Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2852]

Kommissare des Gotteshausbundes und Schulherren von Chur
an [Rat, Schulherren und Examinatoren von Zürich]
Chur,
20. März 1547

Original a : Zürich StA, E II 337a, 387f (ohne Siegel) b Druck: Oskar Vasella, Ein Beitrag zur Geschichte der Nikolaischule im 16. Jahrhundert, in: Bündnerisches Monatsblatt 9, 1928, 268_270 c

[1]Gruß. Da die Zürcher den Churern stets ihre Freundschaft bewiesen haben, erlauben sich die Kommissare und Schulherren von Chur, sich erneut 3 an sie zu wenden, mit der Bitte, die a Möglicherweise von der Hand des ehemaligen Churer Stadtschreibers Johannes Brüning, jedenfalls von derselben Hand, die auch den Brief der Schul- und Klosteraufseher von Chur vom 24. April 1546 (HBBW XVI 372-3 74, Nr. 2430) ins Reine schrieb. — h Mit Schnittspuren. — c Die meisten Abweichungen dem Original gegenüber sind orthographischer Natur. Nur an den vier folgenden Stellen ist der Text zu korrigieren: Auf S. 268, 2. Zeile von unten, ist so (nicht ob) gott wil zu lesen; auf S. 269, 4. Zeile von unten, ist verordnet mit gschiff und gschier, gliger und sölichen zu lesen; auf 5. 270, 1. Abschnitt, 5. Zeilen von unten, ist Haruff gnedig, gunstig, lieb herren zu lesen; und in der Unterschrift muss es heißen E[wer] erw[urd] und wißhait altzit willig verordnete.

mit diesem Hans gibt es zwei Einträge aus dem Jahr 1508 in RSQ I/2 291, wo dieser als Wiler Bürger bezeichnet wird. —Wir danken Herrn Erich Trösch, Staatsarchiv Thurgau, Frauenfeld, der uns bei dieser Recherche tatkräftig beistand.
9 Wohl ein an Zürich gerichteter Brief des Konstanzer Rats, der in Anbetracht der Distanz zwischen Konstanz und Zürich und zwischen Zürich und St. Gallen vor dem 15. März geschrieben worden sein müsste. Vielleicht ist hier der lange Brief Konrad Zwicks an den Zürcher Bürger-
meister Johannes Haab vom 11. März 1547 (Zürich StA, A 205.2, Nr. 10) gemeint, in dem sehr viele Nachrichten enthalten waren.
10 Siehe dazu Nr. 2790, Anm. 40.
11 Gemeint sind Jakobus, Johannes, Paulus und Petrus; s. Gal 2, 7-9. — Gedacht ist etwa an Hebr 12, 1-13; Jak 1, 2-4. 12; 1Petr 1, 6f; 2, 21; 4,1; 1Joh 5, 4-6.
1 Zu deren Namen s. HBBW XVI 372. 374.
2 Siehe dazu HBBW XVIII 416, Anm. 3.
3 Ein früheres Schreiben der Churer Schulaufseher


