Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3138]

Oswald Myconius
an Bullinger
Basel,
Dienstag, 14. Februar 1548

Autograph: Zürich StA, E II 336, 284 (Siegelspur) a Zusammenfassung: Henrich, Myconius BW 1016, Nr. 1130

[1]Myconius wartet [bis jetzt]vergeblich auf ein Schreiben von Bullinger, schreibt aber nun [erneut], da er von der Frau [NN] von Konrad Wedenschwiler darum gebeten wurde. -[2]Ihr Mann soll zusammen mit [Timotheus Schauber] aus Basel geflüchtet sein und sich nun in Zürich aufhalten, nachdem die beiden Männer einen Augsburger Studenten [N.N.] so schwer am Hals verwundet hatten, dass dieser laut den Wundärzten in Lebensgefahr schwebte. Seine Frau, die er samt dem Töchterchen in Basel zurückließ, möchte nun wissen, ob er in Zürich sei oder nicht, was er treibe und warum er nicht auf ihre drei Briefe geantwortet habe. Sie ist nämlich in großer Unruhe, weil sie nicht weiß, wo er steckt und was er vorhat. Der [verwundete]Schwabe beginnt sich zu erholen und es besteht Hoffnung, dass er einen öffentlichen Schadenersatz erhält. Wedenschwilers Frau befüchtet aber, ihr Mann könnte sich in seiner Verzweiflung den vielen eidgenössischen Männern anschließen, die sich, wie man hört, [in den Dienst] von Papst Paul III. begeben wollen. Es findet sich sicherlich ein Weg, wie er nach Hause zurückkehren kann, selbst wenn er [eine Strafe] zahlen muss! Soweit das Anliegen der Frau. -[3]Gestern traf eine Nachricht von einem jungen Schaffhauser [N.N.] aus Straßburg ein: Dieser hörte einen bedeutenden Mann [N.N.] sagen, dass die Zürcher, Berner, Basler und Schaffhauser durch Abgesandte bei Kaiser Karl V. um Frieden bitten. Als er mutig widersprach, wurde er beinahe geschlagen! So sehr beharrte der andere auf seiner Meinung. -[4] Von den Gerüchten, die gewisse üble Leute [N.N.] über das bis jetzt standhafte Konstanz verbreiten, weiss Myconius nichts. -[5]Grüße, auch an Rudolf Gwalther.

S. Desydero tuas, sed frustra. 1 Quod nunc scribo, rogatus facio.

Est Cunradus Wedenschwiler 2 apud vos, ut dicunt, qui una cum alio quopiam vulneravit collum hic Augustani studiosi tam periculose, ut vulnus minaretur iudiacibus

a Mit Schnittspuren.
1 Myconius hatte Bullingers Brief vom 11. Februar 1548 (Nr. 3137) offensichtlich noch nicht erhalten.
2 Bei dieser Person wird es sich vermutlich nicht um den gleichnamigen Magister handeln, der 1563 als Fraumünsterammann in Zürich wirkte und dessen Tod am 22. Juni 1567 verkündet wurde. Sollten die beiden wi
der Erwarten identisch sein, handelte es sich bei der im Folgenden genannten Ehefrau um Margreth, geb. Form, deren Tod am 25. Oktober 1551 verkündet wurde; s. Zürich StadtA, I.A.728; Totenbuch der Stadtkirchen 1549 bis 1574 (StadtA Zürich, VIII C 48), Nr. 2080; Nr. 266.


briefe_vol_21-185arpa

chirurgis mortem. 3 Aufugit ergo ille cum socio relicta uxore 4 et fihiola. llla rogavit, ut scriberem ad te, si nosse possit, an Tiguri sit, an non, quid rerum agat, cur ternis literis uxoris non respondeat. Turbatur enim hec vehementer, quod ignorat, ubinam sit et quid in animo habeat. Incipit Suevus revalescere, et spes est, quod brevi sit usurus publico 5 . Rumor est ex Elvetiis milites exire ad papam 6 magna multitudine. 7 Timet uxor, ne et ille persuasus a desperatione pariter excurrat. Si manserit, non difficulter invenietur via, qua redeat in urbem, etiamsi quid numerandum sit. Habes, quod illa per me petit.

Venerunt heri litere ex Argentina scripte ab adulescente quodam Scafhusiano 8 . In his est se audisse ex viro magno 9 Tigurinos, Bernenses, Basilienses et Scafhusianos legationem habere apud cesarem 10 et petere pacem. 11 Dumque adulescens audacter negaret, periculum erat, ne verberaretur. Adeo constanter, quod narrarat, adserebat alter.

De Constantia hactenus constante nescio, quid mali quidam 12 murmurent. Vale in domino lesu cum Gvalthero. Basilee, 14. februarii anno 1548. Tuus Os. Myco.

3 Laut der Eintragung in Gast, Tagebuch zum Sonntag, dem 29. Januar 1548, verletzte ein gewisser Timotheus Schrauber gemeinsam mit einem dort nicht genannten Setzer, einem Verwandten (affinis) des Basler Drucker Bartholomäus Westheimer, einen namentlich ebenfalls nicht genannten Studenten lebensgefährlich am Hals. Bei dem Verwandten wird es sich um den hier genannten Wedenschwiler gehandelt haben. Laut Gast soll sich der Anschlag in der Basler Augustinergasse aus purem Mutwillen (ex mera petulantia) ereignet haben. Sollten sich die Angaben Gasts und Myconius' nicht widersprechen, sondern ergänzen, wäre demnach ein Student aus Augsburg in der Augustinergasse angegriffen worden; s. Gast, Tagebuch 304; Reske 2 80f. - Die Verwandtschaft von Wedenschwiler und Westheimer kann nicht eindeutig geklärt werden. Der Angabe bei Reske 2 , dass Westheimer gemeinsam mit seiner zweiten Ehefrau Elisabeth 1543 das Haus "Zum schwarzen Bären" erworben hätte, liegt ein Lesefehler zugrunde: Westheimer kaufte das Gebäude am 9. Mai 1543 und verkaufte es 21. April 1548, beides
gemeinsam mit seiner Frau Juliane Schlierbach. Die bei Reske 2 2 genannte Frau namens Elisabeth war nicht Westheimers zweite Gattin, sondern die Ehefrau des Käufers Michael Isengrin; s. Basel StA, HGB 1 147/17 (Petersgasse 13), Einträge zum 1543 Mai 9 und zum 1548 April 21.
4 Unbekannt.
5 sit usurus publico: öffentliches (Schmerzens)geld annimmt.
6 Paul III.
7 Mehr über Jost von Meggens Vorhaben, mit mehr als 200 Söldnern nach Rom zu ziehen, um dem Papst dort als Schweizergarde zu dienen, sollte Myconius später aus Bullingers Brief vom 11. Februar 1548 erfahren; s. oben Anm. 1 und Nr. 3137,24-27.
8 aus Schaffhausen. - Der junge Mann aus Schaffhausen, der sich zu der Zeit in Straßburg aufhielt, ist unbekannt.
9 Unbekannt.
10 Karl V.
11 Ein falsches Gerücht.
12 Unbekannt.


briefe_vol_21-186arpa

[Adresse auf der Rückseite:] D. Heinricho Bullingero, viro doctissimo, in domino suo. Zu [rich]b .