Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2964]

Johannes Blasius
an [Bullinger]
Chur,
25. Juli 1547

Autograph: Zürich StA, E II 365 a, 452f (ohne Siegelspur) a Druck: Graubünden, Korr. I 109, Nr. 83

[1]Blasius hat Bullingers Schreiben [nicht erhalten]auftragsgemäß dem Churer Bürgermeister Luzi Heim und anderen Vertrauenspersonen übermittelt. In ihrem Namen soll sich Blasius bei Bullinger bestens bedanken. -[2]Ebenso schickt er ihm die zwei Abschriften 2 zurück, die er im Auftrag des Bürgermeisters Heim kopiert hat. In der Hoffnung, es werde zum Guten gereichen, wird dieser am kommenden Beitag 3 den Inhalt jener Dokumente den Abgeordneten

a Textverlust bei der Entfernung des Siegels. -
a Ohne Schnitt- und Nadelspuren.
21 Blarers Gattin unternahm offensichtlich nach der oben in Anm. 12 erwähnten Hochzeit eine Badekur in Baden. Dies geht auch aus dem Umstand hervor, dass kurz danach Bullinger ihr ein Geschenk zukommen ließ; s. Nr. 2980,38f. -Möglicherweise kurte sie in Begleitung von Marcell Dietrich von Schankwitz und dessen Frau, die ebenfalls um diese Zeit in Baden nachgewiesen sind; vgl. Nr. 2968,38.
22 Thomas Blarer.
23 Der vorliegende Brief wurde vom jungen Maximilian Seemann nach Zürich befördert; s. oben Z. 10.
1 Dass Bullinger der Empfänger ist, ergibt sich aus dem Inhalt.
2 Es handelt sich dabei wahrscheinlich um den Brief des Kaisers an die Eidgenossen vom 27. Juni 1547 und die entsprechende Antwort der Eidgenossenschaft vom 9. Juli 1547. Vgl. nämlich Nr. 2963,17. - Zu diesen Briefen s. Nr. 2954, Anm. 11, und Nr. 2958, Anm. 7.
3 Als Beitag wurde das Treffen der Häupter der Drei Bünde bezeichnet. Zu den drei Häuptern gehörten der Landrichter des Grauen Bundes, der Bundspräsident des Gotteshausbundes (Bürgermeister von Chur) und der Bundslandammann des Zehngerichtebundes (Landammann von Davos) sowie einige zusätzliche Abgeordnete. Der Beitag, der sich jährlich mindestens drei Mal versammelte, fungierte als eine Art Exekutive. Er ist nicht mit dem Bundestag (das wichtigste Gremium der Drei Bünde) zu verwechseln, der sich aus 63 bzw. 65 Abgeordneten der 52 Gerichtsgemeinden zusammensetzte; s. HLS V 629. 631; Handbuch der Bündner Geschichte, Bd. 2, Chur 2000, S. 106. - Der hier von Blasius angesprochene Beitag war für den 27. Juli in Chur einberufen; s. Materialien zur Standes- und Landesgeschichte gemeiner III Bünde (Graubünden) 1464-1803, hg. y. Fritz Jecklin, Bd. 1, Basel 1907, S. 132, Nr. 618/2; Bd. 2, Basel 1909, S. 223, Nr. 232. - Dieser Beitag diente wohl als vorbereitende


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mitteilen. Auf dem Beitag soll nämlich die gegenwärtige Lage besprochen werden. -[3]Aus Italien wird gemeldet, dass Papst Paul III. und die Venezianer mit dem französischen König Heinrich II. ein Bündnis geschlossen, haben, 4 ferner, dass Karl V. den [illegitimen] Sohn des Papstes, Pier Luigi Farnese, Herzog von Parma und Piacenza, in Mailand öffentlich als Verräter habe erklären lassen, weil dieser ihn in Genua verraten wollte. 5 -[4]in Meran und Bozen hätten sich Truppen einfinden sollen. Dazu kam es aber nicht, weil die Einberufung unerwartet wieder abgesagt wurde. -[5]Den an den Zürcher Bürgermeister Haab 6 geschickten Brief hat Blasius nicht zu Gesicht bekommen. Die Getreideführer, bei denen sich Blasius diesbezüglich erkundigt hat, denken, dass Haab den Brief bereits von einem ihrer in Fideris wohnenden Kollegen erhalten habe. Die Ratsherren von Chur haben sich um ein gejagtes Wild für Haab bemüht, uni es diesem zu verehren, allerdings konnten sie bisher zu keinem solchen gelangen. Deshalb haben sie Heim mit einem für Haab bestimmten Saum 7 italienischen Weins nach Fideris gesandt, um diesen, auch im Namen des Abgeordneten des Königs von Frankreich in Graubünden [Jean-Jacques de Castion]8 nach Chur einzuladen. Man ist also der Meinung, dass Haab dieser Einladung folgen wird. Wenn er kommt, wird man ihn in Chur wohl gebührlich empfangen. -[6]Johannes Comander und alle andern erwidern Bullingers Gruß.
Sitzung des bevorstehenden Bundestages, zu dem sich alle Betroffenen spätestens am 15. August in Chur einfinden sollten. Die Sitzungen des Bundestages begannen am 16. August. Die dort gefassten Beschlüsse (Beschluss 2: Verbot, den römischen Kaiser und König oder andere fremde Herren mit übler Nachrede zu beleidigen; Beschluss 5: Bestellung von Waffen, namentlich 200 Harnische und 100 Halenbarten für jeden Bund; Beschluss 6: Erneuerung der Bände mit Frankreich; Beschluss 9: Aufforderung an die Gemeinden, sich kriegsbereit zu halten) zeigen, dass man die Gefahr von Seiten des Kaisers ernst nahm und man die von Bullinger gesandten Briefe in diesem Rahmen vermutlich auch zur Kenntnis genommen hat; s. Materialien, Bd. 1, S. 132; Bd. 2, Basel 1909. 5. 223-226, Nr. 233.
4 Ein falsches Gerücht; vgl. Venetianische Depeschen II, 297, Anm. 5.
5 Karl V. wollte die Übertragung von Parma und Piacenza an Pier Luigi Farnese nicht anerkennen und befürwortete deshalb dessen Sturz. Unter maßgeblicher
Beteiligung des kaiserlichen Statthalters in Mailand, Ferrante I. Gonzaga, sollte Pier Luigi am 10. September 1547 in Piacenza ermordet werden; s. Pastor V 619- 623; Maria José Bertomeu Masiá, La guerra secreta de Carlos V contra ei Papa. La cuestión de Parma y Piacenza en la correspondencia del cardenal Granvela, Valencia 2009; Nr. 3043, Anm. 4. - In Zürich ZB, Ms A 43, 45f, haben sich von einer unbekannten Hand mehrere feindselige Distichen auf den Tod dieses Fürsten erhalten.
6 Johannes Haab weilte damals in Fideris (Prättigau); s. Nr. 2956 und Anm. 2.
7 In Chur entsprach damals ein Saum 90 Maß, und da für Chur eine Maß etwa 1,35 Liter betrug, ist hier von etwa 121 Litern Wein die Rede; s. Simon Fümm, Über Maße und Gewichte im alten Graubünden, in: Bündnerisches Monatsblatt, Jg. 1948, Nr. 8, 5. 229. 231.
8 Er war mit kurzen Unterbrüchen zwischen 1536 und 1553 Gesandter des französischen Königs beim Freistaat der Drei Bünde; s. SI III 239 und Rott, Représentation I 495-499.