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Autograph: Zürich StA, E II 359, 3063r.-3064v. [Anfang] und E II 370, 65 [Schluss](Siegelspur) Ungedruckt
[1] Obwohl Hailer täglich auf seine Rückberufung nach Zürich wartet (anderenfalls hätte er
schon längst Augsburg auf eigene Initiative verlassen), will er über die Lage in Augsburg
berichten, zumal er weiß, wie sehr Bullinger und einige Ratsherren daran interessiert sind. Es
bietet sich ihm nämlich dieser eidgenössische Bote [...] an, der den Brief der Eidgenossen an
den Kaiser [vom 9. Juli]mitgebracht hat. Er hofft, dass vorliegender Brief bei diesem Boten in
sicheren Händen sein wird. - [2] Am 21. Juli, als Thoman Ruman sich noch in Augsburg
befand, ist Fernando Alvarez de Toledo, Herzog von Alba und oberster militärischer Befehlshaber
über das spanische und italienische Kriegsvolk, mit ungefähr 1'000 Pferden, seinem
ganzen Gefolge und vielen anderen Fürsten, deren Namen Haller nicht alle kennt, in Augsburg
angekommen. Die Reiter waren mit Gewehren, nicht mit Spießen bewaffnet. Der Herzog von
Alba ist im Haus des Bürgermeisters Hans Welser einquartiert, von wo man heimliche Gänge
bis zum Haus von Anton Fugger eingerichtet hat, damit Herzog, Kaiser und König Ferdinand
jederzeit zusammenkommen können. - [3]Am Montag davor [18. Juli] ist der Bischof von
Augsburg, Otto Truchsess von Waldburg, eingetroffen. Er logiert in der bischöflichen Residenz
in Augsburg. -[4]Am 22. Juli reiste Ruman aus Augsburg ab. Alle sind der Auffassung, dass
er richtig gehandelt habe, und fragen sich hingegen, ob Haller, der geblieben ist, obgleich er
ja auch gute Grunde gehabt hätte wegzugehen, nicht verrückt sei. Doch bemüht er sich,
sowohl Gott als auch den Behörden Genüge zu tun, und schadet sich vermutlich selbst dabei.
-[5]Am 23. Juli gegen 12 Uhr begann der Einzug des kaiserlichen Zugs in Augsburg, allen
voran die 10 in der Stadt bereits einquartierten Fähnlein, die durch die Stadt eine Gasse
bildeten, durch die der Kaiser zog. Darauf folgte ein großer Tross mit Mauleseln und Wagen,
der von 200 mit Hakenbüchsen ausgerüsteten Kriegsknechten begleitet war. Dann kamen, in
Schwarz gekleidet, die Augsburger Hauptleute und Stadtsöldner, die dem Kaiser entgegengeritten
waren. Danach kam die niederländische Kavallerie, sodann das kaiserliche Banner
mit dem Adlersymbol, begleitet von einigen Herren. Ein wenig später ritten die drei Augsburger
Bürgermeister [Altbürgermeister Georg Herwart und die beiden Bürgermeister Jakob
Herbrot und Hans Welser] und einige Ratsherren ein, die zuvor den Kaiser [vor der Stadt]
empfangen hatten. Darauf folgten die Trommler und Trompeter, dann der kaiserliche Marschall
[Wolfgang von Pappenheim], der vor dem Kaiser ein bloßes Schwert vorantrug. Ihm
folgte der von 300 Wachsoldaten umgebene Kaiser. Er trug einen nur mit einer kleinen Kette
geschmückten schlichten Samtrock und ritt auf einem Pferd, ohne Decke und Reitzeug. Er
blickte stolz um sich. Ihm folgte der Bischof von Augsburg mit Kardinalshut und rotem Mantel,
danach andere Bischöfe und Geistliche, sodann Maximilian, der Sohn König Ferdinands, viele
ausländische und deutsche Fürsten, darunter Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach
und Landgraf Christoph von Leuchtenberg, alle jeweils von viel Kriegsvolk begleitet
(die zwei zuletzt erwähnten Fürsten waren eine Zeit lang Gefangene des Kurfürsten
Johann Friedrich von Sachsen gewesen). Dann kamen die Angehörigen des kaiserlichen Hofs,
etwa 600 berittene Adlige mit ihren eigenen Bediensteten. Die Adligen und ihre Pferde trugen
über ihrem Harnisch eine Kleidung aus braunem und gelbem Samt. Jeder Reiter war mit
einem Gewehr und einem Spieß ausgerüstet. Darauf folgten ausländische Kavalleristen. Der
ganze Umzug dauerte etwa eine Stunde. Dann trafen [Nicole]Madruzzo und seine 10 Fähnlein
ein, was wiederum fast eine Stunde beanspruchte. -[6]Nach dein Einzug kam es zwischen
der Stadtbevölkerung und den einzuquartierenden Neuankömmlingen zu schrecklichen Szenen.
