Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2826]

Richard Hilles
an Bullinger
Straßburg,
25. Februar 1547

Autograph: Zürich StA, E II 343a, 356 (Siegelspur) Englische Ubersetzung: Original Letters I 257-259, Nr. 118

[1] Es gibt keine Neuigkeiten außer dem Tod des englischen Königs Heinrich VIII. am 28. Januar, der Proklamation von dessen Sohn Eduard VI. zum König am darauffolgenden Montag [31. Januar] und die für den vergangenen Sonntag [20. Februar] geplante Krönung. [2]Ein oder zwei Wochen vor Heinrichs Tod ordnete dieser (angeblich in seinem Testament) die Gefangennahme des Herzogs von Norfolk [Thomas Howard]und von dessen Sohn [Henry Howard], Earl of Surrey, an. Es soll gewiss sein, dass beide geköpft wurden. [3]Gemäß Heinrichs Testament und dem entsprechenden Beschluss des Parlaments soll das Land bis zur Volljährigkeit Eduards durch 16 Herren (davon acht Bischöfe) regiert werden. Die wichtigste Persönlichkeit darunter ist [Edward Seymour], Earl of Hertford, der Bruder von Eduards Mutter [Jane Seymour]. Er wurde zum Lord Protector ernannt und ist ein erklärter Feind der Priester und des Papstes [Paul III.] in Rom. [4]Aus Erfurt wurde an Hilles geschrieben, dass Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen, nachdem er Leipzig mit 30'000 Soldaten vergebens belagert hatte, von dort abgezogen sei und sein Lager in fünf Meilen Entfernung aufgeschlagen habe, keine vier Meilen entfernt vom Lager Herzog Moritz' von Sachsen, auf dessen Seite König Ferdinand I. und Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kuhnbach stehen. Der Kurfürst wird von König Christian von Dänemark und den sächsischen Städten Bremen, Hamburg, Braunschweig und anderen unterstützt, sodass beide Parteien gleich stark zu sein scheinen und ein Gemetzel zu befürchten wäre, falls es nicht zu einer Einigung kommt. [5]Aus Erfurt wurde zudem berichtet, dass Gesandte Heinrichs VIII. und Franz' I. von Frankreich seit Weihnachten bei Hamburg mit Räten des Kurfürsten und der sächsischen Städte verhandeln, ja dass sogar der dänische König daran teilgenommen habe. Die Ergebnisse der Verhandlungen sind noch nicht bekannt. [6] Segenswünsche. [7] [P.S.:] Hilles hätte schon früher über die verbürgten Nachrichten aus England ge

40 Gedacht ist vermutlich an Augustin, Epist. 105, 3, 12 (MPL XXXIII 401).
41 Der 26jährige Johannes Wolf war damals
Pfarrer der Predigerkirche und stand als solcher in einem Filialverhältnis zum Großmünster, d.h. zu Bullinger.


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schrieben, wenn seine Geschäfte es ihm erlaubt hätten. Auch wenn unterdessen Bullinger darüber bereits informiert sein wird, legt Hilles seinem Schreiben die Abschrift eines [aus England] an einen Landsmann [John Hooper]gerichteten Briefs bei, den Hilles nach Basel weitergeschickt hat, da jener Landsmann nicht mehr in Straßburg wohnt. [8]Grüße an die Glaubensbrüder, an Bullingers Frau Anna, geb. Adlischwyler, und an John Burchers Frau [Adelheit, geb. Knüpli]. Bullinger möge Letzterer ausrichten, dass Burcher vor Kurzem aus Köln geschrieben hat, er sei dort mit seiner Ware gut angekommen und werde innerhalb von zehn Tagen nach dem holländischen Dordrecht weiterreisen. [9] Gruß.

Niewer zytund 1 weis ich euch niths zu scriben, den 2 das es wäyr 3 sye, das unser kunning in Jnglandt 4 gestorben ist uff den 28. tag januarii, und uff muentag nachvolgende 5 ist sein eyntlich 6 son 7 zum kunning uffgenomen und gebubliciert in landt, als billich 8 gewesen ist, und wirt 9 uff suntag vergangen 10 offentlich gecronet, als mir auß Engellandt gescriben ist fur wäyr, das es also sein solt. Deser genanter yung kunnyng heisset yetz Edward der sechst von dem nam.

Ungefärlich ein woch oder zweyn, vor das der genanter kunning Heinryc gestorben ist, habt er 11 (durch sein testament, will etlich sagen 12 ) ein hertzog, der zü Nortfolck mt'3 13 landt hertzog ist geheissen 14 , und syenen eynsygen son mit im, der der grave von Zurrey 15 genamt ist gewesen in Jnglandt. a Der hertzog und sein son syend beyde gekopff fur wäyr. a16

