Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2884]

Johannes Haller
an Bullinger
Augsburg,
19. April 1547

Autograph: Zürich StA, E II 359, 2814f (Siegelspur) Ungedruckt

[1]Haller empfing am Tag vor Sonntag Quasimodo Bullingers Brief vom Tag vor Ostern [Nr. 2877], mit dem dieser vier seiner Briefe [HBBW XIX, Nr. 2821. 2837. 2844 und einen nicht erhaltenen Brief vom 14. März]beantwortet hatte. Da Bullinger Näheres über die Gefangennahme des Markgrafen Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach erfahren möchte, legt

b Das Wort fehlt in der Vorlage. -
c Wort teils im engen Einband verdeckt.
mit einer Niederlage endete; s. HBBW XVIII, Nr. 2696. - Zu der hier angesprochenen Kampthandlung s. Nr. 2875, Anm. 16.
14 Landgraf Philipp von Hessen.
15 Siehe zuletzt Nr. 2872, Anm. 11.
16 Vgl. Cicero, Philippicae, 5, 5.
17 Nämlich die Franzosen. Die Schmalkaldener hatten versucht, ein Bündnis mit Franz I. gegen Karl V. zu schließen; s. HBBW XIX 317f, [3] mit Anm. 6. Zudem
hatte der Landgraf Anfang 1547 versucht, Geld von Franz Ï. zu erhalten, um den Krieg wieder aufnehmen zu können; s. Lettres et mémoires d'Etat des roys, princes et ambassadeurs et autres ministres sous les règnes de François F, Henri II et François II, hg. y. Guillaume Ribier, Bd. 1, Paris 1666, S. 620. 624-626. 631f.
18 Vorliegender Brief wurde (wie auch Nr. 2887 und Nr. 2889) von Johannes und Justus Vulteius übermittelt; s. oben Z. 3f.


