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Autograph: Zürich StA, E II 441, 706-709 [Anfang] und E II 355, 124 [Schluss](Siegelspur) Druck: Pollet, Relations II 171-179, Nr. 48 a
[1] Sicherlich wird Bullinger jenen Brief [HBBW XVIII, Nr. 2665, vom 8. November 1546]
erhalten haben, den Medmann während seines kurzen Aufenthalts im [schmalkaldischen]
Feldlager in Giengen [a.d. Brenz]geschrieben hatte. Zudem wird gewiss der Berner [Gesandte
Hartmann von]Hallwyl Medmanns Grüße ausgerichtet haben. 3 Doch erst jetzt ist es Medmann
möglich, Bullingers ausführlichen Brief vom 31. Mai 1546 [nicht erhalten](den der aus
Bonn stammende Bote [...]4 überbrachte) zu beantworten. Er wurde davon durch Reisen und
auch aus Mangel an zuverlässigen Boten abgehalten. — [2] Er ist auch weiterhin ziemlich
beschäftigt und schreibt daher in großer Eile. [Zunächst möchte er betonen], wie glücklich er
ist, dass Bullinger ihn zu seinen Freunden zählt! Er wird sich dessen würdig erweisen und
hofft auf eine Fortsetzung ihres Briefwechsels. Bullinger kann seine an ihn gerichteten Briefe
an Johannes Sturm in Straßburg zur Weiterbeförderung schicken. Er soll sich aber bewusst
sein, dass Medmann keinesfalls ein so herausragender Mensch ist, wie es der Freund Dr.
[Gerhard]Westerburg während seines Besuches in Zürich [im Juli 1545]behauptete! Allerdings
wird er sich wie schon früher Bullinger und den [Zürchern] als treu und behilflich
erweisen. — [3] Derzeit kommt er kaum dazu, weiter zu studieren. Nur dem gottgefälligen,
bärtigen, betagten [Kölner Erzbischof und Kurfürst Hermann von Wied] und dessen [Reformations]vorhaben
zuliebe harrt er weiterhin am [bischöflichen]Hof aus. Dort halten sich nur
noch wenige Anhänger der wahren Religion auf und diesen droht nun Kaiser Karl V. mit dem
Tod. Ungeachtet der Goldenen Bulle [von 1356]und des dem Erzbischof gegebenen Eids 5 geht
der Kaiser mit allen Mitteln gegen Letzteren vor, wobei dieser doch nur vorhat, die Kirchen
nach Gottes Wort zu reformieren. Seine Gegner bemühen sich, ihn mit Hilfe des Kaisers
abzusetzen. Am 24. Januar wollen sie in Köln über die Wahl eines neuen Bischofs beraten!Briefe_Vol_19-154 arpa
Daraus wird wohl nichts werden, obwohl der Kaiser in dieser Sache den Herzog von Kleve
[Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg], den Herrn von Corney und von Gelderland [Philip de
Lalaing] sowie Viglius von Zwichem als Anwälte ernannt hat. Bullinger wird vielleicht schon
über Zwichem durch Erasmus' Schriften 6 oder durch Zwichems Kommentar zu den "Institutionen"
des Zivilrechts 7 gehört haben. Viele, die mit ihm gesprochen haben, sagen, dass er
nicht sehr bibelfest sei. Ach, könnte sich doch Medmann persönlich darüber mit Bullinger
unterhalten oder ihm alle entsprechenden Schriften zukommen lassen, damit die Eidgenossen
die Absichten des Kaisers klar durchschauen! Medmann denkt oft über die Gründe nach, die
die so angesehenen Helvetier davon abhalten, sich stärker für die Verteidigung der Religion
und der Freiheit des [deutschen] Vaterlandes einzusetzen. Warum merken sie denn nicht, dass
Karl eine Monarchie und die Unterdrückung der Religion anstrebt? In "Belgien"8 hat er eine
neue Verfolgung angeordnet, lässt aber weiterhin schriftlich und durch Abgeordnete verkünden,
dass er nicht vorhabe, die Religion anzugreifen! Was für eine Heuchelei! Und welche
Blindheit aufseiten der Protestanten, die noch immer nicht jenen Spruch Davids begriffen
haben: "Sie lieben die Lüge. Sie segnen mit ihrem Mund, in ihrem Herzen aber fluchen sie"9 !
— [4] Medmann will sich bemühen, seinen vorliegenden Brief nicht zu kurz zu halten. Gott
möge die von Bullinger selbst erwähnten und zugunsten der Kirche unternommenen Arbeiten
segnen! Viele Geistliche im Bistum Köln benutzen heutzutage seine [Bibel]kommentare.
— [5] Der schmähsüchtige Johannes Campanus wurde vom Herzog von Kleve gefangen genommen
und in die Burg Wassenberg 10 im Jülicher Land gesteckt. 11 [Sein Verständnis des]
Heiligen Geistes 12 entspricht genau den Äußerungen, die Bullinger darüber [in seinem Brief]
gemacht hat! Medmann besitzt Campanus' geschwätzige Schrift über das Fegefeuer. 13 Sie
gefällt den Kölner Theologen ganz gut, obwohl diese einst den Autor für einen Ketzer hielten.
