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Autograph: Zürich StA, E II 357, 257f (ohne Siegelspur) a Zusammenfassende Ubersetzung: Blarer BW II 667f, Nr. 1487
[J]Blarer dankt für die beiden liebenswürdigen Briefe [vom 24. (nicht erhalten) und vom 25.
Oktober (Nr. 3053)]. - [2] Die Konstanzer Obrigkeit ist sich der von Bullinger monierten
Gefahren [einer Aussöhnung mit Kaiser Karl V.] wohl bewusst. Am liebsten würde sie nichts
damit zu tun haben müssen. Doch angesichts der gefährlichen Lage bleibt ihr nichts anderes
übrig, als nach ehrlichen und christlichen Mitteln zu suchen, ohne dabei ihr Gewissen und
Gottes Ehre zu verletzen oder ihr Gottvertrauen preiszugeben. Sie ist aber von der Anteilnahme
der Zürcher sehr berührt. Gott möge diesen den Frieden erhalten und sie vor ähnlicher
Gefahr beschützen! -[3]Blarers Vetter Konrad Zwick wird den Zürchern schreiben und sich
zu ihrem freundlichen Angebot äußern, ein Schreiben [der Eidgenossen] an den Kaiser zugunsten
von Konstanz zu bewirken. Der Vetter hat alles gut erwogen und ist der Meinung, dass
man damit noch zuwarten sollte, bis der Konstanzer Bischof [Johann von Weeze] auch aufdringlich
wird. Und hoffentlich werden dann die anderen Eidgenossen der Abfassung eines
solchen Briefes zustimmen! -[4]Desgleichen möchte sich Blarer für Bullingers so berührendes
Angebot [ihm und den Seinen im Notfall Zuflucht anzubieten] bedanken und wird gegebenenfalls
gerne darauf zurückkommen, zumal man ja nicht weiß, was noch passieren kann. Er
ist allerdings entschlossen, bis in den Tod in Konstanz auszuharren, es sei denn, der Kaiser
wurde seine Auslieferung oder diejenige seiner Angehörigen anordnen und die Stadtbehörden
würden ihn bitten, die Stadt zu verlassen. Gott wende alles zum Besten! -[5]Georg Frölich ist
im Auftrag von Augsburg in Konstanz, um mit Sebastian Schertlin zu verhandeln. Er lässt
grüßen. Über Augsburg hat er lediglich berichtet, dass nun auch König Ferdinand dort angekommen
ist und dass man bald entscheiden wird, wo und wie das Konzil abzuhalten sei. Es
wird zu blutigen Verfolgungen derer kommen, die sich ihm nicht unterwerfen! -[6]Blarer will
noch schnell ein Schriftstück für [die Zürcher] abschreiben, welches gemäß einem gestrigen,
einstimmigen (Gott sei Dank!) Beschluss des Großen und Kleinen Rates Hans Jakob von
Landau [mitgegeben] werden soll. Man beschloss, beim Aussöhnungsgesuch sich weder zu
verpflichten, noch Bedingungen zu stellen, zumal es ja klar ist, dass man sich nicht auf etwas
einlassen würde, das gegen Gottes Ehre verstößt. Sollten aber die Konstanzer mit derartigen
Forderungen konfrontiert werden, haben sie keineswegs vor, darin einzuwilligen, und werden
auch ihre Haltung entsprechend zu verantworten wissen. Bullinger möge inständig für die
Konstanzer beten! -[7]Blarer hat seinem Vetter Bullingers Brief [Nr. 3053] nicht zum Lesen
gegeben, da dieser zum Schluss hätte kommen können, dass Bullingers Warnung vor etwaigen
heimlichen Anhängern des Kaisers in Konstanz auf ihn gemünzt sei. Doch solch ein Verdacht
wäre völlig unangemessen! Der Vetter ist nämlich bereit, für die Freiheit seiner Heimat zu
sterben! - [8] Am liebsten hätte er Blarer beauftragt, [auf das oben erwähnte Angebot der
Zürcher] zu antworten, zumal diese schon einige seiner früheren Schreiben missverstanden
haben. Blarer konnte ihn aber dazu bewegen, selbst zu schreiben. - [9] Es hat den Vetter
besonders gefreut, dass Bullinger nicht allein Blarer, sondern auch dessen Angehörigen einen
Unterschlupf anbietet. Er macht sich nämlich schon seit Langem Gedanken über das, was er
tun sollte, wenn er (der im Ernstfall mehr als alle anderen in Gefahr stunde) scheitern müssteBriefe_Vol_20-603 arpa
und in Konstanz nicht mehr bleiben könnte; und schon seit je hoffte er, dass ihm dann erlaubt
würde, sich nach Zürich oder Bern zurückzuziehen! — [10] Blarer hat aus seinem gestrigen
Gespräch mit Frölich heraushören können, dass dieser etwas über die von Zwick erfundene
Kriegsmaschine weiß und gerne mit Letzterem darüber sprechen würde. Blarer will allerdings
zunächst Frölichs Beweggründen und Absichten nachgehen. Diese Kriegsmaschine darf nur
Konstanz oder den Eidgenossen zugutekommen. Dies ist auch Zwicks Auffassung.
