Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

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Die Gemeinden Otelfingen und
Boppelsen an
Ratsherren, Präsidenten und Pfarrer an der Synode in Zürich
[Otelfingen und
Boppelsen],
3. Mai 1533

Original: Zürich StA, E I 30. 90, Nr. 12. Siegelspur. -Ungedruckt

Man möchte nicht mehr den Gottesdienst in der Pfarrkirche [in Würenlos]besuchen, da dort die Messe wieder überhand genommen hat. Mit Niklaus Brunner und dem Dekan, [Michael Häcker], hat man die Besoldung eines eigenen Pfarrers besprochen. Da die eigenen Mittel nicht ausreichen, bitten die Gemeinden wie früher um Zürichs Unterstützung. Versicherung der untertänigen Treue.

Hoch und wolgelertt, frum, fursichtig, ersam und wiß, besunderß gnedig, günstig und lieben herren, unser gantz underthenig, willig dienst sig üch ze vor an bereitt.

Alß wir den verschiner jaren uß unser rechten pfarkilch 4 gezogen, ursachen halb der cerimonischen werchen und abschühenß der verfürischen meß, einen eignen predicanten uß hilff und zuschub unser gnedigen herren ze erhalten fürgenumen und erlangt 5 , welchi meß zum theil uß gnaden gotteß daselb ouch hingethon 6 , deßhalb wir wider in die rechten pfar geordnett und zesamen wider gon geheissen sind, sidhar aber unserß trübsalß 7 in der selben unser pfarkilch die abgöttisch meß wider überhand genuinen 8 und unß nit zuston noch gebüren wil, witer in die selb pfarkilch

zum Johannesevangelium, die sich Haller wiederholt erbat, s. oben S. 85, Anm. 25.
15 Franz Kolb.
16 Wortspiel auf Haller.
1 Otelfingen und Boppelsen (beide Kt. Zürich) gehörten zur Landvogtei und zum Pfarrkapitel Regensberg. Otelfingen war Filiale von Würenlos (Kt. Aargau), erhielt aber 1525 einen eigenen Pfarrer. Boppelsen ist noch heute Teil der Kirchgemeinde Otelfingen, s. HBLS II 310. V 363; Pfarrerbuch 66.
2 Bullinger und Bürgermeister Heinrich Walder (s. AZürcherRef 1941, S. 851).
3 Die Frühjahrssynode trat am 6. Mai zusammen (s. AZürcherRef 1941).
4 Gemeint ist Würenlos.
5 Wer der erste der reformierten Pfarrer in Otelfingen war, die zunächst jeweils nur kurze Zeit dort blieben, ließ sich nicht nachweisen. Anfang 1527 war es Benedikt Dischmacher von Zofingen (s. Z IX 35f), der offenbar bald abgelöst wurde. An der ersten
Synode vom 21. April 1528 wird Johannes Schlegel als Otelfinger Pfarrer angeführt (AZürcherRef 1391, S. 601). Unzutreffend ist die Angabe in Pfarrerbuch 66, wo Marx Brunner als erster Pfarrer genannt ist. Brunner war Pfarrer in Würenlos und bekannte sich erst 1529 zum reformierten Glauben, s. Z X 61, Anm. 1 und unten Anm. 6 und 8, sowie S. 161f, Anm. 11.
6 beseitigt, abgeschafft (SI XIII 424). -In Würenlos wurden die Altäre am 23. August 1529 entfernt und die Messe abgeschafft, s. HBRG II 221.
7 zu unserem Kummer (SI XIV 238).
8 Auf Befehl des Badener Landvogts Schönbrunner war bereits im Herbst 1532 in der Pfarrkirche Würenlos wieder ein Altar errichtet worden (Schönbrunner an Bürgermeister und Rat von Zürich, 25. September 1532, Zürich StA, E I 30.90, Nr. 7). Die Stillstellung des Prädikanten Marx Brunner erfolgte im November dieses Jahres. Für Brunner wurde die Lage bald so bedrohlich, daß er sich im Februar 1533 offenbar zum Weggang


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ze gon, habend wir unß gemeinlich zesamen verfügtt und uß hilff und biwesen 9 der ersamen, wisen meister Niclausen Brunnerß 10 , domalß unserß vogtz, und deß capitelß dechen 11 ze beratschlagen anfangen, durch waß form und gestaltt wir wider zu einem predicanten und deß selben erhaltung kumen möchtind 12 , damit unseri kind und schwachglöubigen nit wider in die alti, mißgloübig abgöteri fielind von teglichem anschawen der götzen und in zuhörung der abgötischen meß. Und so vil erfunden, daß wir uff sechß oder siben müt kernen, deßglich ein wiß 13 , so jerlich bin drisig pfunden ertragen 14 mag, einem predicanten geordnett. Mügend unnd wissend ouch nit mer ze geben. Harumb ist an üch unser flissig hit und begeren, unser gnedig herren bitlicher wiß anzekeren, daß si unß abermalß wie vor ein zuschub 15 thun und etwaß mit unß theilen wellind, damit unseri armen seien deß heligen wort gotteß nit beroubtt werdind und wir unseri kind in anzeigung deß willen gotteß ufferziechen mügind; wellind wir unß allwegen alß die gloubigen und underthenigen an unseren cristenlichen herren trülich halten, wellind ouch unseri botten 16 mit irem bistand a ireß bevelchß 17 witer verhören 18 .