Die regement von Jnglandt ist durchs kunnings testament und dornach auch durch parliament oder rychstag da bestetiget (jetzunder 17 bis das der jung kunning 18 elter wurd)" mt gewalt'9 19 von sechsehen herren im landt. Deren solten, wie man sagt, acht bisschoff sien. Der furnemest herr aber under sich allen, der ist kein bisschoff, sunder des jung kunnings ome 20 oder mutters 21 broder. Derselbig ist auch verordnet zum obersten protector 22 oder gubernator des kunnings, sein fetter 23 , und des gantzen landts; und derselbig,

a-a Am Rande nachgetragen.
b Klammern ergänzt.
1 Gemeint ist "zytung" (Nachrichten).
2 als.
3 wahr
4 Heinrich VIII., König Voll England.
5 Montag. 31 Januar.
6 einziger.
7 Eduard VI.
8 (voll Gesetzes wegen) üblich.
9 luci' im Sinne von "wurde" (aus der Perspektive des Briefes aus England handelte es sich noch um ein zukünftiges Ereignis).
10 2(). Februar. — Das Datum ist korrekt.
11 habt er: als "nahm er fest" zu verstehen.
12 will etlich sagen: als "wollen etliche sagen" zu verstehen,
13 int: in das (unten als: in die, usw., zu verstehen).
14 Thomas Howard, Duke of Norfolk.
15 Henry Howard, Earl of Surrey.
16 Zum Schicksal der beiden Howards s. Nr. 2772, Anm. 5.
17 solange.
18 Er war damals neun Jahre alt.
19 Vollmacht.
20 Oheim (Onkel). — Gemeint ist Edward Seymour, Duke of Somerset, der zuvor auch Earl of Hertford war.
21 Jane Seymour. gest. 24. Oktober 1537.
22 obersten protector: Lord Protector.
23 hier: Neffe.


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tutor des yung kunnings, heysset der grave zü Herfordt und ist die prestern 24 nit fast 25 gunstig, sunder dem papst zü Rome 26 eyn grösser fynd. 27

Nun wen ich wist, das irs nit vorhyn wisset, ich wolt euch yetz auch scriben, was mir am 15. tags diser monets von Jrfurd 28 geschriben ist, nemlich das der churfürst zü Sachsen 29 , nachdem das er vor Lypsyg mit dreysig tausent mannen zu ros und zu fuß drey wochen gelegen habt und den stadt nicht hatten kunnen nimmen (wiewol er badt sye ubel geschossen 30 und vil hawsern da beleydgeth 31 31 ist von danen noch gezogen mit allen seinem folcke und licht 33 yetz funff mil wechs 34 von Lipsig, und hertzog Mauritz liget mit seynem folck niemen 35 vier mil wechs von in, und mit im 36 halte der kunning Ferdinandus und der marcgrave von Colmbach 37 . Aber mit dem hertzog zü Saxen halt der kunning von Denmark 38 und die saxisch stedten als 39 Brem, Hamburg, Brunswich und etlich andern, 40 also das man meynet, das dye ein partye fast als stark sie 41 als die andern, und wenn sye nicht bald fride machen (als etliche houffen, das sie willen doch), so wirdts ein slaicht 42 geben.

Es ist mir noch wieter von Erfurdt gescriben, 356v wie das der kunning von Englandt und der kunning auß Francreichs 43 bottschafft syen nun sider winacht 44 by Hamburg zusamen gewesen mit . der chürfürst zü Saxen und die obgemelten saxisch stedten rhat, und das by inen ist auch persönlich gewessen der kunnyng von Denmark selbs. Was sye aber under sich gethan oder beslossen haben, gebt der zeit zü erkennen.

Hiemit sie god dem almachtigen bevolen. Derselb verlehe uns einmal 45 ein gutten und langwergen 46 friden allenthalb 47 . Amen.

Ewer w[illiger] d[iener] Richart Hillis auß Jnglandt.

c Über der Zeile nachgetragen.
24 die prestern: den Priestern.
23 sehr.
26 Paul III.
27 Zu diesen Vorgängen s. John Strype, Ecclesiastical Memorials; Relating chiefly to Religion, and its Reformation, under the reigns of King Henry VIII, King Edward VI, and Queen Mary the First, Bd. 2, Oxford 1816, S. 15-36; Albert Frederic Pollard, England under Protector Somerset. An Essay, London 1900, S. 17— 30.
28 Erfurt.
29 Johann Friedrich I. von Sachsen.
30 beschossen.
31 beschädigt (in Anlehnung an das englische "injured").
32 Siehe dazu Nr. 2757, Anm. 76.
33 liegt.
34 Wegs.
35 keine.
36 Herzog Moritz.
37 Albrecht II. Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach.
38 Christian III.
39 wie auch.
40 Siehe dazu Nr. 2821,161f und Anm. 103.
41 sei.
42 Gemetzel (im Englischen "slaughter").
43 Franz Ï.
44 sider winacht: seit Weihnachten (1546).
45 endlich.
46 Zu verstehen: langwährenden.
47 überall.


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Salutem in domino Iesu, servatore et spe nostra d ! De novis, que brevi ex Anglia pro certissimis hic accepi, mi domine colendissime, ad te nunc propriis meis literis 48 scripsissem, nisi ita aiis negotiis, ut sepe fit, ita occupatus fuissem. Interim tamen, ne omnino nihil per me rescires, de e quibus tamen puto ab aiis ante aliquot dies tu antea certior fueris factus, mitto tue pietati copiam istam literarum quarundem 49 , quas nuper Basilee conterraneo meo cuidam 50 iam illic moranti ab Argentina misi.

Habeas me quam affectuosissime commendatum f omnibus tuis fratribus, collegis in domino atque uxori tue piissime 51 coniugique 52 bannis Burcheri, dicasque illi me literas nuper a Colonia recepisse, 53 per quas certior factus sum eum salvo illic appulisse cum omnibus suis mercibus et g ante decem dies illin[c]h versus Dort 54 in Hollandia cum eisdem mercibu[sl feliciter solvisse.

Vale in domino. Datum 25. di[e] februarii 1547.

Per tuum Ri. H.

[Adresse darunter:] Dem furnemen und hochgelerten herren Henrich Bullinger, meinen gunstigen fründt, dem furnemsten predicant zü Zurich.