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Haller die Abschrift eines Briefes bei, den Georg von Reckerode verfasst hat. Auch wenn Georg Frölich diese Darstellung als ungeordnet beurteilt, so enthält sie doch viele wissenswerte Informationen. Reckerode ist einer der wichtigsten Befehlshaber des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen und fast SO erfahren wie Sebastian Schertlin. Andere ruhmreiche Taten dieses Mannes wird Haller später mitteilen. Über das Ausmaß dieses Sieges kann Haller nichts Genaues schreiben, da die Berichte widersprüchlich sind. Feststeht (wie bereits im Brief [vorn 14. März] gemeldet): Herzog Moritz von Sachsen wurden 12 Fähnlein niedergelegt. -[2]Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen hat neulich etwa 60 gedeckte Proviantwagen voll mit Hakenschützen besetzt und diese bei Dresden vorbeiziehen lassen. Die Husaren, die Herzog Moritz von Sachsen in der Stadt zurückgelassen hatte, griffen die vermeintlichen Proviantwagen an. Da wurde der Proviant plötzlich lebendig! 400 Husaren wurden getötet. Die Übrigen sind mit Schande geflohen. - [3] Kurfürst Joachim von Brandenburg hat Herzog Moritz 500 Kavalleristen zugeschickt. Als sie an Wittenberg vorüberritten, wurden sie aile von der dortigen Besatzung niedergemacht. -[4] Der kaiserliche Truppenführer Martin von Rossem eroberte die Stadt Minden. Dabei halfen. ihm die dortigen Ratsherren. Als er abgezogen war, brach ein Aufstand in der Bevölkerung aus. Die bedeutendsten Ratsmitglieder wurden geköpft, und alle Anhänger Kaiser Karis V. vertrieben. -[5] Ein Augsburger [...] berichtete aus Hamburg, dass die Augsburger und Ulmer dort verhasst sind. Sein Überleben verdankt er nur dem Umstand, dass er in der Stadt gut bekannt ist und angesehene Verwandte hat. -[6] Aus Straßburg wird berichtet, dass sich Jakob Sturm nicht auf die Straße wagen darf Die Städte, die dem Kaiser gehuldigt haben, müssen diesem viel Geschütz liefern. - [7] In Frankfurt sollen sich einige Ratsmitglieder verschworen haben, um Landgraf Philipp von Hessen die Stadt in die Hände zu spielen. Maximilian von Egmont, Graf von Büren, erfuhr davon und nahm 16 Ratsherren gefangen. Daraufhin haben die Kaiserlichen die Wachtposten in den von ihnen besetzten Städten (wie z.B. Augsburg) verstärkt. -[8]Bernhard von Schaumburg, der kaiserliche Oberst der in Augsburg stationierten Garnison, hat den Bürgermeistern Jakob Herbrot und Hans Welser vorgeworfen, immer noch mit Schertlin unter einer Decke zu stecken. Der Oberst, der schon zweimal Hallers Predigten besucht hat, bedauerte bislang nur Hallers schweizerische Herkunft. Sein Beichtvater [...]liest fleißig die Messe. Er hat so großen Zulauf dass man ihm wohl bald eine Kirche zuweisen wird. -[9]Haller schreibt nicht gern an den Rat von Zürich, da er fürchtet, dass seine Briefe auf unvorteilhafte Weise ausgelegt werden. Wenn nur der Rat sich wie ein ehrenvoller Vater verhielte und Haller sowie [Thoman Ruman] bei erstbester Gelegenheit nach Zürich zurückriefe! Denn lieber ehrenhaft in Augsburg sterben, als beschämt wieder heimzukehren! Spätestens nach Ablauf von Hallers zweijähriger Dienstpflicht wird der Rat einen, guten Grund zur Rückberufung haben. Viele redliche Menschen erbarmen sich seiner, zumal er bei einem fremden Volk ausharrt. Sie glauben, dass er selbst über seinen Weggang entscheiden kann. Alles sei Gott anvertraut! Ein Rückruf wäre schön. Käme es nicht dazu, möge Gott ihm helfen, sein Amt getreu bis in den Tod auszuüben. Sollte er also dem Rat erneut schreiben, wäre es ein Zeichen dafür, dass er sich in Not befindet. -[10]Allen ist bekannt, dass König Franz I. von Frankreich gestorben ist. Seltsam, dass Bullinger in seinem letzten Brief [Nr. 2877] noch nichts davon wusste! - [11] Martin Frecht schrieb, dass Papst Paul III. tot und der Augsburger Bischof Otto Truchsess von Waldburg [nach Rom] zur Abstimmung gerufen sei. Was Bullinger über die 7'000 [nach Deutschland ziehenden] Italiener berichtet hat, soll ein falsches Gerücht sein, da die Schreiben aus Venedig, Genua, Mantua, Mailand und Parma nichts Derartiges meiden. -[12]Einige behaupten, dass der Kaiser noch in Eger sei, andere wiederum, dass er zurück nach Regensburg ziehe, weil die Böhmen ihm den Proviant verweigern. Dies ist wohl auch eine Lüge. - [13] Haller hat vor kurzem einen in Venedig erstellten Druck über die sechste Sitzung des Konzils von Trient gesehen, an der die Rechtfertigung durch den Glauben behandelt wurde. Seitdem konnte er kein weiteres Exemplar mehr auffinden. Die Publikation wurde aus Padua gesandt. Frecht berichtete, dass es bereits einen Druck über die siebte, den Sakramenten gewidmete Sitzung gäbe. Haller hat sie jedoch nicht gesehen. - [14] Thomas Naogeorg hat ein gelehrtes Gedicht über das neue, von den Lutheranern eingeführte Papsttum verfasst. Haller wird sobald wie möglich eine Abschrift davon schicken. - [15] Wolfgang


