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Autograph: Zürich StA, E II 343a, 377. 377a (Siegelspur); [Beilage:] E II 369, 194 Druck: Epistolae Tigurinae 21—24, Nr. 21 (Brief); 24f, Nr. 22 (Beilage); englische Übersetzung: Original Letters I 33—38, Nr. 21 (Brief); 38—40, Nr. 22 (Beilage); LP XXI/1, Nr. 131 (Brief); Nr. 132 (Beilage)
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Als Hooper vor wenigen Jahren noch als Höfling am Hofe des Königs [Heinrich VIII.]lebte,
begann er, eifrig die Werke Zwinglis und die Pauluskommentare Bullingers 2 zu studieren.
Seitdem er nämlich als Erwachsener dank der Güte seines Vaters [...] unabhängig leben
konnte, hatte er sich dem Religion[sstudium]zugewandt, auch wenn er anfangs einem falschen
Gottesdienst ergeben war. Nun aber möchte er Gott mit reinem Herzen dienen. Es beschämt
ihn, dies nicht schon früher getan zu haben. —Da er die Zürcher verehrt, wollte er diese schon
längst besuchen, wurde aber bisher durch Krankheit und finanzielle Schwierigkeiten daran
gehindert, zumal sein Vater, dessen Alleinerbe er ist, sich seiner [neuen]religiösen Haltung
sehr widersetzt. Hooper beabsichtigt, in einem Monat nach [England]zurückzukehren, um von
den weltlichen Ehren, Vergnügungen und Freunden Abschied zu nehmen. Zugleich wird er
versuchen, wenigstens einen Teil des ihm zustehenden Vermögens zu erhalten, um damit in
Zürich bescheiden leben zu können. Falls Gott es aber anders geplant hat, wird er auf die
Schätze Ägyptens (um ein Wort von Paulus zu gebrauchen [Hebr 11, 26]) verzichten und
Armut und Verbannung in der Hoffnung auf das ewige Leben auf sich nehmen. Daher bittet er
Bullinger und die Zürcher Gemeinde, für seine Reise zu beten, denn er fürchtet die hinterlistigen
Bischöfe, denen nichts mehr am Herzen liegt, als das Blut frommer Menschen zu vergießen;
eine Gefahr, der er selbst schon öfters ausgesetzt war. Durch die Macht des Gebetes
konnte nämlich [König]Hiskia den assyrischen König [Sanherib]bezwingen [2Kön 18, 7. 19,
15—19], Elija Feuer vom Himmel herabrufen [2Kön 1, 12] und [König]Josaphat [die Moabiter
und Ammoniter]besiegen [2Chron 20]. —Nachrichten aus England: Kaum ein anderes
Volk ist dem Götzendienst so ergeben [wie die Engländer]. [Heinrich VIII.] hat zwar [die
Macht des] Papstes zerschlagen, nicht aber die [Lehre] des Papsttums. Er hat die Klöster
zerstört, deren Besitz der Staatskasse einverleibt, die Mönche und Nonnen vertrieben, und
doch müssen diese, und zwar auch die Nonnen (von denen es in England mindestens 10'000
gibt), sich zum Zölibat verpflichten. Messe, Zölibat, Anrufung der Heiligen, Ohrenbeichte,
Fasten und Fegefeuer haben einen so hohen Stellenwert wie nie zuvor. — Der Vertrag [von
Whitehall], den Kaiser [Karl V.] und [Heinrich VIII.] am [11. Februar 1543] geschlossen
haben, soll verlängert werden. Es gibt keine Hoffnung auf einen Frieden zwischen Franzosen
und Engländern; man erwartet stattdessen einen grausamen Krieg. — Stündlich sterben die
Hauptstützen des Evangeliums in England. In den letzten Jahren verschieden nämlich schon
[Thomas]Audley, Lord Chancellor; [Charles Brandon], Herzog von Suffolk; [Edward]Baynton,
[Vice]-Chamberlain der Königin [Catherine Parr]; [Thomas]Poinings, Statthalter [Heinrichs
VIII. in Boulogne]; der [Dichter und Diplomat] Thomas Wyatt; und [William]Butts, der
Leibarzt [Heinrichs VIII.]. Alle waren Mitglieder des Kronrates und wahre Anhänger desBriefe_Vol_16-113 arpa
Evangeliums; sie erlagen der Pest oder dem [Englischen]Fieber, so dass das Land nun ganz
in den Händen der Bischöfe und [Gegner der Protestanten] ist. —Der Bischof von Winchester
[Stephen Gardiner]und der Bischof von Westminster [Thomas Thirlby] verhandeln für [Heinrich
VIII.] mit [Karl V.] in Brabant. Der Bischof von Durham [Cuthbert Tunstall] kehrte
kürzlich erfolglos aus der Picardie zurück, wohin er entsandt worden war, um mit den Gesandten
König [Franz' I.]3 einen Frieden zwischen Franzosen und Engländern auszuhandeln.
