Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

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Joachim Vadian
an Bullinger
St. Gallen,
5. [April] 1547

Autograph: Zürich StA, E II 351, 43 (Siegelspur) Druck: Vadian BW VI 603-605, Nr. 1522; Teilübersetzung: Joachim Vadian. Ausgewählte Briefe, hg. y. Ernst Gerhard Rüsch, St. Gallen 1983, S. 96-98, Nr. 262

[1] Vadian dankt für Bullingers Schreiben [nicht erhalten]. Für den frommen. Hans Muntprat 3 wird er sich am kommenden Freitag [8. April] bei den Augsburgern brieflich einsetzen. An Geld mangelt es ja nicht; wenn nur auch guter Verstand vorhanden wäre! Zu Recht meinte

unweit von Fontenay-le-Comte belegen konnte. Als Maturin im August oder September 1543 von Zürich nach Venedig aufbrach, gab ihm Bullinger seine im Jahre 1539 in Zürich erschienene Schrift "De origine errons"(HBBib1 112) für Del Prato mit, der ihm dafür mit einem Brief vom 11. November 1543 (Hennin jard IX 110-112, Nr. 1308; HBBW XIII, Nr. 1813) dankte. Am 10. Dezember 1544 ist erneut von "Maturinus. Gallus bibliopola nostratis" in einem Brief des jungen Pfarrers der Zürcher Predigerkirche, Johannes Wolf, an den Basler Drucker Leonhard Hospinian (Wirth) die Rede (Zürich ZB, Ms F 41, 388v.). Ob allerdings, wie es in AK VI 363f, Anm. 3, angenommen wird, dieser Maturin (der wohl mit dem des vorliegenden Briefes identisch ist) wirklich auch mit dem Pariser Buchhändler Maturin (Mathurin) Du Puys (dessen Bruder Jacques mit der Basler Offizin Froben in geschäftlicher Beziehung stand; s. Rechnungsbuch der Froben und Episcopius, Buchdrucker und Buchhändler zu Basel, 1557-1564, hg. y. Rudolf Wackernagel, Basel 1881, Reg.) zu identifizieren sei, muss offen bleiben, auch wenn eine Urkunde vom 8. Oktober 1559 eine indirekte (von Renouard nicht erkannte) Beziehung zwischen Maturin Du Puys und Froschauer belegt. In dieser wird nämlich "Christofle Ferchanors (?), marchand libraire en la ville de Surein, en Suisse" angeführt (Philippe Renouard, Documents sur les imprimeurs, libraires ayant exercé a Paris de 1450 a 1600, Paris 1901, S. 84f). Das Fragezeichen verweist bei Renouard auf eine Unsicherheit bei der Entzifferung: Hier sind eindeutig Froschauer und Zürich gemeint. Vielleicht ist also "Virgin" nur ein Deckname für Du Puys.
8 Vorliegender Brief wurde erst am 13. Mai zusammen mit Brief Nr. 2900 abgeschickt.
1 Der Brief ist auf den "5. die martii anno domini 1547" datiert, was allerdings nicht stimmen kann, da Vadian berichtet, dass Kaiser Karl V. "uff 22. [richtig: 24. - s. Stälin 580] martzii zu Nürnberg eingeritten" ist. Er wird sich also in der Monatsangabe geirrt haben.
2 Beide Werke führen den Brief unter dem 5. März 1547 an.
3 Zum verschuldeten Hans Muntprat s. HBBW XIX, Nr. 2851, Anm. 8; Nr. 2868.


