Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2983]

Joachim Vadian
an [Bullinger]
St. Gallen,
10. August 1547

Autograph: Zürich StA, E II 351, 51 (Siegelspur) Druck: Vadian BW VI 641f, Nr. 1552

[1]Die folgenden Mitteilungen stammen aus einem Brief den Vadian von einem bedeutenden Mann [...] aus Augsburg erhielt. Dieser bat ihn, sie an die zuständigen Stellen weiterzuleiten: Abgesehen von dem eidgenössischen Boten []2 ist in Augsburg ein Bote [...] aus Zug und ein weiterer [...] aus Solothurn erschienen! Beide Boten übermittelten Briefe und blieben nahezu drei Tage im Haus von Nicolas de Perrenot, Herrn von Granvelle. Man versucht also offensichtlich, die Eidgenossen gegeneinander aufzuhetzen, um sie umso leichter in die Fänge [des habsburgischen Adlers] zu treiben. Der [verderbliche Einfluss] des Geldes sowie die große Anzahl der Personen im Bündnerland, die Kaiser Karl V. anhängen, sind besonders bedenklich. Vadian konnte nicht herausfinden, ob auch der Bischof von Chur, Lucius Iter, kaiserlich gesinnt ist. Die vielen Anhänger des Kaisers im Bündnerland sollte man am besten absetzen! Warum Zug und Solothurn Boten nach Augsburg sandten, ließ sich nicht ermitteln. Vielleicht steckt nichts Böses dahinter, doch wäre dies einer gründlichen Nachforschung wert. -[2]Aus Augsburg wird von üblen Schändungen der Frauen und Kinder berichtet. Der Kaiser unterzieht sich angeblich einer Holzkur. 3 Vermutlich aber hat er sich nur ins spanische Lügen-Holz gelegt. Denn durch das Vortäuschen einer Krankheit hat er am ehesten Ruhe vor Besuchern und sonstigen Geschäften, um mit seinen Beratern den künftigen Reichstag ungestört vorbereiten zu können! -[3]Sobald Itelhans Thumysen und die Bürgermeister Johannes Haab und Hans Rudolf Lavater wieder in Zürich sind, 4 soll Bullinger sie über die hier mitgeteilte Nachricht informieren, allerdings Vadians Namen dabei verschweigen. Gerüchten zufolge muss immer noch mit einem Angriff auf die Eidgenossenschaft gerechnet werden. 5 -[4]Angesehene Augsburger Bürger sollen aus völlig nichtigen Gründen erstochen worden sein. 6 Es genügt, nur einen dieser ausländischen Söldner schief anzusehen, um schon bestraft zu werden! - [5] Die verratenen und völlig ausgebluteten Reichsstädte 7 setzen ihre letzte Hoffnung auf den Erhalt der Freiheiten und des Wohlstandes der Eidgenossenschaft, um von dort binnen zweier Generationen ihre Befreiung von jeglicher Tyrannei erwarten zu können. Man ist der Meinung, dass die Reichsstädte ein Opfer der unter ihnen herrschenden Uneinigkeit wie auch des Verrats durch habgierige und egoistische Personen wurden. Sogar die Kaiserlichen sind dieser Ansicht. -[6]Beiliegend ein Büchlein voller Prahlereien über die

1 Aus dem Inhalt des Briefes geht hervor, dass der Brief an Bullinger gerichtet ist.
2 Gemeint ist der Bote, der den Brief der Eidgenossen an Karl V. vom 9. Juli nach Augsburg brachte; s. Nr. 2984, Anm. 25.
3 Vgl. Nr. 2943,11f; Nr. 2977,13; Nr. 2984,54; Nr. 2990,5; Nr. 3005,8-10. - Der Kaiser litt damals an einer schweren Gelbsucht bzw. an einem Magen- und Nierenleiden; s. NBD X 64 mit Anm. 3; 73, Anm. 1; 76f; Rabe, Reichsbund 174.
4 Vadian wird erfahren haben, dass Haab sich bis Anfang August im Bündnerland aufgehalten hatte; s. Nr. 2964,[5]; Nr.
2976,[3]. - Die drei hier erwähnten Personen gehörten dem damals auf inoffizielle Weise wieder eingeführten Zürcher Geheimen Rat an; s. dazu die Verweise in HBBW XIX 27 und Anm. 90. Vermutlich war Georg Müller auch Mitglied dieses Rats; s. Nr. 3050, Anm. 9 und Anm. 10.
5 Siehe dazu Nr. 2957,[2], und die in Nr. 2953, Anm. 4, angeführten Stellen.
6 Vgl. Nr. 2970,58; Nr. 2978,52-55. 100- 110.
7 Die ihre Versöhnung mit dem Kaiser teuer erkaufen mussten; s. HBBW XIX 38.


Briefe_Vol_20-402arpa

Unterwerfung des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen und des Landgrafen Philipp von Hessen, 8 der verdächtigt wird, durch die Preisgabe von Geheimnissen den christlichen [Schmalkaldischen] Bund verraten zu haben. Vadian legt zudem dein vorliegenden Brief ein Pasquill bei, das aus Bibelstellen besteht, die eigentlich keine sind, sondern durch Umschreibung den päpstlichen Lehren angepasst wurden. 9 Die Ironie dieser Spottschrift gegen die papistischen Irrtümer lässt auf einen frommen Autor schließen, vielleicht Philipp Melanchthon 10 -[7]Gruß. Bullinger soll das Bächlein mit den Dokumenten über den Landgrafen zurückschicken.