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Autograph: Zürich StA, E II 357, 823f (ohne Siegelspur) a ; [Beilage von Johannes Hallers Hand 2 :] A 205.2, Nr. 25. Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 692f Nr. 1517 Druck der Beilage: Marmor, Übergabe 289
[1]Herzog Ulrich von Württembergs [Regentschaft in seinem Herzogtum] ist [durch die
Klage König Ferdinands 1.1 gefährdet. Das Gerücht, Kaiser Karl V. habe die Angelegenheit
selbst in die Hand genommen, ist nicht wahr. Er soll aber laut jüngsten Augsburger
Berichten zwei Verhandlungstage unter dem Vorsitz des Kölner Erzbischofs Adolf III. von
Schaumburg [im Rechtsstreit Ulrichs] mit dem König anberaumt haben. Ferner soll Ulrich
wohl nach der bald zu erwartenden Urteilsverkündung sein Land verlassen müssen oder
aber nur unter unzumutbaren Belastungen bleiben dürfen. Dabei wird wohl Letzteres
geschehen, weil [König und Kaiser] sonst befürchten müssten, dass sein Sohn Christoph
von Württemberg [Ansprüche auf das Herzogtum]erheben könnte. -[2]Die Hochzeit vom
Königssohn Maximilian und der Kaisertochter Maria soll bald stattfinden. -[3]Gemäß
glaubwürdigen Schreiben [aus Augsburg]entlässt der Kaiser die Gesandten und Stände
unter der Bedingung vom Reichstag, dass sie sich zu dessen Abschluss sogleich an jenem Ort
wiedereinfinden werden, den er bestimmen wird. Sicherlich wird es Straßburg sein, denn so
hätte Karl V. einen Vorwand, sich auch in die Angelegenheiten dieser Stadt einzumischen.
-[4]Die [Lindauer]werden weiterhin Johannes Haller als Pfarrer berufen wollen, da der
[von Bullinger für dieses Amt vorgeschlagene]Augsburger Pfarrer Michael Keller kürzlich
verstorben ist. Überall herrscht großer Predigermangel. Die guten Pfarrer werden nach
und nach mit ihren Gemeinden aussterben. Danach werden Pfarrer, Gemeinde und Kirche
allesamt schlecht sein: Alles verkommt! -[5]Karl V. hat der Stadt Ravensburg die Wiedereinsetzung
Gerwig Blarers, des Abts von Weingarten, und der ehemaligen, [altgläubigen]
Geistlichen der Stadt sowie deren Entschädigung, die Rückgabe der Pfarrstellen und der
Kirchengüter innerhalb der nächsten sechs Tage angeordnet. Zudem soll den altgläubigenbriefe_vol_21-302 arpa
Ravensburgern der Messebesuch wieder erlaubt sein. Bei Nichteinhaltung droht der Stadt die
kaiserliche Acht. Gott steh [den Evangelischen] in diesen schwerwiegenden Anfeindungen
bei! -[6]Die Stadt Ravensburg wird scharf vom Kaiser angegangen, da sie entgegen dem
Wormser [Reichstagsabschied vom 4. August 1545]die [Reformation am 12. Oktober 1545]
eingeführt hat, ohne dass ein allgemeines Konzil getagt hätte. Das geschah jedoch nur, weil
sie [nach der Unterzeichnung des Abschiedes]eines Besseren belehrt und durch die göttliche
Wahrheit erleuchtet worden ist! -[7]Ein vornehmer Mann [NN], der frei am Hof und
Tisch des Kaisers verkehrt, berichtete jemandem [N.N.]dieser Tage aus Augsburg, dass der
Kaiser sich nicht mit den Konstanzern aussöhnen werde, außer sie bäten ihn unterwürfig
darum. Andernfalls werde sich ihre bedrückende Lage nicht ändern. Außerdem werden sie
womöglich noch diesen Frühling eine drastische Strafe erleiden. [Soweit aus Augsburg].
Große Angst, Jammer und Not stehen der Welt überall bevor! -[8]Die Konstanzer haben
gerade [am 28. März 1548]den kaiserlichen Geleitbrief erhalten. Dieser ist [hinsichtlich
der sicheren Rückreise] so vage, dass einige ernsthaft besorgt sind. Es ist also Vorsicht
geboten! -[9]Bullinger soll für die Konstanzer und alle Rechtgläubigen beten, damit
Gott sie an seiner Weisheit und seinem Rat teilhaben lässt, so dass sie nicht von seiner
Richtschnur abweichen und sich nicht vom Betrug der Kinder der Welt [Lk 16, 8]täuschen
lassen, sondern aufgrund ihrer eigenen Aufrichtigkeit und derjenigen seines Geistes für
ewig bewahrt werden. -[10]Die Eidgenossen sind zur fürstlichen Freigebigkeit "ihres"
Königs Heinrichs II. von Frankreich zu beglückwünschen. Mögen sie dieses Gut zum Ruhm
Gottes nutzen! -[11]Blarer bittet um Bullingers Urteil über die beiliegende Abschrift des
kaiserlichen Geleitbriefes. Dieses vertrauliche Dokument darf nicht abgeschrieben werden,
da Blarer sonst in Schwierigkeiten kommen könnte. Er bittet daher um Rücksendung. Er
hat zufällig erfahren, dass ein Bote Briefe des Konstanzer Rats nach Zürich übermitteln
wird. Er weiß nichts über deren Inhalt, kann dem Boten aber sein Schreiben mitgeben.