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Musculus und Michael Keller waren vom Hilfsangebot der Zürcher sehr berührt. Sie erwidern es, für den Fall, dass die Zürcher auch einmal darauf angewiesen wären. Gott möge das verhüten! -[16] Grüße von Sebastian Lepusculus und Ruman. Bullinger möge Neuigkeiten über die Eidgenossen mitteilen. Man hört, sie rüsteten sich. Alle erkundigen sich bei Haller danach, der aber nichts Verbürgtes mitteilen kann. Grüße auch von Sixt Birck und Nikolaus Müller gen. Maier, mit denen Haller nun im Kolleg [St. Anna] wohnt. Grüße an aile Amtskollegen. Haller würde sich wenigstens über eine Zeile von Konrad Pellikan und Theodor Bibliander freuen. Es scheint nun wahrscheinlich, dass die Augsburger Bibliothek den Handschriftenband mit Schriften von Philo von Alexandrien an Konrad Gessner ausleihen wird. -[17] [P.S.:] Die Überbringer des vorliegenden Briefes [Daniel Moser, Johannes Nisaeus und Hieronymus Peyer]seien Bullinger empfohlen! Es handelt sich um Stipendiaten der Augsburger Kirche. Sie hätten eigentlich nach Tübingen gesandt werden sollen, doch konnten Haller und Birck den Rat dazu bewegen, sie nach Basel zu schicken. Man hätte sie nach Zürich gesandt, sie bevorzugten aber (wie eben alle jungen Leute) eine Universität. Doch Gott sei Lob, dass sie allmählich genug von der Wittenberger Schwärmerei haben!

S. per servatorem nostrum lesum Christum. Literas tuas pridie ipsius paschae datas 1 accepi octiduo post, pridie scilicet Quasimodo 2 . Respondes iis ad quatuor 3 meas. Petis inter caetera, ut historiam capti marchionis Alberti 4 plenius describam. 5 Ut ergo certam habeas, mitto hic exemplar epistolae, quam quidam ex summis ipsius electoris 6 capitaneis, Georgius a Reckenrodt, vir post Schertlium rei militaris peritissimus et maximi nominis, scripsit, qui ipse huic conflictui interfuit, aliaque quaedam interim praeclara gessit, ut significabo postea. 8 Scripsit autem sine ordine, ut ait Laetus 9 , at interim scitu maxime memorabilia. Tam varii apud nos sunt rumores, ut verum victoriae modum scribere non possim, ex quo autem isthaec gesta: Adhuc 10 12 signa Mauritianorum 11 caesa sunt, ut in proximis scripsi 12 .

1 Gemeint ist Bullingers Brief vom 9. April (Nr. 2877).
2 Der Sonntag Quasimodo fiel im Jahre 1547 auf den 17. April. Haller erhielt also Bullingers Brief am 16. April.
3 Siehe Nr. 2877, Anm. 2 und Anm. 12.
4 Albrecht II. Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach. Zu dessen Gefangennahme s. HBBW XIX 379, Anm. 35; 427, Anm. 7. 11.
5 Entweder hat Haller die entsprechende Stelle Bullingers in Nr. 2877,23-27, missverstanden, oder Bullinger hatte diesen Wunsch in einem Postscriptum geäußert, das in der im 17. Jh. angefertigten Abschrift von Bullingers Brief (dessen Original verloren ist) nicht abgeschrieben wurde.
6 Johann Friedrich I. von Sachsen.
7 Damit ist das in Zürich StA, E II 441, f. 282-284, aufbewahrte Manuskript gemeint,
dem Haller mit eigener Hand nachträglich folgenden Titel hinzufügte: "Memorial was sich der kriegshandlung halben zwüschend dem churfürsten und hertzog Moritzen zutragen hab". Es handelt sich um einen Auszug aus einem Brief des Oberst Georg von Reckerode, der die genaue Beschreibung der Schlacht bei Rochlitz vom 2. März 1547 (s. Nr. 2872, Anm. 27) enthält und kurz nach dieser Schlacht entstanden sein muss. Zu Reckerode s. HBBW XIX 345, Anm. 134.
8 Ob es dazu kam, ist ungewiss.
9 Georg Frölich.
10 Hier wohl im Sinne von "bis zu". 11 Truppen des Herzogs Moritz von Sachsen.
12 Haller bezieht sich hier auf seinen verlorenen Brief vom 14. März; s. dazu Nr. 2877,23-27.


