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Autograph: Zürich StA, E II 351, 43 (Siegelspur) Druck: Vadian BW VI 603-605, Nr. 1522; Teilübersetzung: Joachim Vadian. Ausgewählte Briefe, hg. y. Ernst Gerhard Rüsch, St. Gallen 1983, S. 96-98, Nr. 262
[1] Vadian dankt für Bullingers Schreiben [nicht erhalten]. Für den frommen. Hans Muntprat 3
wird er sich am kommenden Freitag [8. April] bei den Augsburgern brieflich einsetzen. An
Geld mangelt es ja nicht; wenn nur auch guter Verstand vorhanden wäre! Zu Recht meinteBriefe_Vol_20-118 arpa
schon Horaz, dass Reichtum und Dummheit sich vertragen! 4 Beiliegend ein Brief von Muntprats
Sohn [...] aus Spanien. Vielleicht enthält er gute Nachrichten. 5 - [2] Anbei schickt
Vadian [einen Bericht] über die Debatte, die im vergangenen Winter im städtischen Rat von
Augsburg stattgefunden hat [als über die Unterwerfung der Stadt unter Kaiser Karl V. debattiert
wurde], bei der es zu einem Zusammenprall zwischen menschlicher Vernunft und
Christi Geist kam. Dabei konnte wieder einmal gezeigt werden, wie wenig der Mensch geneigt
ist, um Christi willen zu leiden, bzw. wie schnell er die von ihm anerkannte Lehre Christi
wieder preisgeben kann! Bei dieser Diskussion wurde die Sachlage völlig verkannt! 6 Man
hätte sich selbst helfen können, aber niemand war tapfer genug, den Entschluss [dem Kaiser
zu huldigen] zu verhindern. Vadian vermutet, dass die Patrizier samt den Kaufleuten der
[süddeutschen] Reichsstädte schon zu Anfang des Krieges, als der Kaiser diesen Städten
schrieb, 7 willens waren, auf ihn zu hören und vom [Schmalkaldischen]Bund abzufallen. Doch
waren es die frommen Räte, die standhaft blieben und eine größere Bußbereitschaft erwiesen
als jene Pfeffersäcke und reichen Geldwechsler. Der fromme Mann wurde also von diesen
Reichen verraten, die am kaiserlichen Hof ein gutes Ansehen genießen! Nun versucht man, die
Machtbefugnisse der Zünfte zu beschränken und die der Reichen 8 zu erweitern. Der Kaiser hat
Letzteren vieles versprochen, so dass ihr Verrat und ihre Machenschaften die Schuld daran
tragen, dass in den Städten kaiserliche Besatzungstruppen einrückten. Durch eine einseitige
Machtausübung wird die Oligarchie alles nach ihrem Willen gestalten und das Volk unterdrücken!
Diese ungeheuerliche Lage ist auf übermäßigen Reichtum einiger weniger zurückzuführen,
was zu Recht vain alten, starken Deutschland verabscheut worden war. Es wäre gut,
wenn die Zürcher Bürgermeister Johannes Haab und Hans Rudolf Lavater, ja sogar der ganze
Rat, vom oben erwähnten Bericht erfahren würden. Die Zürcher sollten daraufhin auch den
Bernern und den anderen [protestantischen Orten] ein Exemplar dieses Berichtes zukommen
lassen. -[3] Der Kaiser traf am 22. März 9 in einer Sänfte in Nürnberg ein und zeigte sich
dabei. 2'000 Fußsoldaten und 1'000 Kavalleristen wurden in die Stadt verlegt. Tagsüber
bewachen die Kaiserlichen die Stadttore, die vom Rat morgens geöffnet und abends geschlossen
werden. Die Nachtwache wird von zwei kaiserlichen Fähnlein gehalten. Man geht davon
aus, dass der Kaiser nicht lange in Nürnberg bleiben wird. Unter seinen Söldnern grassiert
eine Epidemie, 10 und er selbst ist gesundheitlich angeschlagen. Allerdings steht Kurfürst Johann
Friedrich I. von Sachsen in Rüstung. Angesichts der Stärke seines Gegners wird er auf
Gottes Hilfe zählen müssen. - [4] Nach Erlass eines tyrannischen Mandats durch König
Ferdinand I. haben die Böhmen einen Bund 11 unter sich geschlossen und gegen den König
rebelliert. In Nürnberg geht das Gerücht um, dass sie ihn nicht mehr als König anerkennen
wollen. 12 Vielleicht werden sie dem Kurfürsten helfen. -[5]Aus Ungarn trafen angsterregende
Schreiben über die Pläne Sultan Suleimans I. ein. Besonders in Siebenbürgen ist man besorgt.Briefe_Vol_20-119 arpa
13 Im letzten Winter sollen nämlich in Ungarn umherstreifende türkische Rotten bis zu
den Bergstädten 14 vorgestoßen sein und über 12'000 Christen jeglichen Alters gefangen genommen
und verkauft haben. -[6]Es ist verbürgt, dass Herzog Moritz von Sachsen in Dresden
vom Kurfürsten belagert wird und dass dieser die wichtigen Bergwerke des Königs Ferdinand
(Marienberg 15 und Joachimsthal 16 ) eingenommen hat. -[7]Straßburg soll dem Kaiser
gehuldigt und sich dabei sehr unterwürfig gezeigt haben. 17 Der Kaiser weiß, wie man sich
Freunde verschafft, um sich dann ungehindert der Häupter [der Schmalkaldener: Kurfürst
Johann Friedrich von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen]bemächtigen zu können! Hat
er aber sein Ziel erreicht, so wird er sich nur nach Belieben an seine Zusagen halten und mit
weiteren Versprechen oder mit Gewalt sein Ziel verfolgen, um ganz Deutschland (wenn Gott es
nicht verhindert) den Spaniern und Italienern auszuliefern. Hoffentlich werden dann nicht die
Eidgenossenschaft und Frankreich die Sache ausbaden müssen. Das könnte schlimm werden!
Doch sind dies nur Sorgen, die das Diesseits betreffen, die aber dem Streben nach dein
Jenseits nicht vorangestellt werden dürfen. -[8] Grüße.