26
Autograph, Konzept: Zürich ZB, Msc F 47, 272r. -273v. 4 S. 4°, sehr gut erhalten Ungedruckt
Beantwortet ein Schreiben seiner Braut, die ihm mitteilte, daß sie das Kloster doch nicht verlassen wolle; beklagt sich über diesen unerwarteten Wandel, hält ihr das Eheversprechen vor und sucht ihre Gründe mit biblischen Argumenten zu entkräften: die Ehe sei gottgewollt, darum solle sie nicht befürchten, daß manche ihren Austritt als Ärgernis empfinden würden. Er bittet sie, seine Liebe und Beharrlichkeit nicht dem Spott preiszugeben, sondern ihm ihre Treue zu bestätigen.
Ich hette mich diner gar 3 abgekünten a4 antwurt 5 nie versähen 6 , ist mir so vil
untraglicher xin 7 , so vil unverhoffter sy was. Und beunbillet 8 mich din schryben,
sidmal 9 du einer sölichen vernunfft bist, 10 , daß du wol ermessen kanst: wo 11
ich min gmüt, hertz, lieb und trüw anderschwo hin gesetzt hette 12 , dann alein
zu dir, miner einigen, so hette ich so lang nitt gewartet, dir nützid geschryben,
ander eerlich lüt nitt hinggeben, mich nitt lassen so lang von aller wellt triben 13 .Briefe_Vol_01-146 arpa
Hab vil uß grosser liebe und hoffnung zu dir gethon; so lug, wie du min dienst
annemist 14 , oder wie billich 15 min trüw lassist ze schanden werden! Des hofierens
16 und eeren fürwortens 17 ist langist gnug, wir handlend von eeren wägen 18 .
Hätt derhalb deß wäsens 19 alles nüt bedörffen, sidmal und du vil fryer mir
vorhyn dann jetzund geschryben hast, und irrt nitt 20 , daß du redst: «Ja ich
vermeinn nitt 21 , das unsere reden gethon uns ützid 22 söllind schaden» 23 . — Das
hastu gwüsslich geredt und gschryben uß anfechtung; wann 24 sinn hindersich 25
an din voriges schryben 26 , so wirst anders erfinden 27 etc. b , namlich c daß du mir
zu dinem teyl 28 fry verwillgot 29 hast, so wyt und ouch die dinen 30 daryn verwilligind,
und lutend dine wort also: (Recita 31 ). Nun, so hat min herr von liebe
und trüwen wegen den handel anzogen gegen dinen b[ruder] Hansen 32 , an dem
dir allermeist gelägen ist 33 , und er hat fry verwillget, so ferr und du verwillgist.
Nun hastu verwillget, so ist jetzund die verwillgung volkommen; kanst dich vor
gott mitt gheinem rechten mir entzühen 34 , dann eins christen red sol also sin,
daß «ja, ja» sye [Mt 5,37]. Ermanen dich eben als vast 35 durch das lyden Christi
als du mich, daß du mir halltist 36 und dich erzöugist 37 , wie ich dir wol vertruw
und ich wol weiß, daß gottes will und ordnung ist d .Briefe_Vol_01-147 arpa
Es ist ye gwüß, daß gott den eelichen stand hat ingesetzt, daß man ye damitt nitt sündet 38 . Redstu schon, so wellist der anfechtung widerston, sich 39 , so fürcht ich warlich, du thügists 40 mee von wägen din selbs und der welt, dann daß du entsitzist 41 , du mögist nitt so gottselig in der ee als usset 42 der ee e läben. Lieber, womitt gastu umb, weß nimpstu dich an 43 ? Sind nitt die höchsten gottes fründ [Jak 2,23]beider testamenten eelüt gewäsen 44 ? Und daß Paulus die reinigheit lopt, thut er dorumb, daß unser fleisch so vil mee ruwen hab; erfindet sich fry 45 in Corintheren [1 Kor 7,28]. Dorumb such nitt erst sölich usszüg 46 , und erckenn, daß du ouch ein mensch bist, vermiß dich nitt ze vil 47 etc.
||272v. Zum höchsten aber beduret mich 48 , daß du yemerdar mitt der ergernuß dahar züchst und die selb erst beschwarist mitt den worten Christi: «We dem, der da verergeret!» [Mt 18,7.] Lieber, so sag an 49 , vermeinst nitt, daß ich als wol Christi sye als aber du und also ungern yemands verergeren welte als ouch du? Was heyst ergernuß? Kumpt es nitt vom argen und bösen har? Ja. Was wöllend nun die wort Christi f Mathaei 18 [7]: «We dem menschen, der da verergeret»? Kanstu anders daruß machen, dann: Wee dem menschen, der ein so schantlich böß arg läben fürt, daß sich ander lüt daran stossind, ouch böser werdent, oder dardurch verletzt werdint? Oder, so das nitt der worten sinn ist, worumb volgt dann grad hernach: «Wenn dich aber din hand oder fuß irrt 50 , so how inn ab und wirff inn von dir» [Mt 18,8]? Sich, hand und fuß sind die sündigen glider: Collos. 3 [5ff]. So söllend wir die sünd abthun, daß wir damitt niemands verergerind.
