[3018]
Autograph: Zürich StA, E II 351, 54 (Siegelspur) Druck: Vadian BW VI 653f, Nr. 1562
[1] Vadian hat seinen vorherigen Brief [Nr. 3012]dem Buchhändler Antonius 1 anvertraut, der
ihn wohl zuverlässig überbracht haben wird. Gestern hat Alexius [Knoblauch]2 Vadian dazu
angehalten, ihm einen Brief für Bullinger mitzugeben, SO dass die vorliegende Sendung mehr
aus Pflicht als aus dringendem Anlass entstanden ist, wobei es ja auch angebracht ist, in
diesen schlimmen Zeiten den Freund über die gegenwärtige Lage zu informieren. - [2] Ein
guter Bekannter [...] aus Lindau hat einem ehrenhaften Bürger [...] in St. Gallen Nachrichten
übermittelt, der Vadian wiederum bat, diese für Bullinger abzuschreiben. Er legt sie hier bei. 3
-[3] Es wird stets behauptet, dass die Spanier alles daransetzen, um im Zuge ihres Erfolges
gleichzeitig die Eidgenossen in die Schranken zu weisen. 4 Das scheint umso glaubwürdiger,
als Kaiser Karl V. (soweit Vadian es weiß) von den Städten am Bodensee noch immer nichts
zugunsten seiner Truppen eingefordert hat, als ob er vorhabe, sie für die Stationierung von
Garnisonen zu benutzen und als Wachtposten einzuspannen. Dazu kommt noch, dass die [süddeutsche]
Bevölkerung wegen der vielen und großen ihnen von den Eidgenossen aufgezwungenen
Schlachten einen seltsamen Hass gegen diese hegt. Wie die Hunde vergessen sie das
erduldete Leid nicht. Letztlich weiß auch Bullinger, wie allein schon das Wort "Schweizer"
dein Haus Österreich seit Langem verhasst ist! Auch wenn in der Vergangenheit Bündnisse 5
geschlossen wurden und unter dem Deckmantel der Freundschaft alles Mögliche vorgetäuscht
wurde, hielt man einander nicht die Treue. Unterdessen verspricht der Kaiser den Eidgenossen
seine Freundschaft. Doch ist es bezeichnend, dass Nicolas de Perrenot, Herr von Granvelle,
nie eine derartige Zusage gemacht hat. Er wird wohl beschlossen haben, den Ruf seiner
Heimat zu verteidigen, 6 die Eidgenossen ihrer teuer erkämpften Freiheit zu berauben und das
an so vielen Orten vergossene österreichische Blut zu rächen. - [4] Als verbürgt gilt, dass
hochrangige Angehörige des Hofes der Ansicht sind, dass der vom Kaiser errungene Frieden
in Deutschland und in Italien keine Zukunft hat, solange nicht auch den Eidgenossen (die sich
in ihrer Freiheit so manches erlauben) die Kandare angelegt wird. Alles in allein kann sich
Vadian nichts Gutes von derartigen Menschen versprechen! -[5]Gruß.