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Johannes [Bullinger] an
Bullinger
[Ottenbach,
Januar 1534]
Autograph: Zürich StA, E II 441,91 (Siegelspur)
UngedrucktNeujahrsgruß. Ein durchreisender Franzose berichtete, daß der französische König nach Italien ziehe,
um die Städte, die der Papst seinem Sohn [Heinrich]in die Ehe gegeben habe, zu besetzen. Hans Junker
und der Gesandte [Antoine II Lamet]werden mit Geld in die Eidgenossenschaft kommen und neue Söldner
verlangen. Des Königs Schwester [Margareta von Navarra] halte am Evangelium fest. Morelets
Bruder liege seit langem um des Glaubens willen gefangen. Schultheiß Hans Jakob von Wattenwyl von
Bern hat mit dem französischen König verhandelt und ist nun wieder auf dem Rückweg.
Fausta primordia huius anni tibi precor etc.
Lieber brüder, es ist am samstag znacht zu Ottenbach ein franczsos 2 , acht
vast gwaltig 3 ubernächt gsin, nach mir gschickt (ut interpres essem). Hat
gseit, der kung 4 zuich mit einem reisygan 5 zug gegam Montaniß 6 die stet
zu besetzen, vom bapst sinem sun ingen 7 . So köm Hans Junckar 8 uff liechmis
9 mit einem gwaltigan herran 10 und grossam gelt, die eidgnossan zu bezalan
zu unterrichten (s. Z X 404-407,
Nr.
961). In Frankreich zum Gardeleutnant
und Königlichen Rat avanciert, war
Junker mehrmals in finanziellen Missionen
(Pensionengelder) in die Eidgenossenschaft
unterwegs (s.
Rott, Représentation
Diplomatique I Reg.). Im Oktober
1533 war er Augenzeuge des Aufstandes
der Reformierten in Solothurn (s.
Amiet/Sigrist,
39f und Anm. 38). Schimpfreden,
die Junker in Frankreich gegen Bern ausgestoßen
hatte, führten im Sommer 1534
zu seiner Festnahme in Aarau. Dies hatte
etwelche Kompetenzstreitigkeiten auf der
Tagsatzung zur Folge. Junker gelang es allerdings
zu flüchten. (Siehe unten
S. 240, 10-22 und EA IV/IC Reg.) Er hielt
sich darauf wieder in Frankreich auf,
machte 1536 als Hauptmann den Feldzug
nach Avignon und 1537/1538 als Oberst
den Zug ins Piemont mit. Von einem
Briefwechsel Junkers mit Bullinger ist
nichts bekannt. — Lit.: Th[eodor]
von Liebenau,
Hans Junker von Rapperswyl, in:
Anzeiger für Schweizerische Geschichte,
NF VI/4-5, 1890, S.78-81; Z X 404,
Anm. 2; HBLS IV 424.
und darnach von inan vordaran 20 tusant man in das Meilandt (das
vermögendt die lender 11 nit; tu, quid sub herba latet 12 , coniice). So hat er
mir gseit, des kungs schwester
13 leb noch vast
14 am evangelio, sig aber nie
gfangen gsyn; wol sig des Morletten brüder 15 jeczt lang gfangen gsin und
noch um des evangeliums willan etc.
Wittar so ist der von Wattenwil 16 , [schul]thes [zu] Bern 2 , bym küng selbs
gsyn, lang mit im ghanlat 17 . Mag nieman wussen, waß. Doch im groß eer
anthan, und kung und eer 18 vast wol eiß 19 , und jeczt uff dem weg heim 20 .
Der 21 ist ouch inet 22 8 tagen bym kung gsyn. Rit ernstlich 23 in die pündt 24 l
Vale.
Ioannes tuus.
[Adresse auf der Rückseite:] An M. Heinrichen Bullinger, minen bruder, zu
Zurich.
er der reformierten Sache zugetan, wie
dies Charles du Moulin 1553 bezeugte,
als er über den Nachfolger Sébastien de
l'Aubespine, abbé de Bassefontaine sagte,
dieser sei «minus candidus minusque rehgioni
favens quam decessor Moreletus»
(du Moulin an Bullinger, 3., 17. und
18. September 1553. Zürich ZB, Ms F 62,
368). Morelet hatte in seinen beiden letzten
Lebensjahren mit Bullinger mehrmals
Briefe gewechselt, von denen diejenigen
Bullingers verloren sind. - Lit.: Corr. des
réformateurs VII Reg.; Peter G.
Bietenholz,
Basle and France in the Sixteenth Century.
The Basle Humanists and Printers in
Their Contacts with Francophone Culture,
Genève 1971. - Travaux d'humanisme
et renaissance CXII;
Bouvier,
203-209; Amerbach, Korr. VI 288,
Anm. 10; Gast, Tagebuch 231-233,
Anm. 21;
Rott, Représentation Diplomatique
I
564. 565; Contemporaries II 460 f.