Doch polemisiert dieser in seiner Schrift gegen Luther, Bucer; Melanchthon und Zwingli. Er
verhält sich dabei so, als besäße er allein das richtige Verständnis der Schrift seit der Zeit der
Apostel! Im zweiten Buch [seiner Schrift] erkennt er den römischen Bischof als Kirchenoberhaupt
an. Diejenigen, die diesen dem Antichrist gleichstellen, bezeichnet er als Schismatiker.
Er billigt sogar die Messe! Ja, er will das ganze Papsttum erneut aufrichten. Er scheint den
Protestanten allein das Abendmahl unter beiderlei Gestalt zuzugestehen. Im dritten Buch, das
er Hermann von Wied, dem Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen und dem Landgrafen
Philipp von Hessen gewidmet hat, vertritt er viele Ansichten, die weder von der Kirche noch
von anderen Leitungsgremien geduldet werden können. Sollte Bullinger Campanus' Schriften
jemals zu Gesicht bekommen, wird er sich gewiss über diesen schwindelhaften Geist verwundern!
—[6]Medmann hätte diese Schriften gerne mit dem gegenwärtigen Boten [...]geschickt,
doch lauern derzeit überall Gefahren wegen des Krieges. Sollte aber die Frankfurter [Frühjahrs]buchmesse
stattfinden, 14 wird Medmann Bullinger diese Schriften zusammen mit einigen
anderen über das Reformationsvorhaben im Bistum Köln (die die Verschlagenheit des Kaisers
zutage bringen) zukommen lassen. Von seinen Kölnern kann Medmann nichts Gutes erhoffen;
sie werden täglich durch Briefe des Kaisers und des römischen "Aposcopus" [Papst Pauls
III.] bestärkt. Wenn doch nur die tapferen Helvetier diese Briefe an einer ihrer Tagsatzungen
zu lesen bekämen! Sie würden sogleich die Tücken des Kaisers erkennen. —[7] In Köln wussteBriefe_Vol_19-155 arpa
Medmann noch nichts von Bullinger, zumal er dorthin erst 1522 von Emmerich zurückkehrte. 15
In Emmerich ließ er sich unter dem Rektor Caspar [von Glogau] aus Schlesien 16 immatrikulieren.
Sein Hauslehrer war Heinrich [Uranius] aus Rees 17 der immer noch dort unterrichtet.
Als öffentlichen Lehrer hatte er Johannes von Elen [d.J.]18 (der jetzt in Münster in Westfalen
wohnt) wie auch Peter Homphäus aus Cochem 19 einen heftigen Gegner des Evangeliums.
— [8] In Köln studierte er in der Laurentianerburse 20 unter Johannes von Kampen 21 und
Nikolaus [Blockhoven]22 aus Utrecht. Später wurde er von Johannes Caesarius in die Schriften
des Plinius 23 und Persius 24 eingeführt und besuchte eine Vorlesung des Caesarius über dessen
"Dialektik"25 (der schwer erkrankte Caesarius befindet sich derzeit im 14 Meilen entfernten
Moers; 26 sein Zustand soll hoffnungslos sein). 1523 besuchte Medmann zudem den Unterricht
von [Johann Matthias] Phrissemius über Rudolf [Agricola]27 (allerdings entwickelte sich
Phrissemius zu einem Verächter jeglicher Religion, wandte sich den Zivilprozessen zu und
scheute sich nicht, seine Sprachkenntnisse zugunsten schändlichster Rechtshändel einzusetzen;
man fand ihn tot in seinem Schlafzimmer). In demselben Jahr begann Jakob Sob, die Heilige
Schrift richtig auszulegen. — [9] Medmann hat mit Arnold von Wesel nur ein paarmal gesprochen,
dessen Unterricht aber nie besucht. Dieser blieb dem päpstlichen Glauben treu. Er
wurde tot 28 vor seinem Bett aufgefunden. Zu Lebzeiten rühmte er sich, Kommentare gegen die
Lutheraner verfasst zu haben. Als Medmann von dessen unerwartetem Tod hörte, verschaffte er
sich Zutritt zu dessen Arbeitszimmer, fand aber lediglich ein paar Briefe von Johannes Cochläus
und einige Blätter mit Übersetzungen aus dem Griechischen von Texten des Johannes
Chrysostomus (Wesels Schrift über die Zehn Gebote 29 wird Bullinger bestimmt schon gesehen
haben). Seltsam ist auch die Tatsache, dass, mit Ausnahme von Horaz, die in Wesels Bibliothek
gefundenen Ausgaben griechischer und lateinischer Autoren keinerlei Randnotizen aufwiesen.Briefe_Vol_19-156 arpa
Auch die übrigen Bücher, sei es zu religiösen oder zu profanen Themen, waren wie neu.
— [10] Matthias [Kremer] von Aachen lebt noch. Er schrieb sogar einmal