Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2869]

Niklaus Wyttenbach
an Bullinger
Biel,
30. März 1547

Autograph: Zürich StA, E II 356a, 1009 (Siegelspur)

Ungedruckt

[1] Wyttenbach erfuhr durch seinen Schwiegersohn Hans Wunderlich, dass Bullinger unzufrieden ist, weil er seinen Sohn Josua (den Bullinger als eigenen Sohn ansieht) aus Paris

1 Im Streit um die Leinwandzölle; s. dazu Nr. 2846, Anm. 2.
2 Vom 25. März, gedruckt in EA IV/1d 788-790 (II.).
3 Demnach scheint Muntprats Sohn sowohl
im Dienste seines Vaters als auch Sailers gestanden zu haben.
4 Siehe dazu Nr. 2849,27-29; Nr. 2850,22f.
5 Vgl. Nr. 2848, Anm. 26; Nr. 2859,9-13.


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zurückbeordert hat. Doch dazu entschloss er sich nicht allein! Auch andere, darunter Gelehrte, rieten ihm dazu. In zwei Jahren und fünf Monaten hat Josua dort nämlich 352 écus ausgegeben, und zwar wohl nicht immer auf umsichtige Weise. Sogar reicheren Vätern wäre dies zu viel gewesen. Auch konnte Wittenbach nie Genaueres über Josuas Studien in Paris erfahren. Deshalb wird dieser nun zu seinem Präzeptor Rudolf Gwalther und zu Bullinger gesandt. Beide sollen erkunden, welche Fortschritte der Jüngling gemacht hat und wofür er sich am besten eignen würde. Bullinger soll das Ergebnis ganz offen mitteilen. Wittenbach wird sich danach richten. [2]Bullinger möge das lange Schweigen verzeihen. Es ist allein auf Wyttenbachs geringe Bildung und dessen schlechtes Schreiben zurückzuführen, zumal Wvttenbach Bullingers Liebe und Freundschaft nie vergessen könnte. Täglich dankt er dem Herrn für dessen Begabungen und Standhaftigkeit. [3] Größe, auch von der Gattin [Anna, geb. May von Rued].

Von gott gnad und heyll, mitt erpiettung alles myns vermugens gegen üch guttwillig bereitt zuvor. Erender und insunders wollgelertter her und brüder ich han von mynem tochterman Hansen Wunderlich' verstanden, wie ir übell zefriden sient in dem, das ich Josue 2 , üweren und mynen sun, von Paryß beschriben 3 habe. Worlich ich es nit allein uss mir selbs gethon, sunders uß gehepttem ratt der gelertten und andere. Dan er in kurtzem zit so vill geltz mit imm uffgangen 4 ist, das es einen vill rycheren, dan ich bin, beduren solt 5 . Dan er in zweyen joren und 5 monet 352 écus 6 verthon 7 hatt, das zu besorgen ist gesin 8 , das er sölich gelt nit recht gebrucht habe. Ich han ouch von sinem studio nie nutt eygenlich 9 mögen erfaren. Uff söllichs, so schick ich in zu üch und zu synem preceptor, hernn Gwalther, alß zu mynem sunderlichen wollvertrüwtte hernn und brüder, das ir üch so vill bemügen 10 wellen und an im erkundigen, wie vill er doch zugenommen habe und wozu er fürhin gebrucht mög werden oder waß wytters mit imm anzefachen sige 11 . Dan ir an imm woll gespüren und erfaren mögent, was wytters uff in ze buwen sige. Und was dan ir mit imm rättig werdent 12 , mich des zu berichten und mir syner geschicklickeit halb nut verhalten 13 . Will ich, ob gott will, üwerem trüwen ratt nachkomen und erstatten 14 .

1 Jean de Merveilleux. — Bullingers Brief an Wunderlich ist nicht erhalten.
2 Josua Wyttenbach. — Aus vorliegender Stelle wie auch aus unten Z. 10-12 wird deutlich, dass Josua vor seinem Aufenthalt in Paris in Zürich studiert hat und vermutlich bei Rudolf Gwalther untergebracht war.
3 schriftlich zurückbeordert.
4 aufgebraucht; s. S! II 14.
5 beduren solt: beschwerlich fallen würde.
6 In der Vorlage ist ein Dreieck mit der Spitze nach unten angebracht, nämlich das Schildzeichen, das oft auf der entsprechenden Münze zu sehen war. Ein écu (= coronatus aureus oder französische Krone) entsprach im Jahre 1546 ein wenig mehr als 48 Kreuzern; s. Guillaume
Budé, De Asse et partibus eius, Basel 1546 (VD]6 ZV2652), f. A8v. Aus ebenda, f. [A7]v., geht hervor, dass ein Kreuzer damals etwa 5 Pfennige galt. Da ein Pfund aus 240 Pfennigen besteht, entsprechen 352 écus etwa 353 Pfund. Da ferner um diese Zeit 2 Gulden etwa 2,5 Pfund wert waren (vgl. HBBW XVIII 451, Anm. 19). sind hier etwa 282 Gulden oder Florin gemeint (ein Handwerker verdiente jährlich 20 bis 40 Florin).
7 verbraucht; s. SI XII 413f.
8 gewesen.
9 genau.
10 bemühen.
11 anzefachen sige: anzufangen sei.
12 rättig werdent: beschließt; s. SI VI 1627.
13 syner geschicklickeit halb nut verhalten:


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Geliepter herr und brüder, wellent üch nit beschweren, das ich üch so lang nut geschriben han, dan es allein myner ungeschicklickeit und übel schrybens schuld ist. Dan der liebi und früntschafft, so ir mir und den mynen bewysen, wirt myn läben lang in mir unvergessen syn. Ich sagen dem hernn täglich danck, in dem er üch, sinen dieneren, also rychlich begabet, und also standthafft sindt. Gott, der her, welle syn angefangen werck in üch zü sinem lob und eeren volfüren! 15

Hiemit sindt gote, dem herren, trüwlichen befolen. Myn husfrouw 16 thüt vast 17 grüssen. Uß Biell, 30. tag mertz 1547.

Der üwer gantz eygen Niclaus Wyttenbach.

[Adresse auf der Rückseite:] Dem eerwirdigen und hochgelertten hernn, meister Heinrichen Bullinger, diener des wort gottes zü Zürich, sinem insundren gelieptten hernn und brüder. 18