Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2989]

Joachim Vadian
an Bullinger
St. Gallen,
12. August 1547

Autograph: Zürich StA, E II 351, 40 (Siegelspur) Druck: Vadian BW VI 642f, Nr. 1553

[1] Beiliegend erhält Bullinger Kopien von Briefen, Akten und einem Bericht über die Eroberung und Unterdrückung der Stadt Prag sowie auch zahlreiche Belege für die arrogante, tyrannische Machtausübung [von König Ferdinand und dessen Bruder Kaiser Karl V.]. Möge Gott diese Tyrannei abstellen! -[2] In einem der Dokumente' 1 wird Bullinger einen Entwurf zum geplanten [Schwäbischen] Bund finden. Sollte diesbezüglich dem König gewillfahrt und das Bündnis errichtet werden, begibt sich Deutschland in die Knechtschaft, wird seiner militärischen Macht beraubt und durch unzählige Ausgaben ausgelaugt. Die Pläne und Vorstöße dieser [Habsburger] müssen abgewehrt werden. Seitdem sie als Könige und Kaiser herrschen, haben sie stets Kriege geführt und sich arrogant benommen, als wären sie die künftigen Herrscher der ganzen Erde. Unter dem Vorwand der staatlichen Ordnung haben sie die armen Stände und Städte betrogen, denn es ging ihnen dabei nicht um das Recht, sondern um die Ausübung ihrer Tyrannei. Sie versprechen [den Bundesgenossen] Schutz, wo doch Deutschland nie besser verteidigt und beschirmt war als zur Zeit, ais sie noch nicht an der Macht waren und für Verwirrung sorgten. Mit diesem Bund verfolgen sie das Ziel, jeden, der sich dein [Römischen] König oder dem Kaiser widersetzt, zum Feind Deutschlands zu erklären. Das Bündnis zielt hauptsächlich gegen den König von Frankreich und die Eidgenossen. Wenn diese keine klugen Maßnahmen dagegen ergreifen, werden sie zugrunde gerichtet! -[3]All dies ist nur für Bullinger bestimmt. Vadian will nicht, dass sein Name damit in Verbindung gebracht wird. Bullinger darf jedoch alles, was er will, aus diesen Dokumenten abschreiben. 2 Dabei soll er nur jeglichen darin vorkommenden Namen auslassen. Er kann dann seine Kopien zeigen, wem er möchte. Wichtig ist allerdings, dass Bullinger alles innerhalb von sechs Tagen mit einem zuverlässigen Boten zurückschickt. Derjenige [...], der Vadian diese Dokumente anvertraut hat, weiß nämlich nicht, dass sie nach Zürich versandt wurden, und Vadian möchte sie wieder zurückerstatten können. -[4]Gruß. 3

1 Bullinger hatte es bereits von Ambrosius Blarer erhalten; s. Nr. 2981, Anm. 3. - Zu diesem vom Kaiser geplanten Bund s. Nr. 2927, Anm. 10; Nr. 2943, Anm. 15; Nr. 2953,7-10; Nr. 2960, Anm. 25; Nr. 2971,10-17; Nr. 2984,55.
2 In Zürich ZB, Ms A 43, 387-389, sind auf Zürcher Papier von einer unbekannten Hand unter dem Titel "1547 zu Prag" Notizen zu den Ereignissen in Prag verzeichnet. Diese befinden sich in einer für Bullinger von der gleichen unbekannten Hand angelegten Nachrichtensammlung (S. 387-402), wo am Schluss (S. 402), in
einem von Bullinger erstellten Inhaltsverzeichnis, das hier besprochene Stück mit der Angabe "Wie der Römisch König zu Prag gehandlet" angeführt wird. Allerdings erfährt man aus Nr. 2992, dass die in Ms A 43 aufbewahrten Auszüge über Prag nicht aus Vadians gesandter Aktensammlung stammen, sondern aus ähnlichen Dokumenten, die Bullinger bereits von anderen Freunden (darunter Blarer; s. oben Anm. 1) erhalten hatte.
3 Vorliegender Brief wurde vom St. Galler Ratsherr Franziskus Studer übermittelt; s. Nr. 2991, Anm. 1.