[3101]
Autograph: Zürich StA, E II 351, 9 (Siegelspur) Druck: Vadian BW VI 587, Nr. 1512
[1] Vadian wurde durch Johannes Stumpfs Brief 2 über das Problem mit Ägidius Tschudi
unterrichtet. 3 Man sollte also nun Menschen verschonen 4 , die sich alles andere ais behilflich
erwiesen haben! Vadian glaubt zu wissen, dass Tschudi ein Cousin väterlicherseits des Abtes
[Georg Tschudi] von Kreuzlingen ist, 5 mit dem er ein brüderliches Verhältnis hat. Zudem ist er
seit jener Zeit 6 als er [äbtisch-st. gallischer] Obervogt von Rorschach war, sehr befreundet
mit Abt [Diethelm Blarer von Wartensee]7 von St. Gallen. Demnach wurde ihm schon seit
Langem Zugang zu allen Räumlichkeiten dieser Abtei gewährt, und so durfte er deren Bibliothek
wie auch das sich in Wil befindende Depositorium 8 nicht nur einmal inspizieren. Auch
wurde ihm erlaubt, die Bibliothek des Klosters Pfäfers 9 zu benutzen. Auf diese Weise konnte er
schon längst alle mittelalterlichen Quellen dieser Klöster mit der Erlaubnis von deren Äbten
einsehen! Er hegt von Natur aus ein großes Interesse für die Geschichte im Allgemeinen (wenn
er dieses nur auch für die Heilige Schrift bekunden würde!), auch wenn er sich wünschte, dass
andere als er sich dem Mittelalter widmeten. Er hat Vadian stets freundlich behandelt und
diesem immer wieder seine Hilfsbereitschaft versichert, so dass er ihn wohl nicht abweisen
würde, wenn dieser sich nun bei ihm für Stumpf oder irgendeinen anderen einsetzte. Vadian
denkt aber, dass es besser wäre (Bullinger möge sich darüber nicht ärgern 10 ), wenn Stumpf
selbst Tschudi anschreiben würde. Deshalb legt er Stumpf den Entwurf 11 einer möglichenBriefe_Vol_20-728 arpa
Antwort bei, mit der es diesem bestimmt gelingen wird, Tschudis Arger zu besänftigen. Denn
durch ein solches Schreiben wird Tschudi wohl begreifen, wozu Stumpf fähig wäre, wenn er
(Tschudi) seinen Unmut mit der Feder bekundete, statt sich in Zurückhaltung zu üben. Wenn
ihm aber ein anderer als Stumpf schreiben würde, könnte er zu dem Gedanken verleitet
werden, dass [die Protestanten] in Angst und Verlegenheit geraten seien, und er könnte sich
sogar Von einer Polemik wer weiß was erhoffen. Stumpf verhindert dies aber, wenn er Vadians
Rat befolgt. 12 -[2]Bullinger und den Seinen wie auch all den Kollegen wünscht Vadian ein
ganz gutes neues Jahr im Herrn.Briefe_Vol_20-729 arpa
Anhang
Vergessene und neu entdeckte Briefe