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Nüws, so ich sidhar vernommen, ist dises:

Es hatt hertzog Moritz etlich hußern 13 (licet 14 levis armaturae equites ex Hungaria) ghept zu Tresen 15 . Do hatt der churfürst bis in 60 profanntwegen wol deckt laßen rüsten und voll hackenschützen setzen, und nitt wyt von Tresen laßen hinziehen, welches die Hußeren gewar worden. Und als si hinus gfallen 16 und die profant wellen rauben, ist die profant läbendig worden, und habend ir bis inn 400 erlegt, die übrigen schandtlich darvon gflohen.

Der churfürst, marggraff Jochim von Brandenburg 17 , hatt hertzog Montzen zugschickt 500 pferdt. Und als si litt wyt von Wittenberg zogen, ist der zusatz 18 zu Wittenberg herus gfallen und si all erlegt.

Martin von Roßow 19 , so ein eignen huffen 20 furt dem keiser 21 , hatt die statt Minden durch hilff deß radts zu Minden ingnom. Als er aber, wyters zu handlen, mitt allem volk dannen zogen, ist die gmein in der statt ufgsin 22 und die fürnempsten deß radts köpft und als 23 , was keiserisch ist gsin, uß der statt gschlagen.

Ein Augspurger 24 , so zu Hamburg ist, hatt har gschriben, wann er dinnen 25 nitt so wol bekant und verwant wer, wurd er zdodt gschlagen, so find 26 sye jederman den Augspurgeren und Ulmeren!

Von Straßpurg schript man, das herr Jacob Sturm vor der gmein nitt dörff uff die gaß gan. 27 Die stett mußend jetz dem keiser vil gschütz gen 28 .

13 Husaren.
14 Hier im Sinne von "videlicet"; s. Stotz IV 377, Nr. 95.1, Anm. 39.
15 Dresden. -Zwischen dem 8. und dem 14. April versuchte der Kurfürst einen Angriff auf Dresden, der allerdings erfolglos blieb; s. Oswald Artur Hecker, Dresden im Schmalkaldischen Kriege (1547), in: Dresdner Geschichtsblätter, Jg. 18/1, 1909, S. 1-11. Ob die hier mitgeteilte Begebenheit stattgefunden hat, muss offen bleiben.
16 hinus gfallen: einen Ausfall gemacht (angegriffen) haben.
17 Kurfürst Joachim II. von Brandenburg, der, obwohl er Protestant war, es mit dem Kaiser hielt.
18 Garnison.
19 Martin von Rossem. -Bei der Nachricht, wonach dieser an der Eroberung von Minden (Nordrhein-Westfalen) beteiligt war, handelt es sich um ein falsches Gerücht, denn Bürgermeister und Rat von Minden ergaben sich im Februar 1547 vor dem Befehlshaber Jobst von Cruningen;
s. Wilhelm Schröder, Chronik des Bistums und der Stadt Minden, Minden 1886, S. 457f; Moritz von Sachsen PK 259, Nr. 354.
20 Haufen (Kriegsvolk).
21 Karl V.
22 aufständisch gewesen; s. SI VII 1042.
23 alles. - Ein falsches Gerücht.
24 Unbekannt. 25 darinnen (in Hamburg).
26 feindlich gesinnt.
27 Siehe dazu HBBW XIX 468,251, wo Ludwig Lavater sich kritisch über Jakob Sturm äußert. Siehe ferner PC IV/1 692, Anm. 2; 694, Nr. 615. - Sturm war einer der an den Kaiser gesandten Ratsherren, die die Unterwerfung der Stadt ausgehandelt hatten; s. ebd., 369, Anm. 24; 422, Anm. 27. Der Straßburger Bevölkerung wurden die Friedensbedingungen verschwiegen, damit es nicht zu einem Aufruhr käme; s. ebd., 468,7f.
28 geben. - So verlangte der Kaiser nicht nur 30'000 oder 36'000 Florin (Gulden) von Straßburg, sondern auch 12 Kanonen


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||2814v. Zu Franckfurt habend etlich deß radts etwas verretery angricht, man sagt, dem landtgrafen 29 die statt zu übergeben. Deß ist der von Büren 30 , so darinn ligt, gewar worden und bis inn 16 deß radts gfangen. Was gehandlet werd, ist ungwüß. Man hatt daruff hie und in anderen stetten die wachten gesterckt.