Die Kaiserlichen vertrieben die Leute aus ihren Häusern, rannten die Türen ein, und auchBriefe_Vol_20-357 arpa
jene, die sie gut empfingen, wurden um ihre Betten gebracht und bedroht. Zudem strömen
täglich noch mehr Menschen in die Stadt, und obwohl man diese gerade noch unterbringen
kann, gibt es für Esel und Pferde nirgendwo mehr Platz. Der Kreuzgang des Klosters St. Anna
ist voller Esel, die Tag und Nacht die Messe singen. Von allen gebärden sich die Eseltreiber
am frevelhaftesten. -[7]Zwei Stadtbürger [...] wurden schon erstochen, aber das interessiert
niemanden! Es ist kaum möglich, die Kirche zu besuchen, Haller will aber keine weiteren
Details ausführen. Kaum jeder zehnte von den sich in den Gassen tummelnden Menschen
spricht Deutsch. Ehrenwerte Männer ergreifen mit Frau und Kind die Flucht. Einige haben
zwar versucht, sich beim Rat zu beschweren, doch wurde ihnen nicht weitergeholfen. Und so
verspotten die Kaiserlichen die Hiesigen und drohen ihnen mit Mord und Totschlag, obwohl
sie wahrscheinlich keine Anordnung dazu erhalten haben. - [8] Die Bischöfe und übrigen
Geistlichen werden vom Kaiser gut behandelt, während sich das ganze Volk in den [Häusern
der] Gassen zusammendrängt. Dort, wo die großen Herren untergebracht werden, hält man
Messe. Man hat schon zwei Kirchen [den Augsburger Dom (Frauenkirche) und die Dominikanerkirche
(Predigerkirche)]geräumt, in denen die Kaiserlichen ihren Götzendienst treiben
werden. Möge es dabeibleiben. -[9] Den Predigern wurden Einschränkungen auferlegt. Sie
dürfen niemanden wegen seines Glaubens tadeln, um jeglichen Unmut zu vermeiden. Dies
macht Hallers Aufenthalt in Augsburg unerträglich, unabhängig davon, ob er nun nach Zürich
zurückbeordert wird oder nicht. Alles andere würde er um des Herrn willen gerne ertragen,
wenn er nur frei predigen dürfte. In der gegenwärtigen Lage gebührt es sich allerdings auch
nicht, die Anordnungen der Augsburger Obrigkeit zu missachten und diese zu erzürnen. Deshalb
wäre es besser, gar nicht dabei sein zu müssen. Obwohl auch die Bürgerschaft und der
gemeine Mann unter den Umständen leiden, fragt man sowieso nicht mehr nach den Pfarrern,
zumal der größte Teil, der vom Handwerk lebt, es gut versteht, einen Vorteil aus der neuen
Lage zu ziehen. Auch hat man alle Abendpredigten am Samstag und Sonntag eingestellt, so
dass Haller höchstens noch eine Predigt zu halten hat. Von den Pfarrern wird verlangt, dass
sie in ihren Gebeten nicht bloß für Kaiser bzw. König beten, sondern für die allergnädigste
kaiserliche bzw. königliche Majestät, als ob die kurze Bezeichnung einer Schmähung gleichkäme!
Haller könnte noch vieles über die Augsburger Obrigkeit berichten. Und Gott weiß,
dass er nicht übertreibt und jene nicht verunglimpfen will. Es ist fast unglaublich, wie sehr
sich diese verändert hat. Dies ist der Grund, warum er nicht mehr in Augsburg dienen will.