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schon Horaz, dass Reichtum und Dummheit sich vertragen! 4 Beiliegend ein Brief von Muntprats Sohn [...] aus Spanien. Vielleicht enthält er gute Nachrichten. 5 - [2] Anbei schickt Vadian [einen Bericht] über die Debatte, die im vergangenen Winter im städtischen Rat von Augsburg stattgefunden hat [als über die Unterwerfung der Stadt unter Kaiser Karl V. debattiert wurde], bei der es zu einem Zusammenprall zwischen menschlicher Vernunft und Christi Geist kam. Dabei konnte wieder einmal gezeigt werden, wie wenig der Mensch geneigt ist, um Christi willen zu leiden, bzw. wie schnell er die von ihm anerkannte Lehre Christi wieder preisgeben kann! Bei dieser Diskussion wurde die Sachlage völlig verkannt! 6 Man hätte sich selbst helfen können, aber niemand war tapfer genug, den Entschluss [dem Kaiser zu huldigen] zu verhindern. Vadian vermutet, dass die Patrizier samt den Kaufleuten der [süddeutschen] Reichsstädte schon zu Anfang des Krieges, als der Kaiser diesen Städten schrieb, 7 willens waren, auf ihn zu hören und vom [Schmalkaldischen]Bund abzufallen. Doch waren es die frommen Räte, die standhaft blieben und eine größere Bußbereitschaft erwiesen als jene Pfeffersäcke und reichen Geldwechsler. Der fromme Mann wurde also von diesen Reichen verraten, die am kaiserlichen Hof ein gutes Ansehen genießen! Nun versucht man, die Machtbefugnisse der Zünfte zu beschränken und die der Reichen 8 zu erweitern. Der Kaiser hat Letzteren vieles versprochen, so dass ihr Verrat und ihre Machenschaften die Schuld daran tragen, dass in den Städten kaiserliche Besatzungstruppen einrückten. Durch eine einseitige Machtausübung wird die Oligarchie alles nach ihrem Willen gestalten und das Volk unterdrücken! Diese ungeheuerliche Lage ist auf übermäßigen Reichtum einiger weniger zurückzuführen, was zu Recht vain alten, starken Deutschland verabscheut worden war. Es wäre gut, wenn die Zürcher Bürgermeister Johannes Haab und Hans Rudolf Lavater, ja sogar der ganze Rat, vom oben erwähnten Bericht erfahren würden. Die Zürcher sollten daraufhin auch den Bernern und den anderen [protestantischen Orten] ein Exemplar dieses Berichtes zukommen lassen. -[3] Der Kaiser traf am 22. März 9 in einer Sänfte in Nürnberg ein und zeigte sich dabei. 2'000 Fußsoldaten und 1'000 Kavalleristen wurden in die Stadt verlegt. Tagsüber bewachen die Kaiserlichen die Stadttore, die vom Rat morgens geöffnet und abends geschlossen werden. Die Nachtwache wird von zwei kaiserlichen Fähnlein gehalten. Man geht davon aus, dass der Kaiser nicht lange in Nürnberg bleiben wird. Unter seinen Söldnern grassiert eine Epidemie, 10 und er selbst ist gesundheitlich angeschlagen. Allerdings steht Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen in Rüstung. Angesichts der Stärke seines Gegners wird er auf Gottes Hilfe zählen müssen. - [4] Nach Erlass eines tyrannischen Mandats durch König Ferdinand I. haben die Böhmen einen Bund 11 unter sich geschlossen und gegen den König rebelliert. In Nürnberg geht das Gerücht um, dass sie ihn nicht mehr als König anerkennen wollen. 12 Vielleicht werden sie dem Kurfürsten helfen. -[5]Aus Ungarn trafen angsterregende Schreiben über die Pläne Sultan Suleimans I. ein. Besonders in Siebenbürgen ist man besorgt.
4 Horaz, Epistulae, 1, 18, 29.
5 Diese Angabe ist ein Hinweis darauf, dass ein Teil des Vermögens von Hans Muntprat vom Kaiser in Spanien beschlagnahmt worden war; vgl. nämlich HBBW XVII 333 und Anm. 3; 372, Anm. 54; 482,12-16.
6 Zur Debatte s. HBBW XIX, Nr. 2749.
7 Zum Schreiben des Kaisers an Augsburg, Nürnberg, Ulm und Straßburg vom 17. Juni 1546 s. HBBW XVII 116, Anm. 6.
8 Vadian denkt an die Oligarchie von Augsburg und Ulm.
9 Siehe dazu oben Anm. 1.
10 Siehe schon HBBW XIX, Nr. 2824,16f; Nr. 2832,16f und Nr. 2862,72-75.
11 Die Prager Städte und der Adel aus neun Kreisen hatten sich bereits am 25. Februar 1547 zu einem Bündnis gegen die Befehle König Ferdinands zur Stellung von Söldnern vereinigt; s. Theodor Neumann, Geschichte der geistlichen Administratur des Bistums Meißen in der Oberlausitz, in: Neues Lausitzisches Magazin, Bd. 36, Görlitz 1860, 5. 278; HBBW XIX 399, Anm. 54.
12 Siehe dazu HBBW XIX, Nr. 2841 und Anm. 54; Nr. 2848,38-41.


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13 Im letzten Winter sollen nämlich in Ungarn umherstreifende türkische Rotten bis zu den Bergstädten 14 vorgestoßen sein und über 12'000 Christen jeglichen Alters gefangen genommen und verkauft haben. -[6]Es ist verbürgt, dass Herzog Moritz von Sachsen in Dresden vom Kurfürsten belagert wird und dass dieser die wichtigen Bergwerke des Königs Ferdinand (Marienberg 15 und Joachimsthal 16 ) eingenommen hat. -[7]Straßburg soll dem Kaiser gehuldigt und sich dabei sehr unterwürfig gezeigt haben. 17 Der Kaiser weiß, wie man sich Freunde verschafft, um sich dann ungehindert der Häupter [der Schmalkaldener: Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen]bemächtigen zu können! Hat er aber sein Ziel erreicht, so wird er sich nur nach Belieben an seine Zusagen halten und mit weiteren Versprechen oder mit Gewalt sein Ziel verfolgen, um ganz Deutschland (wenn Gott es nicht verhindert) den Spaniern und Italienern auszuliefern. Hoffentlich werden dann nicht die Eidgenossenschaft und Frankreich die Sache ausbaden müssen. Das könnte schlimm werden! Doch sind dies nur Sorgen, die das Diesseits betreffen, die aber dem Streben nach dein Jenseits nicht vorangestellt werden dürfen. -[8] Grüße.