Nun, so züchstu in unseren handel 51 die ergernuß herinn: es werdint sich daran vil frommer verergeren. So ists ye gwüß, daß man sich alein am argen muß verergeren; und sy verergerend sich an dinem handel, so muß din handel böß und arg sin: so ist ouch die ee arg. Sich, wohin du kummist! Was sagt aber Paulus Ebrae. 13 [4]? «Eerlich ist die ee by allen und die eelichen werck one sünd» 52 . —Ja sprichstu: sy verstonds aber nitt, daß es uns recht 53 ist. -Wer verstadts nitt? — Vil frommer menschen. — Sich, sich, das ist erst schön! Isaias spricht: «Wee üch, die ir sprechind, das gut sye bös und das böß gut!» Isaie 5 [20].
Briefe_Vol_01-148 | arpa |
---|
Nun so ist die ee, als gott sine propheten und apostlen zügen, gut; und die redint, sy sye böß, aber ||273r. imm kloster hocken und da plären 54 und fuulen 55 , das aber gott verwirft, sye gut. So lug 56 , was frommer menschen du mir fürstellist 57 ! Kurtz: ghein frommer kan sich an dem verböseren 58 , das recht ist. Verärgeret er sich aber, so ist er der frommgheit 59 nitt berycht 60 .
Die ee ist allen stenden erloupt: 1. Timoth. 4 [1-5]; 1. Corin. 7 [2.9.27 ff]; Mathaei 19 [3ff]. Deß wellend sich die nitt berychten lassen, die sich ergerend, dann mans gnug sagt; so sind sy ye nitt schwach, sunder wellend mitt gwallt verergeret sin. Es sind grad die, so sich an allen ordnungen gottes stossend. Sölte man nun denen allen uuswarten 61 und nitt vil me fürfaren 62 in dem, das recht ist, so wurde doch uß christenlicher religion nützid dann 63 ein verzagen, zufen 64 und hin und widerfallen. Summa: ghein fromm hertz hat an dem ein missfallen, das recht ist; hats aber ein missfallen, so ists noch nitt recht fromm. Sölte man nun den selben allwäg 65 volgen, so wurdint wir und sy undergon. Also g spricht der psalmist: «Du solt den bösen nitt volgen», Psal. 37 [27]h .
Hierumb 66 gedenck mir der ergernuß in der gstallt 67 nitt mee, oder sag mir vorhin fry heruß: die ee ist arg. Mich dunckt i aber, du wöltist nun gern ouch der wellt gfallen, dann du redst, sy werdint sagen, du syest von bübery 68 wägen heruß gangen. Sich, sich, das sind fine kindlin, die man nitt verergeren sol, die da redent, die ee sye büberey! Gedenck S. Pauli: «Wenn ich welte den menschen gfallen, so wurde ich gott nitt dienen» [Gal 1,10]. Ja, es wirt nitt also zuogon, daß man uns allweg zarten 69 sölle. Christus, gottes son ist selbs on hinderred 70 und schmähen nitt xin 71 , dorumb müssend wir sy ouch nitt achten: 1. Petri 4 [1ff]. Du must ouch deß ammans 72 tröwen 73 nitt fürchten. Solomon spricht: «Wer
Briefe_Vol_01-149 | arpa |
---|
den menschen fürcht, der valt 74, wer aber inn gott hoffet, der wirt erhallten» [Spr 29, 25]. Du k kendst 75 den amman also, daß dich billich sin red nitt bewegen söllt, besonders so er alein in zytlichem schaden mag 1.
Lieber, bis nitt ||273v. so kindsch plug 76 und anfechtig 77 , du, die gottes und sines worts gute erkantnuß hast 78 ! Sich an, daß ich fry alles umb dinetwillen verachten mag, daß ich dich alein begeer! Darfst 79 nitt der fürworten 80 : «Ich bin nitt für dich»; da laß mich umb sorgen 81 ! Biß 82 ein wenig früntlicher und laß mich geniessen 83 ; hab ich dir ye guts thon, mach mich mitt dinem abtretten 84 nitt zu schanden! Gib mir ein früntliche antwurt, deß mustu by mir geniessen den tag, den du lepst 85 !
Jetzund gnade dir gott 86 der geb dir ouch in din gmüt, daß du mitt fröuden sinen willen thügist. Datum m.