Es hatt auch der oberst 31 , so hie ligt, den burgermeisteren 32 ins angsicht gsagt, es thüy nitt güt: der Schertli und si liggend noch under einer decki! Er ist jetz zweimal an miner predig gsin. Klagt nüt, dann 33 das ich ein Schwytzer bin. 34 Sin pfaff 35 darnebend 36 halt dapfer mäß. Gat vil volks zu imm. Ich sorg, man werd imm in kurtzem ein kilch ingen 37 .

Ich schrib minen herren 38 litt gern, damitt man mirs nitt aber 39 rechne wie vor 40 . Welt gern, si thetind sonst als vätter, bewartind ir und unser eer, und so sich gelegenheit zutrüg, uns beschicktind 41 . Ich wil lieber hie eerlich sterben, dann mitt schanden heimkommen. Mine jar 42 sind bald us. Dann könnend si mitt güten fügen 43 mir und men helffen. Ich weiß vil redlicher lüten, die do turet das ich mich also under disem volk lyden 45 . Meinend, ich hab meer fryheit hinzuziehen, dann ich hab. Ich befilchs glich dem herren. Bschickend mich mine herren, so fröwts mich; wo nitt, so geb mir nun gott gnad, min ampt mitt allen trüwen zu verrichten bis ins end. Wenn ich mee 46 minen herren schrib, so sol es ein gwüß zeichen sin, das es ubel umb mich stat.

mit entsprechender Munition: s. ebd., 347, Anm. 16.
29 Philipp von Hessen. - Zu diesem Vorfall s. Nr. 2882, Anm. 4.
30 Maximilian von Egmont, Graf von Büren.
31 Der kaiserliche Oberst Bernhard von Schaumburg; s. HBBW XIX 254, Anm. 42; 400,82-85; 414,26.
32 Jakob Herbrot und Hans Welser; s. HBBW XIX 99, Anm. 35.
33 als.
34 Der Oberst besuchte Hallers Predigten des Weiteren am 23. April und am 1. Mai; s. Nr. 2894,50-67. 73-78.
35 Unbekannt; s. HBBW XIX 388, I 7f.
36 In einer Kapitelstube des Kollegs St. Ulrich (s. ebd.), also nicht weit von der Moritzkirche, in der Haller predigte.
37 in Besitz geben (assignare); s. SI II 82.
38 Dem Zürcher Rat.
39 wieder.
40 Als er beschuldigt wurde, nur mit dem Mund tapfer zu sein; s. HBBW XIX 235f; 251-253. Vgl. ferner Nr. 2894,117-123.
41 (nach Hause) rufen würden; s. SI VIII 523f. - Neben Haller befand sich damals noch der Zürcher Pfarrer (Hans) Thoman Ruman (Römer) in Augsburg. - Lorenz Meyer (Agricola) und Rudolf Schwyzer d.À. waren bereits am 5. März nach Zürich abgereist; s. HBBW XIX 24.
42 Die im November 1545 beginnenden zwei Jahre, für die Haller der Augsburger Kirche geliehen wurde; s. Bähler, Haller 4; HBBW XV 649, Anm. 1.
43 mitt güten fügen: mit gutem Grund; s. SI I 699f.
44 die do turet: die Mitleid haben; s. SI XIII 1305f.
45 mich lyden: ausharre; s. SI III 1090. - Die Endung "-en" ist eine alemannische Nebenform der 1. Person Singular Indikativ Präsens; s. Oskar Reichmann und Klaus-Peter Wegera, Frühneuhochdeutsche Grammatik, Tübingen 1993, S. 239, § M 88.
46 wieder; s. SI IV 367.


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Das der künig von Franckrych 47 tod sye, ist gar gmein 48 . Wundert mich, das ir nüt darvon gwüßt hand, als ir den nechsten 49 brieff gschriben. 50

Frechtus 51 schript uns, das die sag sye, der papst 52 sye dodt und werde unser bischoff von Augspurg 53 geforderen zur wellung 54 . An dem sol nüt sin, wie ir mir schribend 55 , von den 7'000 Italieneren. Man hatt hie schriben von Venedig, Genua, Mantaw, Mailand und Parma: Wirt sin 56 aber in keinem gedacht.

