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Autograph: Zürich StA, E II 351, 53 (Siegelspur) Druck: Vadian BW VI 652f, Nr. 1561
[J] Vadian erhielt vor einigen Tagen einen Brief von Freunden aus Augsburg, in dem es um
persönliche Angelegenheiten ging. Dem Schreiben war aber der Antrag Kaiser Karis V. beigelegt,
in dein dieser seine Ziele für den von ihm einberufenen Reichstag dargelegt hat. 1
Während der ersten Sitzung des Reichstages las Maximilian 2 den Antrag so vor, als wäre er
[die Muse]Kalliope selbst, lin Dokument wird die Fortführung des tridentinischen Konzils nur
beiläufig angesprochen. Klar ist aber, dass der Kaiser versucht, die Deutschen um ihre Freiheiten
zu bringen, und dabei herausfinden will, ob sie, die nun erschöpft und unterjocht sind,
sich endlich mit den Irrlehren und mit [seiner] Verschwörungs[politik]zufriedengeben oder
nicht. - [2] In Bezug auf das Kammergericht werden ganz tückische Maßnahmen vorgeschlagen.
Damit verfolgt der Kaiser offensichtlich das Ziel, künftig alles nach seinem Wunsch
zu gestalten. Er benutzt die durch den letzten Krieg verursachte katastrophale Lage, um die
Deutschen dem Willen des Papstes und dessen Anhängern zu unterwerfen und sie dazu zu
bringen, nicht nur jeglichen Gräuel 3 anzunehmen, sondern diesen sogar für heilig zu erklären
und ihn der ganzen Welt unter Androhung grausamer Strafen aufzuzwingen, es sei denn, man
wolle glauben, dass der Kaiser mit seinen ungerechten Vorschlägen die [Macht]herrlichkeit
Spaniens anstrebt, um dann unter den Ständen des deutschen Reichs gerechte Zustände zu
schaffen. 4 -[3]Gott kennt die Herzen der Menschen. Doch angesichts der jüngsten Ereignisse
kann Vadian überall nur Intrigen und Verschwörungen im Dienste der kaiserlichen ZwangsherrschaftBriefe_Vol_20-475 arpa
wahrnehmen. Es gilt nun abzuwarten, wie die Stände auf den Antrag des Kaisers
reagieren werden, um zu erfahren, ob die Deutschen noch mutig sind oder nicht. -[4]Bullinger
soll den beigelegten Antrag zurücksenden. In großer Eile. -[5][P.s...] Sobald Vadian
über die Antwort der Stände etwas erfährt, wird er Bullinger auf dem Laufenden halten. Die
Helvetier haben immer noch einen schlechten Ruf bei den Ständen. Man ist der Meinung, dass
der Kaiser im Begriff ist, einen heimlichen Bund [mit den Ständen] zu schließen, wenn dies
nicht bereits geschehen ist, wie Vadian es vermutet. Dann wird er Konstanz und die Helvetier
angreifen. Der kranke Kaiser wurde zur ersten Sitzung des Reichstages getragen. Allerdings
war seine Anwesenheit nicht von Bedeutung. Nicolas de Perrenot, Herr von Granvelle, ist die
rechte Hand des Kaisers. 5