Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3114]

Johann Leopold Frey
an Bullinger
Biel,
Freitag, 20. Januar 1548

Autograph: Zürich StA, E II 360, 469 (Siegelspur) a Ungedruckt

[1]Gott sei Dank geht es Bullinger samt Familie gut, wie auch Frey und den Seinen! -[2]Es seien zum Ersten ein Mann, zum Zweiten seine Mutter, zum Dritten der Bruder der Mutter und zum Vierten die Tochter des Bruders vorausgesetzt. Der Mann darf [laut Leviticus 18]jene Tochter [seine Cousine] heiraten, nicht aber die Tochter der Schwester seiner [verstorbenen]Gattin, wo doch der Mann mit seiner Gattin im gleichen Verwandtschaftsgrad zu stehen scheint wie mit seiner Mutter, und die Schwester der Gattin nicht enger mit dem Mann verwandt zu sein scheint als dieser mit seinem Onkel. Man hat also 1. den Mann, 2. die Mutter des Mannes, 3. den Onkel mütterlicherseits, 4. die Tochter des Onkels. Dem gegenüber wiederum 1. den Mann, 2. die Frau des Mannes, 3. die Schwester der Frau, 4. die Tochter dieser Schwester. -[3]Angesichts desselben Verwandtschaftsgrades von Cousine und Nichte wunderte sich Frey, warum es nicht erlaubt ist, eine Tochter einer Schwägerin [zu heiraten]. Denn dies ist ja bei einer Tochter eines Onkels trotz ihrer Blutverwandtschaft erlaubt. -[4]Im Zuge eifriger Nachforschung hat Frey aber erkannt, dass ein Mann seiner Mutter nicht so nahesteht wie seiner Gattin. Denn während im ersten Fall Mutter und Sohn durch einen Verwandtschaftsgrad von einander getrennt sind, trifft dies zwischen Mann und Gattin nicht zu. Bei einer schematischen Aufzeichnung wurde ihm klar, dass entgegen seiner bisherigen Meinung die Nichte mit dem Mann näher verwandt ist, da dieser mit seiner Gattin einen einzigen Leib bildet. Demzufolge will Frey mit dieser Angelegenheit Bullinger nicht länger lästig fallen, es sei denn jener wäre der Meinung, dass Frey mit seiner Erklärung falsch liegt. -[5]Grüße, auch von Freys Gattin [N.N.]. Die beiden lassen Bullingers Gattin Anna [geb. Adlischwyler]und die Kinder sowie Rudolf Gwalther, Johannes Haller, Johannes Fries und Theodor Bibliander ebenso grüßen. Bullinger bleibe Frey weiterhin gewogen.

a Ohne Schnitt- oder Nadelstichspuren.
Nr. 3095,12, bereits von Frölich nach Zürich gesandte "Epistola apologetica"bzw. "Responsio" auf Pedioneus Werk gemeint. Um welche Schrift es sich bei dieser "Epistola"resp. "Responsio"handelt, konnte nicht ermittelt
werden. In HBBW XX, Nr. 3094, Anm. 30, wurde letztere Schrift irrtümlich mit der in HBBW XX, Nr. 3094,55-57, erst angekündigten und oben in Anm. 10 erwähnten Schrift Naogeorgs identifiziert.


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S.D.P. Te tuosque valere, charissime pater, summopere gaudeo. Ego cum meis itidem optime valeo gratia dei.

Quod me angebat, hoc fuit: 1 Vir (in quo primum seu gradum seu personam statuebam) potest habere matris (quam alteram ab hoc personam faciebam) sue fratris, hoc est avunculi sui (qui mihi tertius iam erat) filiam, que quarta ab ipso viro persona videbatur. Idem vero non ducere potest uxoris sue (quam hoc loco tantum a viro quantum matrem vin divellebam) sororis, id est siner gschwygen 2 (quam non minus iam a viro quam avunculum distare iudicabam) filiam. Et, ut magis, quid senserim, liqueat, sic ordinabam: b 1. vir, 2. mater huius, 3. matris frater vel avunculus, 4. avunculi fila. Rursum 1. vir, 2. uxor vin, 3. uxoris soror, 4. sororis istius filia. b

Jam, quia avunculi fila und der gschwyen dochter mihi paribus distantiis a viro distracte viderentur, mirabar, quo pacto permissa avunculi fila prohiberetur der gschwyen dochter, praesertim cum hec viro solum affinitate, illa vero consanguinitate iuncta esset.

Nunc demum sedula inquisitione facta vidi non pari longinquitate a viro uxorem removeri cum matre vin, et matrem a viro quidem numerari gradum, uxorem vero ipsius non itidem. Propterea, cum ita pingo: 1. vir et uxor 1. vin mater 2. matris frater 3. fratris fila 1. uxoris soror 2. sororis fila

Video a viro propter coniugem, quae pars est altera corporis, 3 gradu proximiorem esse, quam aeque remotam credideram. Quodsi tibi rem recte tenere videor, cesso tibi esse molestus. Sin minus, cupio denuo doceri.

b-b Die Nummerierungen der Verwandtschaftsbezeichnungen stehen in der Vorlage über der Zeile.
1 Frey hatte sich in der Frage, weshalb die Ehe nach mosaischem Gesetz von Cousin und Cousine erlaubt, von Onkel und nichtblutsverwandter Nichte hingegen verboten sei, die er sich nachfolgend selbst beantwortet, bereits zweimal, nämlich am 13. November und am 1. Dezember 1547, an Bullinger gewandt; s. HBBW XX, Nr. 3075,7-26 mit Anm. 6f; Nr. 3087,1-14 mit Anm. 2-6. -In der Neuauflage von Bullingers "Der christlich eestand"
(HBBibl I 130; BZD C383; VD16 B9579), die noch im Laufe des Jahres 1548 erschien, blieb eine Anpassung oder Präzisierung des Texts bezüglich der Ehe von Cousin und Cousine aus; s. HBBW XX, Nr. 3075, Anm. 9.
2 Schwägerin.
3 Vgl. z.B. Gen 2, 24; Mt 19, 6; Heinrich Bullinger, Der christlich eestand, Zürich 1540 (HBBibl I 129; BZD C288; VD16 B9578), f. Avi,v.


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Salutant te nostri omnes. Salutem ex me et uxore 4 mea dices coniugi 5 liberisque tuis 6 totique familie, necnon d.d. Gvalthero, Hallero, Frysio, Theodoro 7 et ceteris. Vale et me, sicuti soles, ama. Biellnis, 13. kalendas februarii 1548. Tuus ex animo To. Leop. Fry.

[Adresse auf der Rückseite:] Doctissimo piissimoque viro d. Heinrycho Bullingero, patri suo plurimum observando. Zürich.