-[12]Bullinger möge nach Möglichkeit das im Umschlag [des vorliegenden Briefes]eingelegte
Schreiben an Marcell Dietrich von Schankwitz übermitteln. -[13]Er soll außerdem
bitte über Octavien Blondel berichten, der, wie Blarer kürzlich erfahren hat, verbrannt
wurde, weil er die päpstlichen Gesetze übertreten hatte. -[14]Grüße an Bullingers Familie,
Kollegen und Freunde. -[15][Beilage:]Karl V. fordert den Bürgermeister und den Rat der
Stadt Konstanz zur Entsendung von Gesandten nach Augsburg auf Diese sollen demütig
um Gnade bitten, da sich die Konstanzer an den Kriegshandlungen des Schmalkaldischen
Bundes beteiligt und noch nicht unterworfen haben. Die Gesandten sollen [in Augsburg]auf
die kaiserliche Entscheidung [über die Aussöhnung] warten. Der Kaiser gewährt ihnen mit
diesem Brief freies Geleit nach Augsburg und zurück in ihre Heimat. -[16]Allen Ständen
und Mitgliedern des Reichs, den Landesherren samt ihren Untertanen und Würdenträgern
sowie allen Offizieren (auch den Reitern und Fußsoldaten!) sei geboten, den Konstanzer
Gesandten und ihren Begleitern freies Geleit zum Kaiser zu gewähren und ihnen nichts
anzutun, auch nicht durch irgendjemand anderen. [Bei Missachtung]droht die Reichsacht.briefe_vol_21-303 arpa
Mitt dem hertzog von Wirtemperg 3 staht es gantz fahrlich 4 . Es kam ain geschray 5 , der kaisers 6 hette die sach zu seinen handen gezogen, usw. Aber es ist nichts. Man schreibt jetz von Augspurg, das er zwen rechtstag 7 gegen 8 dem konig 9 vor dem neuwen ertzbischoff zu Cöln 10 verstanden 11 hab und werde in kurtzen tagen die endurtaip 12 gebn. Man achte 13 aber, der hertzog musse von dem land spryngen 14 oder mitt solichen bschwärden 15 darinn belyben 16 , das er des nymmermehr gefröwt werde. Dann 17 dieweyl 18 man sich des jungen halb ouch etwas besorgt, möcht man den alten intolerabilibus conditionibus belyben wellen lassen.
Die hochzeyt 19 mitt des kaisers tochter und Ferdinandi sun Maximiliano soll für sich gehn und in kurtzem gehalten werden.
Ouch schreibt man, wie dann 20 glouplich 21 , kaiser lasse die gesandten, ouch die stend 22 , von dem reychstag yetzund anhaim verreyten, doch mitt geding 23 , das sy
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unverzogelich uff weyter erforderung 24 irer majestat widerum erscheinind an das von im bestympt ort. 25 Und hat man gentzlich darfür 26 , er werde die stend gar bald widerum gen Strassburg forderen und allda 27 den reychstag beschliessen, damitt er allso ain glympf 28 hab, zu Strassburg sich ouch einzetringen 29 .
Magister Michel Cellarius 30 , prediger zu Augspurg, ist kurtzverruckter 31 tag im herren selklich abgestorben. Steht wohl daruff 32 , das sy nach ewerm Hallero widerum stellen 33 werdind. Der predigermangel erschaint sich allenthaib gar treffelich 34 . Die guten hirten 35 werden sampt den guten schäflin vornenzu 36 absterben. By den nachkomlingen 37 werdend hirt, vech und stall ouch gleych 38 sein: Es feilt alles dahin, was gut und rechtschaffen ist, und kompt ymmer das ergest 39 hernach.
Kaiser hat denen zu Ravenspurg ain ernstlich, gantz beschwärlich mandat 40 zugeschickt, das sy den abbt zu Wyngarten widerum in ir statt restituieren, im 41 die pfarr 42 einräumen, die caplon, so hinwegkh, widerum insetzen, men abtrag thain 43 ,
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kirchengut, kelch, monstrantzen, und was dahin seye 44 , widerum daher thain 45 , auch ire burger und inwoner, die noch des rechten, allten christelichen gloubens seyen, an irer religion und gotzdienst ungeirrt 46 und ungesumpt 47 lassen sollen, etc. Und das alles innerhalb sechs tagen, by 41 irer majestat höchster ungnad 49 ! Hilff gott! Was grosser, schwärer creutz und anfechtungen sind das!