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folgenden Ausführungen wohlwollend aufzunehmen. [2] Die Zürcher sind bereits über die vom Gotteshausbund aus den Klostergütern 4 eingerichtete [Nikolai]schule [in Chur] im Bilde. An ihr werden jeweils 22 Knaben drei Jahre lang unterrichtet und versorgt. Sie stammen aus den Gemeinden des Gotteshausbundes und kommen aus Elternhäusern, die eine solche Schulausbildung nicht finanzieren können. Sind die drei Jahre abgelaufen, werden neue Stipendiaten aufgenommen. Es wäre allerdings besser, wenn insbesondere die Schüler, die sich für das Studium als geeignet erwiesen haben, länger als drei Jahre bleiben könnten. Doch die Gemeinden bevorzugen einen Turnus. [3]Nichtsdestoweniger bemängelt man zugleich, dass die guten Schüler nach drei Jahren die Schule verlassen müssen und dadurch die für sie aufgewendeten Ausgaben verloren gehen, da die meisten von ihnen ihr Studium nicht weiter finanzieren können, besonders wenn sie oder ihre Eltern erfahren, dass für ein Studium in Zürich oder anderswo mit etwa 20 bis 30 Gulden pro Jahr nur schon für die Verpflegung (ohne Bücher und Kleidung) zu rechnen ist. Auch ist es heute nicht mehr üblich und wird zudem nicht gern gesehen, wenn die Schüler von ihren Eltern dazu veranlasst werden, von Haus zu Haus zu ziehen, um ihren Lebensunterhalt durch Almosen zu bestreiten. [4] Daher ersuchen die Churer die Zürcher um Hilfe und Rat: Was könnte man tun, inn den begabten Knaben eine Fortsetzung ihres Studiums zu ermöglichen? [5]Da die Obrigkeit und die Bürger von Zürich der Auffassung sind, dass nicht nur in Zürich die Jugend in den Wissenschaften und in den Sprachen ausgebildet werden sollte, mögen sie mitdenken helfen, wie denn die Churer die begabten Knaben zu Lehrern und in der wahren, christlichen Religion weiter ausbilden könnten, sodass diese dem Studium erhalten bleiben. [6] Die Zürcher Kollegen mögen nun freundlich den Vorschlag der Churer dazu erwägen, zumal dieser keine übermäßige Belastung für Zürich darstellt (sollte dieser Plan den Adressaten gefallen, möchten sie ihn Bürgermeistern und Rat von Zürich unterbreiten): Vielleicht ließe sich ein geeignetes, möbliertes Haus in Zürich finden, zudem ein tüchtiger Bürger, der darin Schüler aus Chur und anderswoher aufnehmen und betreuen würde, und dabei darauf achtet, dass er pro Knabe mit einer jährlichen Pension von höchstens 13 Gulden auskommt, nämlich wie in Chur, wo der [Kloster]vogt [Wolfgang Salet]5 für diesen Preis die Schüler auf maßvolle, aber ausreichende Weise ohne Wein mit Brei, Brot, Gersten[suppe], Erbsen und etwas Fleisch versorgt (für die Bücher und die Kleidung müssen die Knaben selbst aufkommen). Dies würde Knaben und Eltern zur Fortsetzung des Studiums ermuntern. Wie schön, wenn Bürgermeister und Rat von Zürich das Projekt guthießen! Auf diese Weise würden auch die Churer zu gebildeten jungen Männern kommen, die im religiös entzweiten Graubünden treu bei der [evangelischen]Religion blieben und sich nicht mehr von böswilligen Menschen und guten Löhnen, von Messfeiern und den damit verbundenen Gräueln, von Weihzeremonien und großen Pfarreien bezirzen lassen und zudem helfen würden, auch andere von alldem fernzuhalten. [7]Die Zürcher mögen diesen Vorschlag freundlich aufnehmen und abwägen. Sie wissen ja besser, als es die Churer schriftlich darzulegen vermögen, worum es hier geht. [8] Falls sie entgegnen würden, dass die Churer doch selbst eine solche Pension bei sich ins Leben rufen sollten, mögen sie erwägen, dass die Jugend in der Fremde viel besser als in der Heimat erzogen wird. [9]Es sei zuletzt betont, dass die reichen Leute sich eher des Evangeliums schämen und ihre Söhne nicht dazu anhalten, Prädikanten zu werden. Demnach wird wie schon immer vielmehr die ärmere Bevölkerung (der das Evangelium stets wichtig war) die künftigen Prediger hervorbringen. Darum erscheint es den Churern so wichtig, die armen Schüler zu fördern, denn es sind eher diese, die später den Gemeinden von Nutzen sein werden, während die Kinder der Wohlhabenden nach Abschluss ihres Studiums meist nur ihren eigenen Vorteil im Auge haben. [10] Die Zürcher mögen dies alles wohlwollend betrachten und bei passender Gelegenheit ihre freundliche Antwort mitteilen. Die Churer werden sich dafür dankbar erweisen.
an die Zürcher Schulherren stammte vom 24. April 1546; s. HBBW XVI, Nr. 2430.
4 Siehe schon HBBW XVI 372, Anm. 8.
5 Siehe HBBW XVI 157f mit Anm. 5.