-[10]Georg Frölich hat [dem Rat] eine Zeit lang zu sehr beigepflichtet. Nun fängt er an zu
merken, wohin das führt. Haller hat ihn brüderlich ermahnt, sich doch in erster Linie an
Christus zu orientieren und sich ehrlich zu verhalten, was er zu beherzigen scheint. Auch
Bullingers [früheres] Schreiben an ihn [nicht erhalten] hat etwas bewirkt. - [1]] Nikolaus
Müller gen. Maier wejß nicht mehr ein und aus. - [12] Man wirft Haller vor, sich bei dem
gemeinen Volk anzubiedern, nicht mehr der Gleiche und zu gutgläubig zu sein. Gott weiß aber,
dass er auf niemanden zählt als auf Gottes Hilfe und Gnade und auf Bullingers Rat. Wenn nur
die Zürcher vormals Haller mehr Glauben geschenkt hätten als den schönen Worten des vom
Augsburger Rat verfassten Briefes [vom 24. Mai]! Dann hätte er sich diese unerbaulichen
Vorwürfe ersparen können. Die Zürcher haben nicht einmal Müller und Michael Keiler geglaubt,
obwohl diese keine Kinder mehr sind! - [13] Vielleicht ist Haller unerwünscht in
Zürich. Sicher ist, dass er sich in Augsburg trotz allen Wirren so verhalten hat, dass Zürich
jegliche Schande erspart bleibt. Er hat sich zwar gelegentlich stärker exponiert ais andere und
war deshalb auch größeren Gefahren ausgesetzt, doch hat er Bullinger stets darüber informiert.
Genug davon! - [14] Was Sebastian Lepusculus widerfahren ist, kann Haller nicht
ausführlich erzählen. Die Spanier sind in sein Haus eingefallen. Als er sich weigerte, ihnen zu
weichen und ihnen dabei alles zu überlassen, haben sie ihn vor den Rat geführt, der den Fall
nicht schlichtete. Er musste alles Holz und allen Wein zurücklassen. Als er sich darüber bei
Herbrot beschwerte, geriet dieser in Zorn und antwortete, dass er gar keine Vorwürfe brauche.
Ja, solche Dinge müssen die Pfarrer über sich ergehen lassen! Solch ein Schutz wird ihnen
gewährt! -[15]Es wäre ehrenvoller fur die Zürcher Obrigkeit, wenn sie Haller nicht länger in
diesem verdrießlichen Zustand ließe. Haller war sonst nicht ungern in Augsburg und würde
auch weiterhin dort bleiben, wenn die Augsburger sich Gott gegenüber treu erwiesen. DennBriefe_Vol_20-358 arpa
das Getue der Fremden könnte er sehr wohl verzeihen. Die Zürcher wissen nun, zumindest
teilweise, wie es in Augsburg steht. Wenn Bullinger es wünscht, kann er Hallers Brief auch
anderen zum Lesen geben. Sein Schreiben entspricht der Wahrheit. Es gäbe viel mehr zu
berichten, als was man einem Brief anvertrauen darf -[16] Am Morgen des 26. Juli sind
Herzog Wilhelm IV. und sein Sohn Albrecht V. in Augsburg angekommen. -[17]Am gleichen
Tag gegen Abend wurde der gefangene Kurfürst von Sachsen auf einem Wagen nach Augsburg
geführt. Er war von 500 spanischen Soldaten (200 Reitern und 300 Infanteristen) bewacht.
Man verwahrt ihn standesgemäß und anständig. Er hat noch viele eigene Bedienstete bei sich.
Alle, sogar die gottlosen Spanier, sind ihm wohlgesinnt und bewundern ihn, weil er sich stets
tapfer verhält und Gottvertrauen bekundet. Als er am Wohnort des Kaisers vorbeigeführt
wurde, ließ letzterer alle Fensterläden schließen und schaute durch eine Glasscheibe hinaus
(viele Leute haben das bemerkt). Ais der Kurfürst seinen Hut zum dritten Mal abnahm, blickte
er [vergebens] zum Kaiser empor. Man ist der Meinung, Karl V. habe sich so benommen, um
dein Kurfürsten nicht die Reverenz erwidern zu müssen. -[18]Landgraf Philipp von Hessen
liegt noch in Donauwörth. Er soll schlecht behandelt werden. Keiner redet gut über ihn oder
wünscht ihm Gutes. Sogar die Ausländer sagen, dass er die Seinen verraten habe. Man ist der
Meinung, er werde noch verrückt. Hailer bedauert, dass Gott ihn so tief fallen ließ. Gott möge
ihn wieder aufrichten! -[19]Herzog Moritz von Sachsen soll beim Kaiser in Ungnade gefallen
sein, und zwar weil Herzog Heinrich d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel ihn beschuldigt,
[1545] seine Gefangennahme durch List betrieben zu haben. Anderenfalls hätte er damals
seinen Widerstand nie aufgegeben. Er soll nun sein Herzogtum wieder zurückerobern
und die Städte Bremen, Braunschweig, Goslar und Minden bedrängen. -[20]Die Kanzlei des
Landgrafen wurde durchsucht und dabei viel Geheimes beschlagnahmt. Man befürchtet, dass
dadurch viele ehrbare Leute zu Schaden kommen werden. -[21] Der Kaiser soll vorhaben,
Herzog Karl III. von Savoyen erneut in seine Territorien einzusetzen und Konstanz zu bestrafen.