Der kaiser zücht 50 aber die von Ravenspurg von deswegen so hart an: Dann 51 sy habind in und nach dem gewesnen krieg vyl neuwerungen fürgenommen. Dessgleychen habind sy uff dem rychstag zu Wurmbs (vor gewesnem krieg) mitt sammpt ettlichen andern stetten und stenden dem kaiser bewilligt 52 , kaine neuwerungen in der religion byß uff örterung aines concilii furzenemmen. 53 Das habind sy nitt gehalten. Das ist nun war, aber sy habens nit söllen halten, diewyl sy darnach bessers bericht 54 seynd worden und sy gott mitt erkantnuß der warhait erlucht.
|| 824 Unserhalber hat ain fürnemer 55 dise tag von Augspurg ainem 56 geschriben: "Die von Costentz werdend nitt usgesünt, sy haltind dann 57 selbs by kaiserlicher majestat uff das underthenigst an. Und Wa 58 sy das nitt thain, werdend sy allso in diser bschwerd 59 ymmer stecken müssen. Und zudem wirt men vyllicht noch disen früling ain unwiderbringliches rad 60 übern bauch gehn", etc. Diser ist 61 by dem kaiser täglich brot, hat ain freyen zugang zu im. Allso steht nichts allenthalb in der wellt bevor dann 62 grosß angst, jomer und not.
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Yetzund kompt unß das kaiserlich glait 63 , welchs dermassen gestellt 64 , das ettlichen gar übel darab 65 grauset. Dann es hat etwas zwyfeligs 66 uff im 67 , das es wol uffsechinds 68 bedarf.
Orabis pro nostris cum omnibus pus, ut impertiat 69 illis benigne spiritum sapientie et consilii sui, ut ne usquam a voluntatis sue regula deflectant, utque nos non patiatur a fraude filiorum seculi huius 70 circumveniri, sed in nostra adeoque spiritus sui simplicitate nos eternum conservet.
Regiam munificentiam Galli 71 vestri 72 erga vestros multum vobis gratulor precorque dominum, ut omnibus istis bonis ad gloriam suam utamini. Amen.
Ich schick euch in vertrauwen ain abschrift des glaits 73 mitt fruntlichem pitt, ir wellts diligentissime expendieren 74 und mir ewer urtail und bedencken darinn mittailen. Ich waiß warlich, warlich nitt, warum mine herren 75 disen botten 76
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abfertigen. Bins ongefar innen worden 77 . Schickt mir die abschrift wider et per nostram amicitiam cave, ne quis describat, 78 ne mihi sit fraudi.
Marcello 79 , ubi licebit, istas hic insinuatas 80 mitte. De Octaviano 81 illo scribe, quid resciveris, qui exustus ob praevaricatas 82 pontificias leges nuper ferebatur. Saluta tuam domum cum omnibus fratribus et amicis. 30. aprilis 83 . Tuus A. Bl.
[Ohne Adresse]84
||A. 205.2, Nr. 25 [Beilage:]
Wir, Carol, usw., bekennend 85 , altt burgermeister und rath der statt Costentz ire gesannten zu verordnen und abzüfertigen haben, unß umm gnad und huld underthenikelich anzüsüchen 86 von wegen jüngstgeiThter kriegsubung 87 darin si sich nebend anderen unseren ungehorsammen 88 ingeiaßen und darin verharrt habend, und unserß bescheids daruff zu gewarten, und wir den selbigen iren gesannten 89 zu
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und von unß (biß wider an ir gewarsamme 90 ) b zu kommen unser fry sicherheit und gleit zugelaßen und gegeben. Und thund das hiemitt inn krafft diß brieffs.
Demnach gebietend wir allen und jeden unseren und deß rychß stenden, gliederen 91 , oberkeiten 92 , underthonen und verwannten 93 , inn was wirden 94 , stats oder wäsenß 95 die syend, auch allen unseren obersten, lütenampten 96 , fendrichen 97 , befelch-98 und kriegslüten zu roß und fuß ernstlich und verstenklich 99 mitt disem brieff, und wellend, das si die gedachten gesandten und die iren 100 , so 101 si ungefärlich 102 mitt sich bringen werdend, allendthalben fry, sicher zu unß ankommen laßend, und si jr 103 lyb, hab und guter hiewider nitt bekümmere 104 , ufhalten, beleidigen noch beschweren 105 , auch jemands anderen zu thun nitt befelhen noch gestatten in kein wyß 106 , alß 107 lieb einem jeden sye 108 unser und deß rychß schwere ungnad zu vermyden. Dis meinend wir ernstlich. Geben under unserem ufgetruckten insigel 109 in unser und deß rychß statt Augspurg amm sibenzehenden tag deß monats martii. Anno, usw., imm achtundviertzigisten, unserß keiserthumms imm achtundzwentzigisten 110 , und unserer rych imm drüunddryßigisten 111 jar, usw.
[Notiz von Bullingers Hand auf der Rückseite:] Deren von Constantz gleidt, von dem keyser gaben, 17. martii 1548.