deutschsprachig war. Der Briefwechsel des Spaniers Francisco de Enzinas (Dryander) zeigt ferner, dass Claudius — vielleicht dank Enzinas — Kontakte nach Nürnberg hatte, über die Lebensbedingungen der von Melanchthon aufgenommenen Studenten informiert war und besonders am Schicksal des in Wittenberg studierenden Wormser Ulrich Sitzinger Anteil nahm (Enzinas BW 188. 282. 418. 436). Dass Claudius im Jahre 1546 noch ein recht junger Mann war, der hoffte, sein Studium fortsetzen zu können, lässt sich ebenfalls aus dessen mit Enzinas gewechselten Briefen schließen. Einer der Briefe (aaO, S. 454) deutet sogar auf ein Geburtsjahr um 1528 hin. Von Claudius sind fünf zwischen Januar 1546 und März 1547 geschriebene Briefe an Bullinger erhalten. Da der Schreiber sich im vorliegenden ersten Brief nicht vorstellt, wird er Bullinger wohl kurz zuvor kennengelernt haben. Aus dem an Vadian gerichteten und am 31. Juli 1546 in Lindau abgefassten Brief des aus St. Gallen stammenden und in Augsburg verheirateten Kaufmanns Hieronymus Sailer (Vadian BW VI 552) erfährt man, dass Claudius schon seit einiger Zeit als Präzeptor der Söhne Bartholomäus und Anton Sailer (Enzinas BW 268) angestellt war und dass er — aus
Nürnberg zurückkommend — diese in St. Gallen (wo sie sich bereits befanden) betreuen sollte, dort aber noch unbekannt war. Aus einem undatierten und wohl im Frühling 1547 in Augsburg verfassten Brief Claudius' (aaO, S. 124—126 — mit falschem Datum), in dem Enzinas als "maecenas" bezeichnet wird, geht ferner hervor, dass der Spanier sich an der Ausbildung von Sailers Söhnen beteiligte und den jungen Claudius mit Ratschlägen zum Lehrstoff und mit Büchern für den Unterricht versah. Spätestens ab 1540 war Sailer als Kaufmann in Antwerpen tätig. Schon dort wird er Claudius als Präzeptor seiner Söhne beschäftigt und Enzinas kennengelernt haben. Die zunehmenden Verfolgungen in den südlichen Niederlanden dürften ihn veranlasst haben, Antwerpen (wo er noch im Frühling 1545 nachzuweisen ist; s. HBBW XV 341) zu verlassen. Im Sommer 1545 ist er in Augsburg (Vadian BW 435—437), wird aber möglicherweise schon im Herbst 1545 und vielleicht nach einem Zwischenaufenthalt in Lindau seine Familie, zumindest seine beiden Söhne, nach St. Gallen gebracht haben, während Claudius (den er erst mit dem oben erwähnten Brief vom Juli 1546 nach St. Gallen schickte) sich zuvor eine Zeitlang in Nürnberg aufhielt. Aus Claudius' Briefen an Bullinger sowie aus den Briefwechseln Vadians und Enzinas' kann für Claudius folgendes Itinerarium erstellt werden: Bis zum Frühling 1545 in Antwerpen; im Sommer 1545 in Augsburg. Spätestens im Juli 1546 und vielleicht schon im Januar 1546 in Nürnberg. Von August 1546 bis Anfang März 1547 in St. Gallen;


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zuverlässigen Nachrichten aufgezeichnet. Bullinger möge ebenfalls mitteilen, was er über den Reichstag gehört hat.

Etsi multa quotidie nova vobis adferri sciam, praesertim in comitiis 3 , tamen non dubitavi mea quoque te lecturum, quae partim a senatoribus Ulmensibus, partim a Augustensibus huc perscribuntur. Quae quidem certa esse, minime est dubitandum, eaque schedulis inclusis 4 invenies. Spero me ab humanitate tua, quid in comitiis actum vel agetur (de iis rebus, quae dicenda sunt) a , certiorem fieri. Plura non habeo, quod nunc scribam. Boni consule.

Sabato post epiphaniae 46.

Mathias Claudius

tui deditus.

[Adresse auf der Rückseite:] Venerabili domino Heinricho Bullingero, Tyguri a contionibus, patrono suo unice colendo. Tyguri.

a Klammern ergänzt.
ab dem 16. März in Augsburg. Spätestens seit Mitte Oktober 1547 und bis Januar 1548 in Memmingen. Spätestens im Februar 1548 und bis April 1549 in Augsburg. Am 16. Mai 1549 Ankunft in Antwerpen mit Sailer und dessen Söhnen. Seit Ende Mai wohl in Löwen, während Sailer in Antwerpen blieb, wo er noch Anfang 1550 nachgewiesen ist. Claudius hoffte, sich mit den Jungen nach Orléans zu begeben (Enzinas BW 454f); dazu kam es aber nicht (nicht in Orléans, Nat. germ.). Fest steht, dass er im Oktober 1552 mit den Söhnen Sailers in Padua studierte und eine Reise ohne diese nach Ferrara plante, um einem Anliegen Enzinas' nachzukommen (Enzinas BW 632; Gilly, Spanien 344-347). Im Juli 1555 ist er an der Ernennung des "consiliarius" der Deutschen Nation in Padua beteiligt, und im April 1557 als Zeuge bei der Erteilung einer medizinischen Doktorwürde nachgewiesen; in beiden Fällen wird der Zürcher Georg Keller und im ersten Fall auch der Basler Theodor Zwinger erwähnt. Für die folgenden Jahre konnte bislang keine weitere Spur von Claudius gefunden werden. — Lit.: Conradin Bonorand, Hieronymus Sailer aus St. Gallen, Schwiegersohn des Augsburger Großkaufherrn Bartholomäus Welser, und seine Tätigkeit im Lichte seines Briefwechsels mit Vadian, in: Zwa 20, 1993, 115; Atti della Nazione Germanica artista nello studio di Padova, hg. v. Antonio Favaro, Bd. 1, Venedig 1991, S. 10; Acta graduum academicorum Gymnasii Patavini ab anno 1551 ad annum 1565, hg. v. Elisabeth dalla Francesca und Emilia Veronese, Rom/Padua 2001, S. 251.
2 Ulm und Augsburg scheiden als Abfassungsort aus; s. unten Z. 2f). Da Claudius erst im August 1546 in St. Gallen eintrifft, käme hier Lindau, vielleicht aber auch Nürnberg in Frage; s. oben Anm. 1.
3 Gemeint sind der Reichstag zu Regensburg, der am 6. Januar 1546 beginnen sollte und am 31. Januar von Karl V. auf den 15. März verschoben wurde (der Kaiser traf erst am 10. April in Regensburg ein und der Reichstag wurde am 5. Juni eröffnet; s. RTA-JR XVII 49. 79f), sowie das Zweite Regensburger Religionsgespräch, das vom 27. Januar bis 10. März stattfand (s. dazu Nr. 2328, Anm. 17).
4 Nicht erhalten.