-[22] Haller hat sich gefreut, aus Bullingers [letztem]Brief an Frölich [nicht erhalten]
zu erfahren, dass die Eidgenossen zusammenhalten. Gott möge sie darin bestärken,
denn die Kriegstaktik des Kaisers besteht darin, Zwietracht unter den Verbündeten zu stiften.
Wenn aber diese weiterhin Eintracht untereinander beweisen, wird er sie bestimmt nicht angreifen.
-[23]Eine Zeit lang hat man behauptet, Sultan Suleiman habe Pressburg eingenommen,
doch hat sich dieses Gerücht wieder verflüchtigt. - [24] Die Augsburger Kaufleute
berichten, wie die Venezianer um Christi willen verfolgt werden. Mögen Letztere bis zum Ende
Gott bekennen! Amen. -[25]Ansonsten hat Hailer nichts mehr zu berichten. Bullinger lasse
alle Ratsherren, Freunde und seinen Haushalt grüßen und bete für ihn, damit er von diesem
Jammer erlöst werde!
Gottes gnad zuvor. Wiewol ich in hoffnung bin, schier 1 , so es gottes will ist,
bi üch zu sin (dann 2 ich teglich uff miner herren beruffung 3 wart - sonst hett
ich langest auch selbs urlob 4 gnommen) a , doch diewyl ich weiß, das üch und
andere mine herren blanget 5 zu vernemmen, wie es umm uns stande, kan ich
üch solichs nitt verhalten 6 , diewyl sich diser gmeiner Eidgnoßen bott 7 , soBriefe_Vol_20-359 arpa
hiehar an die kei[serlich]m[a]j[esta]t 8 brieff bracht, mir zureit 9 . Dann 10 ich
verhoff, es sye sicher, was ich bi imm schrib.
Uff den 21. iulii, als Romanus 11 noch bi uns gsin, ist duca de Alba 12 kei. mjt. oberster fäldhauptman über das spanisch und italienisch kriegsvolk, hie ankommen ongfar mitt 1'000 pferden und vil troß, auch mitt imm ander fürsten, deren nammen mir nitt all kund. Die rüter fürend all lange handror 13 , kein spieß. Der 14 ligt in deß burgermeister Wälsers 15 hus, uß welchem man heimlich geng gmacht hatt durch ab und ab 16 bis in deß Fuckers 17 hus, darinn der keiser ligt, das er und keiser und künig 18 , der zwüschend dem keiser und duca de Alba liggen wirt, allweg 19 in den hüseren zusamen könnend kon 20 .
Am Montag darvor 21 ist der bischoff von Augspurg 22 kon 23 , wie ich üch vor 24 gschriben. Der ligt uff der pfaltz 25 . Am 22. iulii zoch Romanus hin. 26 Sagt jederman, er hab imm recht thon 27 , und ob ich nitt unsinnig sye, der ich so gute ursach hab und solche occasion hin laß gon? Ich wellt aber allweg gern thun, das gott und dwält vernügt 28 wer; fürcht aber selb, ich versum 29 mich damitt.
