Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3010]

Joachim Vadian
an Bullinger
St. Gallen,
10. September 1547

Autograph: Zürich StA, E II 351, 52 (Siegelspur) Druck: Vadian BW VI 650-652, Nr. 1560

[1] Vadian hat nichts Nettes zu berichten, außer dass die Pest in ganz Schwaben ausgebrochen ist. In Ulm sterben viele Menschen. Innerhalb von drei Tagen gab es 117 Tote. Auch die Landsknechte der kaiserlichen Garnison liegen fast vollständig darnieder. in Augsburg breitet sich die Pest schnell aus. 1 Das Kriegsvolk hat man zur Stadt hinausbeordert. Es wird erneut Leid über die arme Landbevölkerung bringen, die ihres Korns und Heus beraubt werden.

a Über der Zeile nachgetragen. -
b Textverlust bei der Entfernung des Siegels. Die Auflösung ist unsicher.
10 Maximilian von Egmont, Graf von Büren; vgl. Nr. 2995,12-16. - Ein falsches Gerücht.
11 Vgl. Nr. 3003, Anm. 17; Nr. 3005,98- 118; Nr. 3010,[2]. -Myconius hatte diese Nachricht aus dem im nächsten Satz erwähnten Brief Hallers erfahren.
12 copiosas literas. - Der Brief war an Hieronymus Gunz gerichtet, und Myconius fertigte sich eine Teilabschrift davon an; s. Nr. 3003, Anm. 17.
13 Vgl. Gen 13,13;18,20;Ez16,49: Jud 1,7.
14 Vgl. z.B. Nr. 2978,112-1 15.
15 Vgl. Nr. 2942,14-19.
16 Vgl. Ps 111 (VuIg. 110), 10; Spr 15, 33; 19, 23; usw.
17 Bezug auf den Brief des Kaisers an die Eidgenossen vom 28. Juli; s. dazu Nr. 2967, Anm. 21.
1 Zur Pest in Augsburg und Ulm siehe die Verweise in Nr. 2971, Anm. 6.


