[3010]
Autograph: Zürich StA, E II 351, 52 (Siegelspur) Druck: Vadian BW VI 650-652, Nr. 1560
[1] Vadian hat nichts Nettes zu berichten, außer dass die Pest in ganz Schwaben ausgebrochen
ist. In Ulm sterben viele Menschen. Innerhalb von drei Tagen gab es 117 Tote. Auch die
Landsknechte der kaiserlichen Garnison liegen fast vollständig darnieder. in Augsburg breitet
sich die Pest schnell aus. 1 Das Kriegsvolk hat man zur Stadt hinausbeordert. Es wird erneut
Leid über die arme Landbevölkerung bringen, die ihres Korns und Heus beraubt werden.Briefe_Vol_20-472 arpa
- [2] Das Regiment des Hauptmanns Nicola von Madruzzo ist vor den Wohnort Kaiser
Karis V. gezogen und hat den ausstehenden Lohn der letzten drei Monate gefordert. 2 Der Ruf
des Hauptmanns wurde dabei durch die Landsknechte beschädigt. Schließlich konnte der
Aufruhr besänftigt werden. Der Kaiser hat ihm schlecht standgehalten. Kurfürst Johann Friedrich
von Sachsen hat dem Kaiser bei Ausbruch des Aufruhrs anerboten, Leib und Leben für ihn
zu lassen. Dies soll der Kaiser sehr wohlwollend aufgenommen haben. Der Kurfürst genießt
zahlreiche Privilegien und gewinnt beim Glücksspiel viel Geld. Er soll im Spiel gegen Fernando
Alvarez de Toledo, Herzog von Alba, etliche tausend Gulden gewonnen haben. Daraus
entfachte sich der Aufruhr, da die Landsknechte sich lauthals darüber beklagten, dass man
Geld für das Glücksspiel, nicht jedoch für ihre Entlohnung habe. -[3]Man munkelt, dass die
Spanier dazu bereit wären, den Reichstag nach Straßburg zu verlegen, falls die Pest in Augsburg
überhandnähme. 3 -[4]Der Bischof von Augsburg, Kardinal Otto Truchsess von Waldburg,
vollbringt mit Almosen und Geldgeschenken wahre Wundertaten! 4 Damit will er sich
wohl bei dem gemeinen Mann beliebt machen. Im Dom predigt der Mainzer Weihbischof
Michael Heldin 5 Er verfährt dabei sehr artig und klug. Er beschimpft niemanden. Sein
Diskurs stimmt jedoch mit demjenigen des Papstes weitgehend überein. -[5] Der Augustinerprior
Johannes Hoffmeister, der in Ulm seinen Glauben gepredigt und die reformatorische
Lehre als ketzerisch verleumdet hat, ist nach Augsburg berufen worden. Als er aber nach
Günzburg in das Nonnenkloster kam, wurde er von der Pest ergriffen und ist bald darauf
gestorben. Er soll öffentlich eingestanden haben, dass er sich habe überreden lassen, gegen
die anerkannte Wahrheit zu agieren. Er soll Reue gezeigt und Gott inständig um Verzeihung für
sein Vergehen gebeten haben. 6 _[6]Der Kaiser hat Magdeburg unter die Reichsacht gestellt. 7
Aus welchem Grund, vermag Vadian nicht zu sagen. -[7]Kurfürst Moritz von Sachsen ist mit
dein Markgrafen Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach zuerst nach München, dann
nach Augsburg gekommen. Es soll sein großes Anliegen sein, seinen Schwager, Landgraf
Philipp von Hessen, der noch in Neuburg an der Donau [richtig: Donauwörth]festgehalten
wird, aus der Gefangenschaft zu befreien. -[8]Aus Antwerpen schreibt man, dass Frankreich
und England einander feindlich gegenüberstehen. 8 Vermutlich steckt Papst Paul III. dahinter,
der nichts unterlässt, um erneut an seine Lehensgüter und Einkünfte in England zu gelangen
und die Verkündigung des Evangeliums zu unterbinden. Solche Kungeleien sind gang und
gäbe. Gott möge Rettung bringen! Es ist zu befürchten, dass die Nachkommen über diese Karis
und Pauls noch mehr und Schlimmeres werden schreiben können, als je über die Kaiser Julian
[gen. Apostata]9 , Maximinus 10 Constantius 11 Diokletian 12 oder [Marcus Aurelius Valerius]
Maxentius 13 geschrieben worden ist. Der Aufwand, darüber zu berichten, wird sich wohl
lohnen, da man erst am Beginn der von diesen beiden angezettelten Änderungen steht. Mönche
und Pfaffen werden noch Erstaunliches vollbringen, damit sie aufgrund ihrer mangelnden
Bußbereitschaft bestraft werden können. 14 -[9] Es wird glaubwürdig berichtet, dass die GelehrtenBriefe_Vol_20-473 arpa
in Spanien dem Kaiser ein Gutachten geschickt haben, in der des Langen und Breiten
erklärt wird, dass der Kaiser auch ohne Papst die Macht habe, Konzilien einzuberufen und
eine Kirchenreformation in Gang zu bringen.. 15 Solch ein Aufwand für so etwas Selbstverständliches!
Hätten sie doch nur noch hinzugefügt, dass ein derartiger Kaiser christlich und orthodox
sein muss! - [10] Bullinger sei gegrüßt und möge den Brief den Bürgermeistern 16
vorlesen, denen sich Vadian empfiehlt.