Den keiser sagend etlich, noch zu Eger sin, 57 etlich, das er profannt halb, diewyl imm die Behem 58 nüt lassend zugan, hinder sich ruck wider uff Regenspurg. Ich glaubs aber nitt, dann 59 die keiserschen gebend unerhört lugen uß, ir sach ettlichermaß zu schönen.

Das decretum sextae sessionis concilii Tridentini "De iustificatione"ist zu Venedig truckt. 60 Hab ein exemplar gsehen, mag mir aber sonst keins werden. Ist eben eins von Padua ||2815r. hargschickt. Frechtus schribt, das sibend

"De sacramentis" sye auch verhanden. 61 Ich habs aber nitt gsehen.

Naogeorgus 62 scripsit eruditissimum carmen de novo papatu, Lutheranorum videlicet. Quamprimum mihi data fuerit describendi facultas, mittam. 63

47 Franz I. - Siehe Nr. 2877, Anm. 20.
48 allen bekannt.
49 letzten.
50 Erst am oder kurz vor dem 15. März hatte Bullinger davon erfahren; s. Nr. 2881,40-46.
51 Martin Frecht.
52 Paul III. - Er starb 1549. 53 Kardinal Otto Truchsess von Waldburg.
54 (Papst)wahl.
55 In Nr. 2877,38-40.
56 dessen.
57 Siehe dazu Nr. 2880, Anm. 12.
58 Böhmen. -Vgl. Nr. 2880,22f.
59 denn.
60 Das seit 13. Dezember 1545 tagende Konzil von Trient; s. HBBW XV 98f, Anm. 24. Am 13. Januar 1547 war die sechste Sitzungsperiode eröffnet worden; s. CTV 790-811, Nr. 318.- Gemeint ist hier folgender Druck: Decretum de justificatione, unanimi consensu omnium patrum approbatum et publicatum in sexta publica sessione sacrosancti oecumenici et generalis Concilii Tridentini, Venedig 1547 (EDIT16, CNCE 14664; 12946). - Der während dieser Sitzung verabschiedete Text ist in CTV 790-811, Nr. 318, veröffentlicht. - In der von Francisco de Enzinas besorgten Ausgabe
der ersten sechs Konzilsdekrete (s. dazu HBBW XVIII 214f, Anm. 5) ist eine ältere Form des sechsten Dekrets gedruckt, nämlich die, die am 24. Juli 1546 von den Deputierten vorgeschlagen worden war; s. Acta concilii Tridentini, Basel 1546 (VD16 K2063), f. k3v.-m8r.; CT V 384-391, Nr. 160.
61 Die siebte Sitzung des Konzils begann am 3. März 1547; s. CTV 995-1007, Nr. 395-397 (das Dekret ist unter Nr. 395 abgedruckt). Ein zeitgenössischer italienischer Druck konnte nicht ermittelt werden. In welchem Monat die Ausgabe Ingolstadt 1547 (VD16 K2077. 2080. 2084) erschien, ist unbekannt; die Ausgabe Köln 1547 (VD16 K2078. 2081. 2085) erschien erst im August.
62 Thomas Naogeorg (Kirchmeyer).
63 Angesichts der Tatsache, dass damals die deutschen Protestanten vonseiten der Altgläubigen einer großen Gefahr ausgesetzt waren, erscheint eine Veröffentlichung dieser innerprotestantisch-polemischen Schrift zu diesem Zeitpunkt eher unwahrscheinlich. Jedenfalls ist kein Druck mehr davon bekannt. Auch ließ sich keine handschriftliche Fassung davon in den Zürcher Beständen des StA und der ZB ermitteln. - Das "carmen" ist nicht mit


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Non memini praeterea me quicquam habere novi, nisi quod Musculus 64 et Cellarius 65 maximas vobis habent et agunt gratias, quod ita offertis vestra ipsis officia, 66 idem vobis, si ita contingeret (quod deus avertat!) praestaturi.

