Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2949]

[Johannes Gast]
an Bullinger
Basel,
14. Juli 1547

Autograph: Zürich StA, E II 366, 193 (Siegelspur) Ungedruckt

[1] Ais Antwort auf Bullingers Frage [in Nr. 2934] teilt Gast mit, dass er das Geld für die Wolle erhalten hat. Seine Frau [Apollonia, geb. Glaser] dankt für das Geschenk, aber es war zuviel des Guten! Sie wird sich dafür demnächst anderweitig bei Bullingers Frau Anna [geb. Adlischwyler] revanchieren. -[2]In Basel gibt es nur unverbürgte Gerüchte. Sicher ist aber, dass ein Priester [...] dieser Tage elend im Sundgau gestorben ist. Früher war er Dominikanermönch in Basel, trat aus dem Kloster aus, wurde Barbier, hatte einige Jahre eine eigene Barbierstube inne und besuchte sogar Vorlesungen in Medizin. Aber der Teufel verführte ihn wieder zum Papismus. Er verließ seine Frau [...] (die bei einem solchen Schurken nicht bleiben wollte) und übernahm ein Pfarramt. Elf Jahre lebte er im Papismus, in Unzucht und Trunksucht, ohne jede Scham. Dann wurde er krank und lag lange darnieder. Seine Magd [...] verließ ihn auch noch. Da er ein ländliches Pfarramt versah, musste der Armselige allein und von allen verlassen zuhause sterben. Die Bäuerinnen legten seinen Leichnam am Tag vor der Beerdigung auf den Boden, aber nachts kamen Schweine ins Haus und fraßen seinen Kopf und die Hände. So strafte der Herr ihn noch über den Tod hinaus! -[3]Herzog Wilhelm IV. von Bayern wurde von Kaiser Karl V. beauftragt, Kavallerie und Infanterie nach Neapel und Bologna zu schicken. Er scheint dabei die von Sultan Suleiman ausgehende Gefahr zu missachten! Um Basel treiben sich einige Hauptleute herum, die dem Kaiser nicht dienen wollen. Was sie vorhaben, weiß keiner. -[4] Der Basler Rat hat in allen Zünften ein Mandat gegen Trunksucht und Gotteslästerung ergehen lassen. Hoffentlich sorgt er auch für dessen Einhaltung! -[5]Gruß. Alles Weitere wird Myconius berichten [nicht erhalten].

Salvus in domino. Ich hab das gelt umb 1 die wollen entpfangen, wie jr geschriben handt, 2 und myn hußfrow 3 sagt uch grossen danck umb die eherenschencky 4 , deren zu vil ist! Aber sy wills in nachgender zytt verschulden umb uwer 5 liebe hußfrowen 6 inn ein anderen weg und das ouch bald, etc.

Novi nihil habemus. Rumusculi passim volitant, sed incerti sunt. Quidam sacrificulus 7 (hoc certum est) a hiis diebus in Sungavio 8 obiit miserrime. Fuit

f Darüber von Bullingers Hand: Pauli Schiller zu Glarus. -
a Klammern ergänzt.
1 für.
2 Diese Stelle ist als Antwort auf die in Nr. 2934,37f, geäußerte Frage zu verstehen. - Zur Angelegenheit s. zuletzt Nr. 2923.
3 Apollonia, geb. Glaser.
4 Ehrengeschenk; s. SI VIII 964.
5 verschulden umb uwer: vergelten eurer.
6 Anna, geb. Adlischwyler.
7 Unbekannt. - Die nachfolgende Begebenheit findet sich auch in Gasts Tomus secundus Convivalium sermonum, Basel 1548 (VD16 G528), S. 146, doch auch dort wird der Name nicht angeführt.
8 Sundgau (im südlichen Elsass).


Briefe_Vol_20-304arpa

ohm monachus praedicatorii ordinis 9 Basileae, qui vestem monachalem abiecerat et tonsoriam artem didicerat, ut propriam apud nos haberet tonstrinam 10 ad annos aliquot, lectiones medicas etiam visitaret. Sed satana illum decipiente papismo iterum adhesit et relicta uxore 11 pastoris officium subiit. Uxor noluit nebulonem sequi. Vixit 11 annis in papismo, in scortatione, ebrietate. Nihil scelerum illum puduit. Verum incidit in morbum gravissimum ac diu decubuit. Famula 12 illum dereliquit. Onus fuit rusticus, sicque miser relictus ab omnibus solus domi mortuus est, quem rusticae mulieres in pavimentum domi posuerunt, crastinum diem expectantes sepultura. Sub noctem autem sues in domum venerunt ac caput illius ac manus devoraverunt - crudele spectaculum! Sic deus ultus est illius perfidiam etiam post mortem.

Bavarus 13 equites et pedites in Italiam mittit Neapolitanis 14 aut Bononiensibus helium illaturus nomine caesaris 15 . Turcam 16 floccifacit 17 , utinam non suo maximo damno. Multi capitanei apud nos sunt, qui caesari nolunt servire. Hic inde vagantur. Nescio quid moliuntur. 18

Christianissimum mandatum noster senatus divulgavit in omnibus tribubus 19 contra ebrios et blasphemos. 20 Utinam pergat in exequendo! Vale. Reliqua Myconius. 21 Basileae, 1547, die 14. iulii.

[Ohne Unterschrift.]

[Adresse auf der Rückseite:] Dem wolgelerten herren meyster Heinrichen Bullinger, lutpriestern zu Zurich, mynem lieben günstigen herren zu handen. Zurich.

9 Das Dominikanerkloster in Basel war 1529 aufgehoben (säkularisiert) worden. Der Austritt dieses Mönches muss also um diese Zeit erfolgt sein.
10 Barbierstube.
11 Unbekannt.
12 Unbekannt.
13 Herzog Wilhelm IV. von Bayern.
14 Zu den dortigen Unruhen s. zuletzt Nr. 2915 und Nr. 2929,6.
15 Karl V.
16 Sultan Suleiman I. - Am 19. Juni 1547 wurde in Konstantinopel im Namen des Kaisers und des Königs Ferdinand ein fünfjähriger Friedensvertrag mit dem Sultan geschlossen. Der Vertrag wurde vom Kaiser und König sowohl gegenüber den Ungarn als auch den Reichsständen
geheim gehalten. Der Kaiser sollte ihn am 1. August in Augsburg ratifizieren und der König am 26. August in Prag. Dieser Frieden sollte allerdings nicht solange währen; s. Ernst Dieter Petritsch, Der habsburgisch-osmanische Friedensvertrag des Jahres 1547, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs XXXVIII, 1985, S. 49-80 (mit Textausgabe des Vertrages); Petritsch, Regesten 50f, Nr. 93.
17 verachtet; s. Kirsch 1213.
18 Vgl. die Verweise in Nr. 2919, Anm. 9; Nr. 2971, Anm. 18; Nr. 2994,19f.
19 Zünften; s. Kirsch 2877.
20 Ein nicht mehr bekanntes Mandat.
21 In einem nicht erhaltenen Brief; vgl. Nr. 2954,1.