Am 23. umb 12 zu mittag hub deß keisers volk an herin ziehen 30 . Erstlich die 10 fennli, so inn der statt glegen, zugend vorhar und machtend ein gaß mitten durch die statt hinuf, das der keiser mitten durch si ryten mußt. Uff si kam ein großer troß von mulesel und wegen. Die bleitetend 31 bis inn 200 haggenschützen. Darnach ritten unser hauptlüt und stattsöldner, so hinus gritten, dem keiser engegen, all in schwartz nüw kleidet. Uff si der nider
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lendisch reisig zug 32 (kan litt schetzen, wie vil ir gsin). Uff si das keiserisch paner mitt dem adler und ettlich herren damitt. Darzwüschend was ein klein interstitium. Darnach rittend dry unser herren burgermeister 33 und uff si die herren vom radt, so die kei. mjt. empfangen. Nach inen 3063v. die heerpaugge 34 und trummeeter 35 . Darnach deß keiserß marschalk 36 . Fürt imm ein bloß schwert vor. Und uff denselben der keiser mitt den trabanten 37 , deren 300 sind, gar schlecht 38 in eim sammatin lybröcklin und klein kettenlin darüber (sonst weder gold noch silber, auch das pferd uffs aller schlechtist, on decke und on greit 39 ). Sach freidig 40 umb sich in alle hüser. Uff inn der bischoff von Augspurg im cardinalhut und roten mantel, auch ander bischoff und pfaffen. Darnach Maximilianus, Ferdinandi sun, und vil welscher undt tütscher fürsten, Margraff Albrecht 41 und landtgraff von Lüchtenberg 42 , so heid vormals von dem churfürsten 43 gfangen warend, all mitt vil volks. Nach den fürsten das keiserisch hoffgsind vom adel und sonst, deren jeder sin eignen buben 44 bis inn 600 pferd oder mee, in ytel 45 brun und gal 46 sammet bekleidet (roß und man über die harnesch 47 ). Die furtend spieß und gschütz. Nach inen ein hilff welsches reisigs zügs 48 . Also ist er 49 ingritten. Hatt ein stund gwäret von dem, das die burgermeister gritten, bis zu end der reisigen. Nach dem reisigen volk zoch der herr von Madrutsch 50 mitt 10 fennli fußvolk. Weret auch gar nach 51 ein stund.
Darnach hub sich die not an zwüschend den burgeren und inen bis mans ingfuriert 52 . Ist vil unradts 53 denselben tag bschehen. Si habend die lüt uß den hüseren gstossen, die türen uffgrennt, die lüt, da 54 man si doch wol ghalten, ab den betteren 55 gworffen (si wellen dran liggen), zusampt 56 unsaglichen
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tröwungen. Darnebend ist noch teglich ein selich 57 inherziehen von fremdem volk, das, ob man schon die menschen underbrecht, kann man die esel und roß nitt stellen 58 . Der krützgang in unserem kloster 59 stat voller esel. Die singend metti 60 tag und nacht. Die eseltriber tribend größeren mutwill dann 61 sonst jemans.
Zwen von den burgeren 62 sind schon erstochen. Nieman fragt darnach. Wir dörffend kum zur kilchen kan 63 ; ich gschwig sonst. 64 Nitt der 10. mensch, den eins 65 uff der gassen sicht, ist tütsch! Biderblüt flöhend 66 ir wyb und kind, hüben so wol als töchteren. 3064r Es habend sich etlich beklagt, aber die herren könnend inen nitt helffen. So lachend die keiserischen unser nun dran 67 . Wo man uns sicht, so tröwt man 68 köpfen, hencken, brennen, wiewol ich denck, die, so es thund, habind sin 69 kein befelch.
Die bischoff und pfaffen sind die fürnempsten bim keiser, und an den gaßen steckt als 70 volk. In allen hüseren, da die großen herren liggend, halt man mäß. Man hatt inen auch schon zwo kilchen 71 grumpt 72 , darin si ir abgöttery triben werdend. Gott well, das es bi dem blibe!
