Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[327]

Hans Vogler an
Bullinger
St. Gallen,
[zwischen 18. und 21. Februar] 1 1534

Autograph: Zürich StA, E II 351, 153 (Siegelspur) Ungedruckt

Von Pfarrer Thomas [Gaßner]in Lindau, der beim Stadtschreiber [Anton Schmölz]den Abschied vom letzten Tag des Schwäbischen Bundes in Augsburg gelesen hat, erfuhr er, daß der Bund - trotz energischer Bemühungen des Augsburger Bischofs und kaiserlichen Kommissars [Christoph von Stadion] - an der Württemberger Frage gescheitert ist und sich aufgelöst hat. Pfalzgraf Ottheinrich ließ daraufhin das begüterte Kloster Kaisheim bei Donauwörth plündern. Es wird befürchtet, daß dies noch andern Klöstern widerfahren wird. Grüße. Trostworte für den kranken [Kaspar]Nasal.

Die gnaud gottes syg mitt unns allen. Amen.

Yn yl, geliepter herr und bruder. Nüwe zittung 2 nicht sonders, dann 3 die tag schript mir Thoman 4 , der prediger von Lindow, die mainung 5 etc., wie irm stattschriber 6 zu Lindow uff der herren fasnacht 7 der letst abschaid dess puntztag zu Ougspurg geschickt 8 , den er gelesen hab. Der pundt ist us 9 von gottes gnauden, und hat inan 10 bischoff von Ougspurg 11 , baider küngklicher und k[aiserlicher] m[ajestet] comissarius, treffenlich angehalten 12 , nur noch ain zitt lang in den pundt zu verwilgen 13 , so welle er diewil alle ir beschwärden und ausredt 14 für den kayser bringen. Aber es ist im abgeschlagen. So hat er die stend erpetten, nach lut ains artickels der vorigen püntnus, daß sy wider uff 25. may gen Ougspurg khomen sollen, mit in zu handlen

16 Leo Jud.
17 Theodor Bibliander.
1 Der Brief ist nach der Bauernfastnacht (s. unten Z. 25) - d. h. nach dem 17. Februar - und sicher vor Invocavit, das spätestens am 22. Februar zur Datierung benutzt worden wäre, geschrieben worden.
2 Nachrichten (Grimm XV 591-593).
3 nur (SI XIII 30).
4 Thomas Gaßner.
5 Der Brief ist nicht erhalten.
6 Anton Schmölz (Schmeltz).
7 15. Februar.
8 Zum Tag des Schwäbischen Bundes in
Augsburg, welcher am 10. Dezember 1533 begann und mit Unterbrüchen bis zum 8. Februar 1534 dauerte, s. Wille 127-144; Keller 28-41; Heyd II 417-430; Fabian, Städtetage III 114-117; vgl. auch Ambrosius Blarer an Bullinger, 20. Jan. 1534, oben S. 44 f, 18-26.
9 aus, zu Ende, vgl. oben S. 44, Anm. 12.
10 ihnen
11 Christoph von Stadion.
12 angetragen, nahegelegt (SI II 1227f).
13 einwilligen, die Zustimmung geben (Grimm XII/I 2275).
14 Einwände (Deutsches Rechtswörterbuch I 1072).