— Der [Ausgang] der [angespannten] Lage zwischen Schotten und Engländern ist weiterhin
ungewiss. Die Engländer haben wichtige schottische Städte und Dörfer erobert, ganz abgesehen
von der schauderhaften Zerstörung des Landes 4 durch den Earl von Hertford [Sir
Edward Seymour] im Sommer [1545]. Die Königin von Schottland [Mary Stuart] versteckt
sich mit Kardinal [David Beaton, einem Anhänger der "Auld Alliance"] in schwer einzunehmenden
Burgen [Stirling und Dunkeld]. — Wie Hooper einem Brief Bucers entnimmt, wurde
das Regensburger Religionsgespräch sistiert. Melanchthon war noch gar nicht angereist. Bucer
soll also früher [nach Straßburg]zurückkehren. Hooper wird Bullinger Weiteres berichten,
sobald er Genaueres erfährt. Kurfürst [Friedrich II.] von der Pfalz hat kürzlich die freie
Predigt des Evangeliums in seinem Herrschaftsgebiet erlaubt, wobei er allerdings in der
Frage des Abendmahls vom Pferd auf den Esel gekommen ist, wie das Sprichwort sagt, da er
von der Lehre des Papsttums zu derjenigen Luthers überging, welche in dieser Hinsicht
schlimmer als die der Papisten ist; denn diejenigen, die die Substanz des Brotes im Sakrament
durch den Leib Christi ersetzen, sind der Wahrheit näher als diejenigen, die behaupten, dass
der natürliche Leib Christi mit, in und unter dem Brot und doch an keinem Orte sei. Hooper
hofft, dass Gott [dem Pfalzgrafen] ein besseres Verständnis verleihen wird. —Richard [Hilles]
und seine Frau [Anna, geb. Lacey]lassen grüßen. In Hilles' Haus halten sich eine Adelige [...]
und ihre jüngere Schwester Anne [t'Serclaes] 5 auf Letztere ist sehr fromm, betet stets fürBriefe_Vol_16-114 arpa
Bullinger und empfiehlt sich den Gebeten der Zürcher Gemeinde. Hoffentlich wird Bullinger
sie auch bald kennen lernen. —Grüße u.a. an [Theodor] Bibliander und [Konrad] Pellikan.
Bullinger darf Hooper zu den Freunden Zürichs rechnen. — [Beilage:] Hooper bittet um
Bullingers Stellungnahme. Er denkt, dass es einem Gläubigen nicht erlaubt sei, an der Messe
und anderen frevelhaften Gottesdiensten der Papisten teilzunehmen. Einige Einwände aber
machen ihn manchmal unsicher. — Calvin hat einiges zu dem Thema geschrieben, begegnet
aber damit nicht allen Argumenten der Widersacher, so dass Hooper nun in einigen Fragen
Bullingers Meinung erbittet. —Zu Naaman, dem [Feldhauptmann des Königs der]Syrer [2Kön
5, 1—19]: Hooper weiß zwar, dass man aus einem Fall keine allgemeine Regel machen sollte,
doch kann hier nicht unbeachtet bleiben, dass der Prophet [Elischa] zu [Naaman]sagt: "Gehe
in Frieden!"Diejenigen, die des Hebräischen unkundig sind, legen diese Worte wie folgt aus:
"Wenn du zurückkehren willst, dann geschieht dies auf eigene Gefahr; ich aber befürworte
dies nicht." Doch drückt das hebräische "Gehe in Frieden" einen Befehl und auch eine
Zustimmung aus. Dadurch wird [Naaman] erlaubt, den wahren Gott im Hause [der assyrischen
Gottheit] Rimmon zu verehren, in der Hoffnung, den syrischen König und andere zu
bekehren. Stimmt Hoopers Auslegung, dann muss dies [heute]auch erlaubt sein, zumal es der
Prophet [Elischa]einem frommen Mann bewilligt hat. —Als Elija sich bei Gott beklagte, dass
er der einzige übriggebliebene Gläubige war, erfuhr er von Gott, dass deren noch 7000 wären
[1Kön 19, 14—18]. Wenn all diese Menschen nicht an den Götzendiensten teilgenommen hatten,
wäre doch zu erwarten, dass [Elija]wenigstens einige von ihnen kannte. Außerdem kann
Hooper sich nicht vorstellen, wie jemand abstreiten könnte, dass diese in ihrem Herzen Gott
die Treue hielten, auch wenn sie öffentlich mit den Unfrommen in den Götzentempeln waren.
Kein Einwand bewegt ihn mehr als dieser. — Genauso wie Gott den Götzendienst verbietet,
untersagt er auch Ehebruch, Unzucht und andere Untaten, und dabei verdammt er den [Götzendienst]
nicht mehr als die anderen [Vergehen]. Doch muss niemand wegen der einen oder
der anderen [Untat]seine Heimat verlassen ...
—Hooper schreibt dies nicht nur, um Bullingers
Meinung einzuholen, sondern um auch danach zu leben. Er selbst hat in der Angelegenheit
keinen Zweifel; er möchte aber frommen Menschen, die noch nicht ausreichend im Glauben
unterrichtet sind, Genüge tun. —Grüße an Bullingers Gattin [Anna, geb. Adlischwyler] sowie
an den in Zürich wohnenden Engländer [John] Burcher.