Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2976]

Johannes Blasius
an Bullinger
Chur,
2. August 1547

Autograph: Zürich StA, E II 365 a, 453 (Siegelspur) Druck: Graubünden, Korr. I 110f, Nr. 84

[1]Bullinger möge mitteilen, wie sich die Churer angesichts der beiden folgenden Probleme verhalten sollen. Zum Ersten: Der französische König Heinrich II. möchte mit den Bündnern (wie vermutlich auch mit den Eidgenossen) das alte, mit seinem Vater Franz I. vereinbarte Soldbündnis erneuern. 1 Am 15. August sollen sich die Gemeinden auf dem eigens deshalb stattfindenden Bundestag zu Chur 2 darüber beraten und eine Antwort geben. Bullinger kann sich wohl denken, was alles dafür oder dagegen gesagt wird! Sogar gute, friedfertige Leute sind der Ansicht, dass eine Erneuerung des Bündnisses die Macht Kaiser Karis V. eindämme. 3 -[2] Nun zum zweiten Anliegen. [Niklaus Maggio], der Potestat von Traona 4 , nahm im Juli den Prädikanten [...] von Caspano nach der Predigt überraschend fest und ließ diesen widerrechtlich

13 Indem nämlich die Eidgenossen nicht aufgefordert, sondern eingeladen wurden, den Reichstag zu besuchen.
1 Gemeint ist das Soldbündnis der Zwölf eidgenössischen Orte (ausgenommen Zürich) mit Frankreich von 1521; s. EA IV/1a 1491-1500. Laut Vertrag sollte es bis zu drei Jahre nach dem Tod von König Franz' I. (gest. 31. März 1547) gelten; s. ebd., 1494. Der Graue Bund (s. dazu unten Anm. 6) war 1521 beigetreten, 1523 folgten der Gotteshausbund und der Zehngerichtebund; s. ebd., 1500f. Zürich blieb dem Soldbündnis bis 1614 fern; ab 1529 (bis 1582) war auch Bern nicht mehr beteiligt; s. HLS 1196, s.v. Allianzen; Sarah Rindlisbacher, Zwischen Evangelium und Realpolitik. Der Entscheidungsprozess um die Annahme der französischen Soldallianz in Bern
1564/65 und 1582, in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Bd. 75/4, 2013, S. 3-39.
2 Die Rede ist vom Bundestag, der am 16. August in Chur zu tagen begann; s. Nr. 2964, Anm. 3.
3 Das Soldbündnis verpflichtete Frankreich u.a., die Eidgenossen mit Waffen und Geld zu unterstützen, falls diese angegriffen würden; s. EA IV/1a 1496f.
4 Traona (Prov. Sondrio, I). - Laut Petrus Dominicus Rosius a Porta, Historia Reformationis ecclesiarum Raeticarum, Bd. 1/2, Chur und Lindau 1772, S. 42, soll damals ein Gaudenz von Salis ("Gaudentius a Salicus") Potestat (bzw. Praetor) von Traona gewesen sein, was vermutlich falsch ist. Laut der in LL XVIII 255 angeführten Liste der Potestaten und der Angabe unten bei Anm. 10 wird es eher Niklaus Maggio gewesen sein, der 1549 von Martin Graß abgelöst wurde.


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SO grausam foltern, dass er gezwungenermaßen gestand, nachts mitgeholfen zu haben, das Kruzifix in der Kirche zu zerstören. 5 Zudem erlegte er ihm eine Buße von 140 Kronen auf und untersagte ihm jeglichen Aufenthalt in den drei Bünden 6 . Daraufhin begab sich der Prediger nach Chiavenna, von wo man ihn aber nach Chur schickte. Der Fall wurde den Abgeordneten auf dem soeben abgehaltenen Beitag 7 vorgebracht. Nachdem man sich vergewissert hatte, dass der Potestat nicht den Befehl von den Abgeordneten erhalten hatte, den Prädikanten derart zu behandeln, wird er sich nun auf dein kommenden Bundestag verantworten müssen. Etliche Leute behaupten aber, dass der derzeit in Zürich studierende [..] Paravicini von Caspano 8 das Götzenbild zerstört habe. Sollte nun Paravicini die Tat gegenüber den Zürchern gestehen, würde man ihm durch Schlichtung beistehen. Damit wäre allen gedient, besonders dem [unschuldigen, zu Unrecht bestraften]Prädikanten. 9 Es wurden schon viele Götzenbilder in Graubünden verbrannt, aber nie kam es zu einem solchen Aufschrei. In anderthalb Jahren wird ja ein neuer Potestat eingesetzt, 10 was für die Beilegung der Angelegenheit günstig ist. Sollte also Paravicini der Täter sein, soll er es zugeben, ohne den geringsten Nachteil (im Gegensatz zu jenen'! Prädikanten) befürchten zu müssen. Man erwartet seine Antwort. -[3]Bürgermeister Johannes Haab wird wohl selbst berichten, welche Ehrung ihm in Fideris 11 zuteil wurde. Das Landvolk hat ihm einen Ochsen geschenkt. -[4][P.S.:] Sollte Bullinger ein Anliegen haben, wird Blasius sich unverzüglich darum kümmern. Gruß.