Salutant vos fratres omnes, maxime Lepusculus 67 et Romanus 68 . Si vos quid novi habueritis, facite me certiorem; varia ehm de Helvetiorum apparatu dicuntur. Omnes ex me certa audire cupiunt. Rogo ergo, ut ex vobis habeam, quae aliis dicere possim. Salvos etiam omnes vos cupit d. Xystus 69 et d. Nicolaus Maior 70 , quibus nunc in eodem cohabito collegio. 71 Saluta meo nomine fratres et patres una omnes. Cuperem a d. Pellicano et d. Theodoro 72 etiam aliquando vel unam saltem habere literam, si literas scribere non vacet. D. Gessnero dicas, quaeso, mihi magnam esse spem impetrandi Philonem Graecum ex bibliotheca. 73

dem Pasquill "De novo papatu" zu verwechseln, das viel später von Georg Frölich verfasst wurde und in Hinblick auf eine etwaige Veröffentlichung im August 1560 Thomas Blarer zugeschickt wurde, welcher es an seinen Bruder Ambrosius weiterleitete, der es wiederum Bullinger zur Begutachtung borgte; s. Blarer BW III 536f. 539, Nr. 2274f. 2278 (eine handschriftliche Fassung dieses ebenfalls ungedruckt gebliebenen Pasquill s wird in dem von Theodor Zwinger erstellten Inventar des Nachlasses vom Basler Drucker Johannes Oporin ohne Autorenangabe als "Pasquillus de novo papatu" aufgeführt; s. Carlos Gilly, Die Manuskripte in der Bibliothek des Johannes Oporinus, Basel 2001, S. 109, Nr. 97.13, wo aber das Pasquill noch keinem Autor zugeschrieben werden konnte).
64 Wolfgang Musculus.
65 Michael Keller.
66 Vgl. Nr. 2877,28f.
67 Pfarrer Sebastian Lepusculus (Häslin), den die Basler an die Augsburger ausgeliehen hatten; s. HBBW XVII 519, Anm. 82; HBBW XVIII und XIX Reg.
68 Der zweite aus Zürich entsandte Pfarrer (Hans) Thoman Ruman (Römer).
69 Der in Augsburg wirkende Schulrektor Sixt Birck (Betuleius).
70 Der Stadtadvokat von Augsburg, Nikolaus Müller gen. Maier.
71 Gemeint ist das sog. Wunderhaus beim Kollegium St. Anna; s. HBBW XIX 463, Anm. 17. - Zu Hallers Wohnorten in Augsburg s. ebd., Anm. 19.
72 Theodor Bibliander.
73 Hier ist die Rede von einem Handschriftenband mit Abhandlungen des Philo von Alexandrien, der Teil der 1544 durch die Stadt Augsburg erworbenen griechischen Handschriftensammlung des Gelehrten Antonios Eparchos (1491-1571) von Korfu war; s. Helmut Zäh, Wolfgang Musculus und der Ankauf griechischer Handschriften für die Augsburger Stadtbibliothek 1543/44, in: Wolfgang Musculus und die oberdeutsche Reformation, hg. y. Rudolf Dellsperger, Rudolf Freudenberger u. Wolfgang Weber, Berlin 1997, 5. 226-245. Dass solch ein Band Teil dieses Ankaufs war, geht aus dem von Musculus angelegten Inventar dieser Sammlung hervor, das Brigitte Mondrain, Antoine Eparque et Augsbourg: le catalogue de vente des manuscrits grecs acquis par la ville d'Empire, in: Bollettino della Badia greca di Grottaferrata 47, 1993, S. 227-243, veröffentlicht hat. Zum Inhalt der Philo-Handschrift s. David Hoeschel, Catalogus graecorum codicum, qui sunt in Bibliotheca Reipublicae Augustanae Vindelicae, Augsburg 1595 (VD16 H4095) S. 41f, Nr. LXX. - Die Beobachtung, dass in Hieronymus Wolf Catalogus graecorum librorum manuscriptorum Augustanae Bibliothecae (VD16 W4201), Augsburg 1575, vier Werke aus Musculus' Liste fehlen, erfordert nicht zwingend den von Mondrain (auf S. 243) geäußerten Schluss, die von Musculus erstellte Liste sei nicht die Liste der tatsächlich in Augsburg eingetroffenen


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Vale. 19. aprilis 1547 Augustae Vindelicorum.

