Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[271]

Hans Vogler an
Bullinger
St. Gallen,
11. Oktober 1533

Autograph: Zürich StA, E II 351, 152. Siegelspur. -Ungedruckt

Dankt für Bullingers treuen Beistand und beklagt sich über seine eigene Lage: Seine Feinde im Rheintal wollen ihn mit einem hohen Schadenersatz [wegen der vernichteten Kirchenzierden]zugrunde richten und dabei auch das Vermögen seiner Frau nicht schonen. Grüße. Bullinger soll ihm schreiben. Seine Frau ist bei der Weinlese im Rheintal. Er fühlt sich sonst wohl als Emigrant in St. Gallen.

Der herr unnsser gott stercke üch und uns, gebe unns das frölich end zu erkennen liplichen und ewig etc.

Min geliepter herr und bruder, üwer trüw, in miner trüpsal 1 bewisen, sag ich gott danck, der lasse mich, so ich gat darzu syg 2 , mit armem vermügen um üch mit kreften verdienend 3 , das pitt ich inn etc. Demnach miner sachen halb hoff ich, ir sunst wissen tragend, wie es uns gang. Der herr syg glopt, der gebe gedult, sinen guten willen zu tragen. Wissend, daß ich um das min komen, hoff schon fast verruwen 4 etc. Und so die von Platten 5 sechend, daß ich nüt mer hab, so ist die pratick, miner husfrowen 6 och zu schaden liden 7 . Dann ich hab vor inen 8 verlorn, den überzüg a 9 , so der hoptman Fryg 10 gotzhuslüt mit wissen ettlicher Zürch hinder mir 11 gethon, zalen selt 12 . Och die bilder, so verbrent sind; achten, es beträff noch ob 800 gulden an. Min herr maister Kaspar 13 , der getrüw, waist bed artickel. In gottes namen, es hatt alles sin zit 14 . Wenn er well, so habe er benügen, geb gnad zu dult 15 , dann ich erkenn billich,

a in der Vorlage übezug.
1 Siehe oben Nr. 203.
2 wenn ich gut genug dafür bin.
3 vergelten (SI XIII 169-171).
4 (Ich) hoffe, (es sei) schon bald, schnell (SI I 1111) verschmerzt (SI VI 1887).
5 Blatten im St. Galler Rheintal, Sitz des äbtischen Obervogtes, zu dessen Jurisdiktion auch die Gemeinde Oberriet gehörte, die von Vogler Schadenersatz für die im Jahre 1530 zerstörten Altäre gefordert hatte, s. oben S. 93, Anm. 8.
6 Appolonia Baumgartner.
7 so wird es ihre Taktik sein, daß auch meiner Frau Schaden zugefügt werden soll. - Frau Voglers «Weibergut» wurde erst Anfang 1534 vom Vermögen ihres Mannes abgetrennt und ihr zurückerstattet, s. EA IV/1c 266 mm.
8 in ihren Augen (SI I 927); s. noch unten Anm. 12.
9 Überfall (Grimm XI/II 691f); gemeint ist der Zug der Gotteshausleute gegen die Rheintaler Gemeinde Oberriet am 31. Dezember 1530, s. Frey 144-149.
10 Jakob Frei, um 1480/1490-1531, aus Zürich, war seit 1525 Mitglied des Zürcher Kleinen
Rates und trat am 25. November 1528 sein Amt als Schirmhauptmann der St. Galler Schirmorte Zürich, Luzern, Schwyz und Glarus an. Er war ein eifriger Anhänger der Reformation, zu deren Verbreitung in der Ostschweiz er mit seiner einflußreichen Stellung entscheidend beigetragen hatte. Den Zug gegen Oberriet führte er persönlich an. Frei fiel 1531 im Gefecht am Gubel. - Lit.: HBRG II und III, Reg.; Vadian, Diarium, Reg.; Kessler, Sabbata, Reg.; Jacob 156-158; HBLS III 246.
11 hinter meinem Rücken (SI II 1414); Vogler versuchte wiederholt, seine Schuld am Überfall auf Oberriet abzustreiten (s. Frey 148). Wenn er auch nicht persönlich an der Aktion teilgenommen zu haben scheint, so wurde sie doch zweifellos mit seinem Wissen durchgeführt, s. Frey 144.
12 Gemeint ist wohl: Ich habe in ihren Augen (vor ihren Gerichten) den Handel (Prozeß) verloren, daß ich den Überfall ... bezahlen sollte.
13 Kaspar Nasal, der sich wiederholt mit Voglers Angelegenheit zu beschäftigen hatte, s. HBBW II 115, Anm. 38.
14 Vgl. Pred 3, 1ff.
15 Geduld.


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sin hand an mich zu legen. Ich habs geappelliert für m[ine]g[nädigen]h[erren] die acht ortt 16 etc. etc.

Bittend gott für uns. Grützend mir Leony 17 , Pellican, Maister Werny 18 , Karolstady, Tumysen 19 , Erasme 20 und gliepte brüder. Gwiss wirt uns gott ain weg zaigen und die falschen lieby 21 schaiden. Ich pitt, ir wellend mich nit us hertzen lassen, wo es och gut syg, mir trost oder anders schriben, so vil müglich ist. Grützend mir üwer lieb husfrowen 22 und husgsind. Der gruß von Costentz von üch 23 , by zöger 24 , ist mir worden. Min husfrow ist im wimet 25 im Rinthal mit fil arbait, denn es gat vyl hindersich etc.

Actum in yl, Sant Gallen, sampstag vor Gally 26 anno 33 jar.

Gott syg lob, ich han nit mangel zu Sant Gallen, och gantz günstig herren; mir ist wol.

Üwer williger

Hans Vogler.

[Adresse auf der Rückseite:] An min fygelieptten [!] hernn und bruder M. Hainrich Bulligem, prediger zu Zürych, zu handen.

16 Die acht sich in die Regierung der Landvogtei Rheintal teilenden Orte Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern, Zürich, Zug, Glarus und Appenzell. -Eine Bittschrift von Vogler an die acht Orte ist nicht bekannt.
17 Leo Jud.
18 Vielleicht Werner Beyel, mit dem Vogler Kontakt hatte (s. HBBW II 39, 25f und Anm. 35), oder Werner Steiner.
19 Pfarrer Johann Rudolf Thumysen.
20 Erasmus Schmid.
21 Vgl. Röm 12, 9f.
22 Anna Bullinger, geb. Adlischwyler.
23 Zu Bullingers eben beendetem Besuch in Konstanz s. unten, S. 220, Anm. 15.
24 Zeiger, Überbringer des Briefes; unbekannt.
25 Weinlese.
26 1533 fiel der Gallustag (16. Oktober) auf einen Donnerstag, der Samstag davor war also der 11. Oktober.