Uns hat man das predgen dermaß verstrickt 73 , das man nitt wil, das wir jemans deß glaubens halb straffind 74 , damitt kein unlust 75 werd. Das macht mir schwer, ja unlydlich 76 , hie zu sin, man bschick mich 77 oder bschick mich nitt. Ich welt das ander als umb deß herren willen gern dulden, gieng, wie gott well, so mir nun 78 die fryheit gelaßen wurd. Das ich dann über ir willen schrye 79 und inn ein unlust mache, wil sich diser zyt nitt gebüren. Darumb weger 80 wer, nienen darby sin 81 . Die burgerschafft und gmein man, ob si wol hefftig beschwert 82 , fragend si doch uns nüt nach, diewyl der meertheil handtwerck deß handels wol zu genießen wüßtend. 83 Man hatt auch alle abendpredgenen sampstag und suntag abgestelt, das ich hinfür nitt meer
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dann 84 ein predig zu thun hab. Man wil auch, das wir an der cantzel nitt nun 85 für keiser und könig hättend (als ob si gschmecht 86 werdind, so mans also nempt), sonder für unser allergnedigste herren kei. und küngck[lich] mjt. Und deß dings tribt unsere oberkeit (gott weißt, das ichs inen nitt zu ärgern reden, aber es ist die warheit) so vil, das unglaublich, wie si 87 ire gmüt so gar verkeert 88 ! Dorumb kan und weiß ich litt da zu dienen.
Laetus 89 hatt inn 90 ein zytlang zu vil nachghengt, aber er facht an 91 , wider schmöcken 92 , wo es us wil. Ich hab inn auch umb gotts willen brüderlich ermant, er well imm nüt so lieb sin lan als Christum und standhaffte ufrichtikeit; welchs er anhept erkennen 93 , dann er warlich ein zytlang nun zu vil hatt wellen hälen 94 . Ich weiß aber wol warumb; aber es stat wider wol, als ich hoff. Uwer schriben 95 hatt auch wol thon. 3064v.
|| D. Niclaus Meyer 96 weißt auch nitt wo us 97 . Ich muß mir ufheben 98 laßen, ich well mich zuthun bi dem gsind 99 ; und sye nümmen 100 der Haller; und ich trüw 101 den lüten zvil; und derglichen anders. Nun wüß gott min hertz, das ich uff nieman sich 102 , dann uff sin hilff und gnad und üweren radt. Und welt gott, ir 103 hettind mir langest mee glaupt dan den glatten 104 worten, so si 105 üch gschriben. So dörffte ich deß gfretzes 106 nüt. D. Niclaus und m. Michel Keller sind nitt kind. Man hatt aber auch inen wenig glauben gen. 107 Nun wolhin! Also stats jetz.
Man 108 wunschte vilicht minen nüt; das müß ich gott befelhen. Ich hab mich aber von gottsgnaden in Augspurg durch allen den strudel, den ich da erstanden, dermaß ghalten, das sin 109 die statt Zürich kein schand sol haben. Ich hab mich etwan 110 meer fürhin thon 111 dann andere; dorumm ich auch mee gfar beston muß, wie ich üch dann offt geschriben 112 . Sed de his satis.
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Was Lepusculo 113 begegnet, kan ich nach der leng nitt schriben. Spanger 114 sind imm ins hus kommen. Als er sich gewideret, inn zu wichen, und nitt alles hatt wellen geben, das si gwellen, habend si inn zum gfürt. Die habend nitt anders können scheiden 116 , dann das er uß dem hus hatt massen und holtz und win, so vil er ghept, darinn laßen. Und als er zum Herbrot gsagt: "Ist das der schirm, den ir uns zugsagt?", ist er ergrimmt und gsagt, es bedörff der ufgmutzten 117 red gar nüt. Das begegnet uns! Das müßend wir lyden! Den schirm habend wir!
Darumb wer minen herren c eerrlicher, 118 si ließend mich als den iren nüt in disem unlust 119 , dan das si mich drinn laßend. Sonst zug ich uff 120 gott, das ich nie ungern hie gsin und noch wol hie sin möcht, so allein die unseren 121 trüw' 22 werind. 123 Den fremden welt ichs als' 24 übersehen' 25 . Also habend ir zum theil, wie es umb uns stat. Ir mögends auch läsen laßen, 126 wen ir wellend, dann es ist die warheit. Und gat noch vil anders, von dem 27 allem nitt zu schriben.
Uff den 26. iulii amm morgen ist hertzog Wilhelm und hertzog Albrecht von Peyeren sin sun' 28 ingritten.