—[11] Das [oben erwähnte] Schreiben [das Hans Jakob von Landau mitnehmen soll] wurde
unerwartet von Blarer zurückverlangt, so dass er es nicht mehr abschreiben konnte. Der Vetter
meint, dass Blarer deswegen nicht beunruhigt sein musse, da er sowieso vorhabe, den Inhalt
dieses Schreibens in seinem Brief [an die Zürcher]zusammenzufassen. —[12] Soeben kommt
ein Brief aus Augsburg. Darin steht nichts Neues, außer dass König Ferdinand angekommen
ist und dass der Kaiser einem Prädikanten [Johannes Weiß] des Herzogs Moritz von Sachsen
das Predigen aufgrund dessen ausgelassener, freimütiger Reden untersagt hat. Es wird alles
noch schlimmer kommen!
Gnad und frid mitt allem gutem durch Christum von gott zuvoran, furgeliepter, sonders vertrauwter, getruwester bruder. Ewer zway schreyben 2 hab ich zu sonderm danck empfangen, dann 3 sy voller truw und liebe sind. Der herr seye ewer lon ewigklich.
Sovyl ewer getruw, christelich warnung betrifft, 4 könnend myne herren sölichs alles wol erkennen; und wann sy der sach möchtend ober 5 sein, were in 6 das allerliebst. Aber wie will oder soll man im 7 anderst thain 8 ? Die not und fahr 9 tribt und tringt, ehrliche und christeliche mittel ze stichen, und das, was ymmer müglich, furgenommen werde, on verletzung der ehren gottes und des gewissens, und darnach wyter den truwen gott walten ze lassen und den handel ze bevelchen. 10 Ewerer herren getruw mittliden nemmend die unser mitt aller danckparkait an. Der truw gott erhalt euch im frid und allem gütern ewigklich und lasß euch in gleyche farlichait nymmer 11 gerathen!
Des anderen halber, davon ir schreibt, 12 ob man dem k[aiser]13 von unseretwegen schreiben sollte, wert ir hiemitt beschaid von meynem l[ieben] vetter 14 empfachen, den es noch zu frü bedunckt; wellt 15 lieber, das es allso
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noch gespart wurde 16 , byß der bischoff 17 ouch drengen wirt. Und bedunckt mich warlich, wol von ime 18 bedacht sein. Sonst fröwt uns warlich hertzlich und treffelich wol und mehr dann 19 wol, das wir usß ewerm schreiben vernemmend, das ettlich gut herren der eweren sölich getruwe gedancken unserthalb habend, und diß genaigten willens sind, uns furderlich ze sein, dann wir danebend hoffend, sy solltend von den anderen 20 folg haben 21
So bedanck ich mich uff das allerhochst und getrulichst mir möglich ewers gantz christelichen empietens und brüderlichen begebens 22 des underschloffs 23 halber, welchs ich billich 24 für ain höchste gutthat erkennen soll (wills ouch allso bey euch bevorhaben, 25 , dann nieman waist, wie sich die sachen noch zutragen mögend) b , wiewol ich by mir entschlossen byn, myn lyb und leben by den meynen mitt bistand der gnaden gottes, wie billich, ze lassen, es were dann, das ich oder die meynen sonderlich gemaint und gesucht 26 , und allso von den unseren selbs 27 ze weychen gebetten wurden. Der truw vatter im himel wells alles dermassen anschicken 28 , das wir under dem schatten siner flugel 29 noch lenger schütz und schirm habind und unß desselbigen zu sinem lob gebruchind.
Der güt, fromm Laetus 30 ist hie. Hat von deren von Augspurg wegen mitt dem Schärtle 31 ze handlen. Bevilcht mir, euch vyl, vyl dienst 32 , ouch alles liebs und güts ze schreiben von seinen wegen. Sagt gar nichts newes von Augspurg, dann das der könig 33 auch an seye kommen und man gar bald des concilij halber schliessen 34 werde, wa 35 und wie dasselbig ze halten seye.
