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Autograph: Zürich StA, E II 370, 60 (Siegelspur) Ungedruckt
[1]Haller hat vor vier oder fünf Tagen an Bullinger geschrieben [nicht erhalten]. Eigentlich
wollte der Stadtschreiber Georg Frölich [mit dem Brief]bis nach Zürich reisen, doch gelangte
er nur bis Konstanz, wo er Hans Wilpert Zoller antraf und mit diesem nach Augsburg zurückkehrte.
Zoller ist jetzt schon seit sechs Tagen da, hat aber Haller noch immer nicht besucht!
Frölich bereitet derzeit die Hochzeit seiner Tochter [Anna]mit einem Bannerträger [Christoph
Wilbrecht] vor. —[2] Die Bürgermeister Jakob Herbrot und Hans Welser zeigen den Augsburger
Pfarrern ein ganz anderes Gesicht als den Kaiserlichen. Sie verstellen sich und wollen
es beiden Seiten recht machen. Damit schaden sie dem Ruhm Christi und der Kirche. Herbrot
hat Leonhard Beck von Beckenstein aus Gewinnsucht (das sehen alle so!) um sein prächtiges
Haus gebracht und ihn fast zum Auswandern gezwungen. Dadurch hat er sich allen verhasst
gemacht. Sein Schwiegersohn [...] beging bald darauf Suizid, sodass die ganze Familie in
Verruf geraten ist. Würde doch Herbrot seine Hoffnung nicht auf unsichere Reichtümer setzen,
sondern auf Gott! Zu Recht hat Paulus die Habgier als Ursprung allen Übels bezeichnet.
—[3]Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen will Erfurt mit drei Regimentern einnehmen, uni
sich die Getreideversorgung zu sichern. Herzog Moritz von Sachsen soll Frieden mit ihmBriefe_Vol_19-442 arpa
geschlossen und seinen Bruder August als Pfand eingesetzt haben. Dies ist allerdings kaum
glaubhaft. In Leipzig herrscht schwere Hungersnot. Viele Menschen sterben. Herzog Wilhelm
von Jülich-Kleve und König Christian III. von Dänemark versuchen, einen Frieden zwischen
dem Kurfürsten und Kaiser Karl V. auszuhandeln. —[4]Landgraf Philipp von Hessen stellt ein
Heer zusammen und hat ernsthaft vor, den Krieg wieder aufzunehmen. Angeblich hat er in
einer gedruckten Schrift seine bisherige Untätigkeit erklärt. Man sagt, dass er vorhabe, in die
Niederlande einzufallen, während die Böhmen und der Kurfürst mit dem Kaiser kämpfen.
— [5] Dieser ist [auf dem Weg nach] Weiden. Es fehlt ihm an Proviant. Wie Haller letztens
schrieb, wurden dem Herzog Moritz bis zu zwölf Fähnlein vernichtet. — [6] Überall im Königreich
Böhmen wurden Truppen gemustert. Diese sollen bis zum 4. April in Rüstung stehen.
Der Wald wurde durch gefällte Bäume versperrt, damit es nicht zu einem Anschluss des
kaiserlichen Heeres mit dem des Königs Ferdinand kommen mag. Der Oberst [der Böhmen]
heißt Kaspar Pflug [von Rabenstein]. Die Kinder des Königs sollen zudem in Prag festgehalten
werden. Aus Nürnberg wird berichtet, dass bis zum 4. April 50'000 Mann in Prag zusammenkommen
sollen. Der Kurfürst habe bereits einen Vertrag mit den Böhmen abgeschlossen.
Das wird dem Kaiser noch zu schaffen machen! — [7] Ob König Franz I. von Frankreich
wirklich tot ist, wie Kaufleute aus Lyon melden, werden die Zürcher besser wissen als Haller.
Fest steht, dass König Heinrich Viii. von England gestorben ist. Das Parlament, das stellvertretend
für den jungen König Eduard VI. regiert, lässt nun das Evangelium auf süddeutsche
Art predigen. In Venedig sollen der Doge [Francesco Dona] und der Rat zwei Predigern die
Verkündigung des Evangeliums gestatten. Es heißt auch, dass der alte König von Neapel [sic]
dem Kaiser in das Königreich einfalle. König Sigismund von Polen ist auch tot. Es kommt zu
so vielen Veränderungen! —[8] Der Herr schütze seine Kirche. In Eile. Grüße, auch von Sixt
Birck, Sebastian Lepusculus und Thoman Ruman.