Und zu urkhund mit deß || ersamen, wisen meister Rudolffen Hoffmanß 19 , unserß

a mit irem bistand am Rande nachgetragen.
gezwungen sah und durch Jakob Stöckli ersetzt wurde, s. AZürcherRef 1929; ASchweizerRef V 209.210; Josef Ivo Höchle, Geschichte der Reformation und Gegenreformation in der Stadt und Grafschaft Baden bis 1535, Zürich 1907, S. 188f.
9 in Anwesenheit, Gegenwart (Grimm I 1407). 10 Niklaus Brunner, zwischen 1480 und 1490-1542, von Zürich, Kleinhändler, seit 1522 Zunftmeister der Kämbel und als solcher Mitglied des Kleinen Rates, war Gegner des Pensionenwesens und trat vor allem seit 1529 für die Verbreitung der Reformation ein. Von 1531 bis 1533 amtierte er als Vogt zu Regensberg. Seine Wahl zum Ratsherrn im Kleinen Rat am 13. Dezember 1533 wurde von Bullinger, der Brunner als überzeugten Evangelischen einschätzte, besonders vermerkt (s. unten S. 250, 3-5). - Lit.: ASchweizerRef, Reg.; EA IV/1b, Reg.; HBRG II 61. 144. 279. III 158. 193; E[mil]Egli, Eine Fürsprache Zwinglis in Bern, in: Zwa II 1-5; Z VIII 134, Anm. 4; Jacob 139-141; LL IV 372.
11 Dekan des Kapitels Regensberg war Michael Häcker (auch Aebli, Aeblin oder Horn genannt), gest. 1536 oder Anfang 1537. Er stammte aus Buchhorn (heute Friedrichshafen) am Bodensee, war Ordensbruder im Ritterhaus Bubikon (Kt. Zürich) und ist seit 1520 als Leutpriester in Buchs (Kt. Zürich) nachweisbar. Als Teilnehmer an der Berner Disputation 1528, wo er möglicherweise Bullinger kennenlernte, erscheint er unter den Namen Häcker (EA IV/1a 1263) bzw. Eblin (HBRG I 429). In der Frühjahrssynode 1531
wird sein Name mit Horn angegeben (AZürcherRef 1757, S. 752; da allerdings falsch gelesen und ergänzt). Die Identität von Horn und Häcker ist sichergestellt durch einen Brief an Bullinger vom 24. April [1534](Zürich StA, E II 441, 468) mit der Unterschrift «Michel Häcker, pfarrer zu Buchs». Demnach sind die Angaben in Pfarrerbuch 14. 175. 351 entsprechend zu korrigieren. - Lit.: AZürcherRef 1391, S. 601. 1757, S. 752. 1988, S. 878; ABernerRef 1406 (Name falsch gelesen); QGTS I 370; HBLS I 118 (falsche Angaben zum Tod).
12 Ob im damaligen Augenblick die Otelfinger Pfarrstelle gänzlich verwaist war, ist nicht ganz klar. Jedenfalls hatte der Zürcher Rat am 12. April 1533 der Gemeinde mitgeteilt, er habe beschlossen, Jakob Stöckli auf die Ostertage hin und bis auf weiteres als Pfarrer nach Otelfingen zu versetzen (s. ASchweizerRef V 213). Stöckli war Marx Brunners Nachfolger in Würenlos gewesen (s. AZürcherRef 1929), war aber offenbar von Vogt Schönbrunner derart heftig bedroht worden, daß seine Versetzung aus Sicherheitsgründen geraten schien.
13 Wiese.
14 einbringen, abwerfen (SI XIV 507f).
15 Förderung, Beihilfe; hier: finanzieller Zuschuß (SI VIII 85f). -Otelfingen hatte bei der Loslösung von Würenlos früher schon die Unterstützung Zürichs erbeten und erhalten, so im Juli 1528 (s. AZürcherRef 1435).
16 Unbekannt.
17 Auftrag (SI I 798).
18 anhören (SI II 1574).
19 Rudolf Hofmann, gest. 1541, von Zürich,


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vogtz und gnedigen herren eignem insigel verwaret 20 , uff samstag deß heligen crütz tag anno 1533.

Allzit underthenige und guttwillige bed gemeinden

Ottelfingen und Boppelsen.

[Adresse auf separatem Blatt:] Den hoch und wolgelerten, fürsichtigen, ersamen und wisen herren, presedenten, verkhünderen deß wortt gotteß der statt und land Zürich, yetz daselb in sinodo byeinander versamlet, unseren günstigen und gnedigen herren b .