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Autograph: Zürich StA, E II 365 a, 453 (Siegelspur) Druck: Graubünden, Korr. I 110f, Nr. 84
[1]Bullinger möge mitteilen, wie sich die Churer angesichts der beiden folgenden Probleme
verhalten sollen. Zum Ersten: Der französische König Heinrich II. möchte mit den Bündnern
(wie vermutlich auch mit den Eidgenossen) das alte, mit seinem Vater Franz I. vereinbarte
Soldbündnis erneuern. 1 Am 15. August sollen sich die Gemeinden auf dem eigens deshalb
stattfindenden Bundestag zu Chur 2 darüber beraten und eine Antwort geben. Bullinger kann
sich wohl denken, was alles dafür oder dagegen gesagt wird! Sogar gute, friedfertige Leute
sind der Ansicht, dass eine Erneuerung des Bündnisses die Macht Kaiser Karis V. eindämme. 3
-[2] Nun zum zweiten Anliegen. [Niklaus Maggio], der Potestat von Traona 4 , nahm im Juli
den Prädikanten [...] von Caspano nach der Predigt überraschend fest und ließ diesen widerrechtlichBriefe_Vol_20-379 arpa
SO grausam foltern, dass er gezwungenermaßen gestand, nachts mitgeholfen zu
haben, das Kruzifix in der Kirche zu zerstören. 5 Zudem erlegte er ihm eine Buße von 140
Kronen auf und untersagte ihm jeglichen Aufenthalt in den drei Bünden 6 . Daraufhin begab
sich der Prediger nach Chiavenna, von wo man ihn aber nach Chur schickte. Der Fall wurde
den Abgeordneten auf dem soeben abgehaltenen Beitag 7 vorgebracht. Nachdem man sich
vergewissert hatte, dass der Potestat nicht den Befehl von den Abgeordneten erhalten hatte,
den Prädikanten derart zu behandeln, wird er sich nun auf dein kommenden Bundestag verantworten
müssen. Etliche Leute behaupten aber, dass der derzeit in Zürich studierende [..]
Paravicini von Caspano 8 das Götzenbild zerstört habe. Sollte nun Paravicini die Tat gegenüber
den Zürchern gestehen, würde man ihm durch Schlichtung beistehen. Damit wäre allen
gedient, besonders dem [unschuldigen, zu Unrecht bestraften]Prädikanten. 9 Es wurden schon
viele Götzenbilder in Graubünden verbrannt, aber nie kam es zu einem solchen Aufschrei. In
anderthalb Jahren wird ja ein neuer Potestat eingesetzt, 10 was für die Beilegung der Angelegenheit
günstig ist. Sollte also Paravicini der Täter sein, soll er es zugeben, ohne den geringsten
Nachteil (im Gegensatz zu jenen'! Prädikanten) befürchten zu müssen. Man erwartet seine
Antwort. -[3]Bürgermeister Johannes Haab wird wohl selbst berichten, welche Ehrung ihm
in Fideris 11 zuteil wurde. Das Landvolk hat ihm einen Ochsen geschenkt. -[4][P.S.:] Sollte
Bullinger ein Anliegen haben, wird Blasius sich unverzüglich darum kümmern. Gruß.