S. D. Scripsi ante quatuor aut quinque dies. 2 Putavi ad vos profecturum (sicut proposuerat certe) archigrammataeum 3 ; sed tantum ad Constantiam usque venit. 4 Reduxit etiam secum Zollerum 5 , qui sextum iam hic agit diem et nondum me convenit! Quid causae sit, ignoro. Parat nunc Laetus nuptias filiae suae, quam cuidam despondit signifero. 6
Consules 7 longe alii sunt erga nos quam erga caesareanos. Dum utrisque satisfacere volunt, minime ea faciunt, quae in gloriam Christi et rem ecclesiae essent. Simulant et dissimulant omnia. Herbrottus Beccium a Beckenstein aedibus (quas ille aedificavit) a sumptuosissimis et splendidissimis
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per usuram (aliter nemo iudicat) privavit et tantumnon exulari cogit; unde apud cives omnes audit 9 pessime. Mox hoc facto gener 10 , quem habuit ex familia praediviti, se ipsum trucidavit miserabiliter; unde omnis familia ipsius infamatur valde. Det ei dominus gratiam, ne nimium speret in divitiis incertis, sed in deo vivente, qui affatim praebet, 11 etc.; nam non frustra Paulus avaritiam vocat radicem omnium malorum. 12
Nüwe zytung habend wir, das der churfürst 13 3 regimennt uff Erdfurt schick, dasselb inzünemmen, damitt er ein kornkasten hinder imm hab. 14 Es ist auch ein gmeine sag, h[ertzog] Moritz hab sich mitt imm vertragen und imm sin brüder Augustum 15 zum pfandschillig gen 16 . Ich glaubs aber nitt. Liptzig lidet große not an hunger und sterben. H. von Jülch 17 und künig uß Dennmarck 18 handlend umb ein friden zwüschen dem churfürsten und keiser 19 .
Landtgraff 20 nimpt knecht an. Wil erst recht dran. Er soll auch ein büchlin haben laßen trucken, darinn er sich purgiert, worumb er bishar still gseßen. 21 Man sagt, er well die Behem 22 und den churfürsten mitt dem keiser laßen machen 23 und er diewyl ins Niderland fallen. Ist aber ungwüß.
Keiser ist zü der Weiden. 24 Hatt mangel an proviandt. Hertzog Moritzen sind bis in 12 fenli nüwlich (wie ich nehermals 25 vom gschrei 26 gschriben) b erlegt.
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Die Behem habend ufbotten 27 im gantzen künckrych. Soll uff den 4. april jederman grüst 28 sin, ins fäld zü ziehen. Habend auch den wald dermaß verhowen 29 , das weder keiser noch küng 30 mitt ir macht zemmen könnend 31 . Jr oberster hauptman heißt Caspar Pflug. 32 || v Deß Ferdinandi ettliche kinder verwarend si 33 zü Prag. Wellends nitt herus laßen. Uff 4. april, schript man uß Nurenberg, sollend 50'000 zü Prag sin. 34 Man sagt auch, si habind den churfürsten in jr pündtnüß gnommen und schon versiglet 35 . Jn summa: Der keiser wirt gnüg zü thün haben!
K[ünig] uß Franckrych sol tod sin. 36 Das werdend jr bas 37 wüßen. Unser kaufflüt habend schriben von Lyon. Engelland ist gwüß tod. 38 Die regimentsherren vom parlament, so für den jungen künig 39 regierend, laßend das evangelium nach unser oberlendischen kirchenform predigen. Zu Venedig söllend auch zwen 40 das evangelium luter uß vergunst 41 deß hertzogen 42 und gantzen radts predgen. Man sagt auch, das der alt künig von Neapels 43 dem keiser wider inn das künckrych fall. Künig uß Polen ist auch todt 44 . Jn summa: Es erschinend vil verenderung aller rychen. 45
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Gott behüt sin kilch! Amen. Haec omnia raptim. Vale et boni consulito! 13. c martii 1547. Ubi sim, nosti. Salutant te Xystus 46 et Lepusculus cum Romano 47 .
Ioannes Hallerus tuus. |
[Adresse auf f. 56v.:] Clarissimo praestantissimoque viro d. Heinrycho Bullingero, vigilanto Tigurinae ecclesiae pastori, domino suo observando. An m. Heinrych Bullinger zü Zürich.