Desselben tags uff den abend hatt man den || E II 370. 65r. gfangnen churfürsten von Sachßen bracht uff eim wagen und mitt imm 500 spanisch schützen, die inn verwarend, 200 zu roß und 300 zu fuß. Man halt inn fürstlich und wol. Hatt vil sins eignen hofgsinds noch bi imm. Ist imm iederman günstig, auch die Spanger, 129 von wegen das er sich allweg dapfer 130 erzeigt und frölich 131 inn gott; deß sich auch die gottlosen verwunderend. Als man inn für' 32 deß keisers herberg furt, ließ der keiser alle fenster zuschlahen und sahe er durch ein durchsichtig glaß ußen' 33 , das' 34 inn vil lüt gsehen. Der churfürst zog zum dritten mal den hut ab und sach hinuff, ob er inn ienen' 35
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sehe. Man meint, er' 36 habs darumm thon, das er imm nitt widerumm schanden halb ein reverentz bewisen musste. 137 138 0 139 .
Den landgraffen hatt er zu Werd glaßen. Der wirt, als ich hor, ubel ghalten. Ich hör nieman, der imm gutz gunn oder red. Die welschen 140 sagend seib, er hab uns verraten. Man sagt auch, das er gar nach von sinnen komme. Er duret mich 141 , das inn gott also fallen laßt. Der well in gnedicklich wider ufrichten.
Hertzog Moritz' 42 sol auch in ungnaden deß keisers sin, von wegen, das in der von Brunschwig' 43 verklagt, er hab in in die gfencknuß verreterlich bracht und brett 144 ; sonst welt er sich nitt ergeben haben. 145 Er, der von Brunschwig, sol mitt eim huffen sin land wider innen' 46 und die stett Bremen, Brunschwig, Goßlar und Minden hefftig plagen.
Deß landgrafen cantzly ist inventiert' 47 , und vil heimlikeit' 48 funden, daruß man sorgt, das vil eerlicher lüt in last 149 kommen werdind.
letz ist die gmein sag, der keiser well den von Saphoy 150 insetzen, auch Costentz züchtigen.
Mich fröwt uß üwerem schriben an Laetum gethon, 151 das die Eidgnoßen so wol eins sind. Gott bestete 152 si, dann der keiser krieget anders nitt dann mitt trennungen 153 . So er si dann eins 154 sin befindet, thut er inen gwüßlich nüt.
Man hatt ein wyl 155 vom Türggen 156 gsagt, wie das er Prespurg 157 ingnon 158 , aber es 159 ist wider gestillet.
Zu Venedig wirt vil volk jemerlich umb Christi willen plaget, als unser kaufflüt schribend. 160 Gott erhalte si bis ans end in siner bekantnuß! Amen.
Sonst weiß ich nüt, dann grutzend mir alle herren und fründ, auch üwer gantz husgsind, und bittend gott, das er uns uß disem jamer helffe. Datum A[ugustae] V[indelicorum], 29. iulii 1547.
J. H. perpetuo tuus. 136 Der Kaiser, der die Reverenz des Kurfürsten
nicht erwidern wollte, und deshalb
die Fenster zuvor schließen ließ. 137 Dieser Abschnitt wurde fast vollständig
im Schweitzerschen Museum 1783/2, S.
172, abgedruckt. 138 Philipp von Hessen. 139 Donauwörth. 140 Die Italiener oder Spanier. 141 duret mich: tut mir leid. 42 Moritz von Sachsen. 143 Herzog Heinrich d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel. 144 überredet. 145 Vgl. Nr. 2966,12-14. 146 einnehmen. 147 inventarisiert - hier wohl im Sinn von
durchsucht. 148 vertrauliche Dokumente. 149 Bedrängnis; s. DRW VIII 734. 150 Karl III. von Savoyen. - Siehe dazu Nr.
2925, Anm. 1. 151 Ein nicht erhaltener Brief Bullingers, der
unmittelbar nach der am 15. Juli beendeten
Badener Tagsatzung (s. dazu Nr.
2933, Anm. 18) geschrieben worden sein
wird. - Zur Eintracht der Eidgenossen s.
zuletzt die Verweise in Nr. 2961, Anm. 9. 152 bestärke. 153 (Stiften von) Zwietracht. 154 einig. 155 ein wyl: eine Weile. 156 Sultan Suleiman I. 157 heute Bratislava. 158 eingenommen. - Ein falsches Gerücht; s.
schon Nr. 2968,23f. 159 das Gerücht. 160 Siehe dazu Nr. 2967. Anm. 39.
|
[Adresse auf der Rückseite:] Clarissimo viro d. Heinrycho Bullingero, domino ac patri suo venerando. Zürich. M[agister]Heinrych Bullinger. 161