Tuus ex animo b. H.

Iuvenes illos, per quos has tibi mitto, commendo tibi. Sunt ecclesiae nostrae alumni et stipendiatae. Tubingam eos erant missuri, sed impetravi una cum Xysto apud scholarchas, ut Basileam mittantur. 74 Tigurum misissent, nisi illi, ut iuvenes solent, libentius primo in academia publica versarentur. Es facht 75 inen an, die wittenbergisch schwermery redlich erleiden 76 . Gott sy glopt, wiewol wir nitt gar rein sind.

[Adresse auf der Rückseite:] Clarissimo praestantissimoque viro d. Heinrycho Bullingero, Tigurinae ecclesiae summo antistiti, domino et patri suo observando. Zürich an m. Heinrych Bullinger. 77

Handschriften. Nur schon aus vorliegender Stelle wird deutlich, dass einige der von Augsburg erworbenen Handschriften ausnahmsweise an einzelne Personen ausgeborgt wurden, so dass es durchaus zu Verlusten gekommen sein könnte. So war zu Beginn des Jahres 1550 Philos Handschrift noch immer nicht nach Augsburg zurückgelangt; s. Konrad Gessner an Musculus, 21. Februar 1550 (Autograph: Zofingen StB, Pa 14.1, Nr. 65).
74 In dem sich vom 1. Mai 1546 bis 30. April 1547 erstreckenden Schuljahr sind in der Basler Matrikel 36 Einträge verzeichnet (s. M-Basel I 46-49), von denen die Einträge 34 und 36 die der Augsburger Studierenden Johannes Lukas Welser (1531-1610) und des späteren Basler Professors Johannes Nis(a)eus (ca. 1527- 1599) sind. Da aber der Sohn der reichen Familie Welser, der in Augsburger Eliten 939, LI, als Katholik aufgeführt wird, kein Stipendium der Augsburger Kirche erhalten haben wird, da ferner diese Studierenden in den ihnen von Sixt Birck für Bonifacius Amerbach mitgegebenen Empfehlungsschreiben vom 19. April als "adolescentuli pauperculi" bezeichnet werden, deren Stipendium entweder aus dem Armentopf oder von Mäzenen finanziert wird (AK VI 444, Nr. 2933). sind die im vorliegenden Brief erwähnten Studierenden
eher in der Matrikel des Schuljahrs vom 1. Mai 1547 bis 30. April 1548 zu suchen. Dort sind an 14. und 16. Stelle die Augsburger Daniel Moser und Hieronymus Peyer (oder Baier/Bayer) (in der Basler Matrikel: "Hieronymus Bavarus Augustanus") angeführt. Aus Bircks Brief geht aber hervor, dass es sich um mehr als zwei Studenten handelte. So wird den zwei letzten Studierenden noch der letzteingetragene Student der Matrikel des vorhergehenden Semesters, nämlich Nisaeus, hinzuzurechnen sein (in AK VI wurde Peyer übersehen und erst in AK VII 4, Anm. 6, wahrgenommen). - Daniel Moser ließ sich 1553 in Tübingen und 1558 in Wien als Student und beide Male (wie schon in Basel) unter den Namen "Daniel Moser Augustanus" eintragen (s. M-Tübingen I 370; M-Wien III 119), und Hieronymus Peyer ließ sich schon Ende 1549 in Wien (auch unter dem Namen "Hieronimus Bavarus Augustanus") immatrikulieren (s. M-Wien III 88). Uber ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt.
75 fängt.
76 redlich erleiden: überdrüssig zu werden.
77 Dieser Brief wurde höchstwahrscheinlich von den Studenten Daniel Moser, Hieronymus Peyer und Johannes Nisaeus überbracht; s. oben Anm. 74.