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- [2] Das Regiment des Hauptmanns Nicola von Madruzzo ist vor den Wohnort Kaiser Karis V. gezogen und hat den ausstehenden Lohn der letzten drei Monate gefordert. 2 Der Ruf des Hauptmanns wurde dabei durch die Landsknechte beschädigt. Schließlich konnte der Aufruhr besänftigt werden. Der Kaiser hat ihm schlecht standgehalten. Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen hat dem Kaiser bei Ausbruch des Aufruhrs anerboten, Leib und Leben für ihn zu lassen. Dies soll der Kaiser sehr wohlwollend aufgenommen haben. Der Kurfürst genießt zahlreiche Privilegien und gewinnt beim Glücksspiel viel Geld. Er soll im Spiel gegen Fernando Alvarez de Toledo, Herzog von Alba, etliche tausend Gulden gewonnen haben. Daraus entfachte sich der Aufruhr, da die Landsknechte sich lauthals darüber beklagten, dass man Geld für das Glücksspiel, nicht jedoch für ihre Entlohnung habe. -[3]Man munkelt, dass die Spanier dazu bereit wären, den Reichstag nach Straßburg zu verlegen, falls die Pest in Augsburg überhandnähme. 3 -[4]Der Bischof von Augsburg, Kardinal Otto Truchsess von Waldburg, vollbringt mit Almosen und Geldgeschenken wahre Wundertaten! 4 Damit will er sich wohl bei dem gemeinen Mann beliebt machen. Im Dom predigt der Mainzer Weihbischof Michael Heldin 5 Er verfährt dabei sehr artig und klug. Er beschimpft niemanden. Sein Diskurs stimmt jedoch mit demjenigen des Papstes weitgehend überein. -[5] Der Augustinerprior Johannes Hoffmeister, der in Ulm seinen Glauben gepredigt und die reformatorische Lehre als ketzerisch verleumdet hat, ist nach Augsburg berufen worden. Als er aber nach Günzburg in das Nonnenkloster kam, wurde er von der Pest ergriffen und ist bald darauf gestorben. Er soll öffentlich eingestanden haben, dass er sich habe überreden lassen, gegen die anerkannte Wahrheit zu agieren. Er soll Reue gezeigt und Gott inständig um Verzeihung für sein Vergehen gebeten haben. 6 _[6]Der Kaiser hat Magdeburg unter die Reichsacht gestellt. 7 Aus welchem Grund, vermag Vadian nicht zu sagen. -[7]Kurfürst Moritz von Sachsen ist mit dein Markgrafen Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach zuerst nach München, dann nach Augsburg gekommen. Es soll sein großes Anliegen sein, seinen Schwager, Landgraf Philipp von Hessen, der noch in Neuburg an der Donau [richtig: Donauwörth]festgehalten wird, aus der Gefangenschaft zu befreien. -[8]Aus Antwerpen schreibt man, dass Frankreich und England einander feindlich gegenüberstehen. 8 Vermutlich steckt Papst Paul III. dahinter, der nichts unterlässt, um erneut an seine Lehensgüter und Einkünfte in England zu gelangen und die Verkündigung des Evangeliums zu unterbinden. Solche Kungeleien sind gang und gäbe. Gott möge Rettung bringen! Es ist zu befürchten, dass die Nachkommen über diese Karis und Pauls noch mehr und Schlimmeres werden schreiben können, als je über die Kaiser Julian [gen. Apostata]9 , Maximinus 10 Constantius 11 Diokletian 12 oder [Marcus Aurelius Valerius] Maxentius 13 geschrieben worden ist. Der Aufwand, darüber zu berichten, wird sich wohl lohnen, da man erst am Beginn der von diesen beiden angezettelten Änderungen steht. Mönche und Pfaffen werden noch Erstaunliches vollbringen, damit sie aufgrund ihrer mangelnden Bußbereitschaft bestraft werden können. 14 -[9] Es wird glaubwürdig berichtet, dass die Gelehrten
2 Zu dieser Meuterei vgl. Nr. 3003, Anm. 17; Nr. 3005,98-118; Nr. 3009,19f.
3 Vielleicht im Zusammenhang mit dem Gerücht, dass der Kaiser beabsichtige, in Straßburg zu überwintern, zu verstehen. Vgl. dazu Nr. 3009, Anm. 2.
4 Vgl. Nr. 3005,74-79; Nr. 3035,43-46.
5 Am 5. August nahm er den Dom in Besitz; s. Bodenmann 245, Anm. 249.
6 Zu den verleumderischen Berichten über dessen Tod vgl. Nr. 3003, Anm. 17; Nr. 3005, Anm. 106; Nr. 3076, Anm. 9, und die dort verzeichneten Verweise.
7 Magdeburg wurde am 27. Juli 1547 vom Kaiser geächtet; s. Nr. 2985, Anm. 10.
8 Zum Überraschungsangriff der Franzosen auf die in Schottland stationierten englischen Truppen im Juli 1547 s. Nr. 2996, Anm. 30.
9 Römischer Kaiser von 361 bis 363.
10 Vermutlich Maximinus Daia, römischer Kaiser von 310 bis 313.
11 Wohl Constantius I., römischer Kaiser von 305 bis 306.
12 Römischer Kaiser von 284 bis 305.
13 Römischer Kaiser von 306-312.
14 Vadians Aussage wird in Anlehnung an Gen 15, 16, zu verstehen sein: um [von Gott] bestraft werden zu können (in der Vorlage ghandthabt werden mögind),


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in Spanien dem Kaiser ein Gutachten geschickt haben, in der des Langen und Breiten erklärt wird, dass der Kaiser auch ohne Papst die Macht habe, Konzilien einzuberufen und eine Kirchenreformation in Gang zu bringen.. 15 Solch ein Aufwand für so etwas Selbstverständliches! Hätten sie doch nur noch hinzugefügt, dass ein derartiger Kaiser christlich und orthodox sein muss! - [10] Bullinger sei gegrüßt und möge den Brief den Bürgermeistern 16 vorlesen, denen sich Vadian empfiehlt.