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Ach gott, da wirt erst angst, not, verfolgung und blutvergiessen angericht werden wider alle diejhenigen, die sich hierinn gehorsam nitt erzögen und bewyesen wellend! Gott erbarm sich seiner kirchen.
||258 Ich will euch yetz in höchster yl abschriben die schrifft, so auff gestert von klain und grossen räthen gantz ainhelligklich dem von Landouw 36 zuzeschicken 37 bewilliget worden. Man ist, gott hab lob, gantz ainig. Und für daß best angesechen, man articuliere und dinge nichts ausß 38 in der aussönung, dann, was wider gott und ehr, dinget sich selbs uß 39 , und wa es hernach uns sollte zugemutet werden 40 , ist man yetz nochmals des willens, darinn kainswegs zu gehellen 41 , und hat mans darnach gegen mengklichem 42 dest baß zu verantwurten 43 . Gott gebe gnad! Den bittend hertzlich und mitt allen truwen für uns, das wir nienen anstossind 44 , sonder allweg 45 uff richtigem weg durch seinen hailigen gaist gefurt und gelait werdind.
Ich hab meinem lieben v[etter] Conraten Z[wick] ewer schreiben 46 selbs nitt lesen lassen, dann ich besorgt, er möchte ain argwon fassen 47 , ir maintend vyllicht inn mitt dem, so jr schreibend, es mochten vyllicht by unß
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syn 48 , die vyllicht besser kaiserisch seyen, etc.; daran im aber treffelich 49 unrecht beschech, dann köndt er, wais ich wol, er sturbe, die libertatem patriae und ir wolfart zu erretten!
Er wollt mir bevolchen haben, euch ze schreiben dasjhenig, so er schribt 50 , dann er beschwardt sich des schreybens etwas, sonderlich diewyl ettliche seine schreiben vormals ouch nitt habind wellen recht verstanden werden, wie ers gemaindt. Aber ich hab inn doch ze schriben bewegt.
Es fröwt in sonderlich, das ir euch nitt allain mir, sonder ouch den mynen underschlof ze geben empieten, 51 dann er hat dise kunfftige fäll 52 all vor langem bedacht, und wie er seine sachen schicken 53 wellt im fal, das es sich hie nitt, wie es söllte, zutragen wurd. Hab allweg vernomen, das syn hertz und gemüt zu euch und gen Bern gestanden, und er sich dahein ze ziechen begert, wann sein füg nitt mehr sein wurde 54 , hie ze beleyben, wie er dann warlich mehr fahr dann sonst nieman hie zö bestohn hat, sollt es naiswan 55 ain ruchen, harten weg hiruß 56 wellen.
Ich hab vom Loto gestert under andern worten wol gemerckt, das er naiswas 57 ouch von des vetters sach und kriegskunst 58 wissens tragt und willens, mitt ime darausß 59 ze reden. Nitt waiß ich von wesß wegen oder waher er mitt 60 kompt. Will erst baß hinach 61 fragen. Ich beger hertzlich, das diß sach nieman dann dem vatterland oder amer Aidgnoschafft oder ettwarn 62 derselbigen im fal der not zu gutem keme. Waiß ouch, das er sölichs ouch sunst nieman baß gondte.
Die schrifft, so ich euch abschriben wellen, 63 ist von mir onversechens 64 widerum gefordert, und mir zu kurtz worden. Der vetter aber ist mittenzu 65 by mir gewesen und gesagt, ich soll michs nitt lassen irren 66 : Er welle euch 67 selbs ain summarium davon zuschreiben.
Datum in yl, den 28. octobris 1547.
[Ohne Unterschrift.] 48 es mochten vyllicht by unß syn: es könnte
vielleicht Personen unter uns geben. 49 erhebliches. 50 Gemeint ist: Er hätte lieber Blarer den
oben in Z. 15f erwähnten Brief schreiben
lassen. 5! Siehe dazu schon oben Z. 23-25. 52 Eventualitäten. 53 seine sachen schicken: seine Angelegenheiten
ordnen. 54 Gemeint ist: Wenn es nicht mehr angesagt
wäre. 55 irgendwann; s. Fischer IV 1990. 56 Aus der Lage, in der Konstanz sich damals
befand. 57 irgendetwas; s. Fischer IV 1990. 58 Zu Zwicks Kriegsmaschine s. Nr. 2980,
Anm. 15; Nr. 3066,76-79. 59 darüber; s. Fischer II 70. 60 damit. 61 danach. 62 jemandem; s. Fischer II 894, s.v. etwer. 63 Siehe dazu oben Z. 42-44. 64 unerwartet. 65 unterdessen. 66 michs nitt lassen irren: mich deshalb
nicht beunruhigen lassen. 67 Zwicks Brief ist belegt, aber nicht mehr
erhalten; s. oben Anm. 14.
Yetz hab ich schriben von Augspurg, aber gar nichts news, dann das der könig auch ankommen ist 68 und der kaiser des hertzog Mauritzen 69 prediger 70 das predigen propter immodicam grec 71 nidergelegt 72 hat. Sed sequentur atrociora. 73 |
[Ohne Adresse.]74