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15 . Haben ouch gar wenig verwilgett a , Do hat er sich in namen küngklicher r[ömischer]m[aiestet]16 hoch protestiert, daß sin k. m. kain schuld hab, weder an der handlung mit hertzog Christoff von Wirtemberg, daß es zerschlagen syg etc., dann er mer hab wellen thun, dann er schuldig syg 17 . Ittern ouch an dess pundtz volstreckung 18 nicht 19 underlassen, das zum friden dienen hette mögen. Darin er verantwurtt 20 und on schuld sin welle, wachse darus unfrid unrat 21 im römischen rych etc. Nun von stund an nach usgang pundtz ist hertzog 0th Hainrich 22 , pfaltzgraff, in das rych closter, haist Kayshaim, by Werd an der Thonow 23 , gefallen, das ingenomen und geplündertt. Der aptt ist im kum 24 gen Werd entrunnen 25 . Die verständigen vermainen, es werde noch vyl chlöster mer also gan.
a vor verwilgett gestrichen: bewilgt.
15 Nach Artikel 91 des Bundesvertrages, der 1522 für die Jahre 1523 bis 1534 erneuert worden war, hatte jedes Mitglied die Pflicht, in der Rechtssache eines Bundesgenossen, die während der Vertragsdauer in Gang gekommen war, auch nach deren Ablauf noch mitzuwirken. Siehe Hortleder I/3 650 und Datt 423 (Titel s. oben S. 45, Anm. 13); vgl. auch Heyd II 430.
16 König Ferdinand I.
17 Zu den Angeboten, die Ferdinand um die Jahreswende 1533/1534 dem jungen Christoph von Württemberg im Tausch gegen die Herrschaften Tübingen und Neuffen, die dieser beanspruchte, machte, s. Heyd II 422f. 426, und Wille 129.
18 Erfüllung (s. SI XI 2171f). 19 nichts.
20 gerechtfertigt (Grimm XII/I 80).
21 Unheil, Schaden (SI VI 1577-1579). Vor unrat ist wohl «und» einzusetzen.
22 Pfalzgraf Ottheinrich (Otto Heinrich I.), 1502-1559, regierte mit seinem Bruder Philipp zusammen, von 1541 an allein, die im Jahre 1505 geschaffene Pfalz-Neuburg. Als Neunzehnjähriger machte er eine Pilgerfahrt ins Heilige Land. 1542 führte er in Pfalz-Neuburg die Reformation durch. 1544 stand er vor dem finanziellen Bankrott; er begab sich für mehrere Jahre ins Exil nach Heidelberg und Weinheim. Pfalz-Neuburg wurde im Schmalkaldischen Krieg von kaiserlichen Truppen besetzt. Der Passauer Friede von 1552 machte Ottheinrichs Rückkehr möglich. Vier Jahre später trat er die Nachfolge seines kinderlos gestorbenen Onkels Friedrich II. als Kurfürst von der Pfalz an. Auch dort führte er die Reformation durch und erneuerte die Universität Heidelberg. Der populäre Kurfürst starb nach nur dreijähriger Regierungszeit.
Aus dem Briefwechsel mit Bullinger sind drei Briefe Ottheinrichs und zwei von Bullinger erhalten. - Lit.: R[obert] Salzer, Beiträge zu einer Biographie Ottheinrichs von der Pfalz, Heidelberg. - Festschrift der Realschule in Heidelberg zur Fünfhundertjährigen Jubelfeier der Universität. Beilage zum Jahresbericht der Realschule 1885/1886; Alexander von Reitzenstein, Ottheinrich von der Pfalz, Bremen 1938; [Robert]Salzer, Otto Heinrich, in: ADB 24, 713-719; A. Brück, Ottheinrich, in: LThK VII 1301 (mit weiterer Lit.).
23 Zisterzienser-Kloster Kaisheim, bei Donauwörth.
24 knapp, mit Mühe und Not (SI III 288f).
25 Das Kloster Kaisheim hatte seine Reichsfreiheit zunehmend gegen die Ansprüche und Übergriffe der jungen Herzöge von Pfalz-Neuburg, Ottheinrich und Philipp, verteidigen müssen. Abt Konrad Reuter war mit Hilfe des Schwäbischen Bundes energisch für die Rechte des Klosters eingetreten. Innerer Widerstand und Klagen gegen ihn hatten aber 1533 dazu geführt, daß die Pfalzgrafen das Kloster besetzen ließen, worauf Konrad zu Ende des Jahres mit einigen Getreuen nach Nördlingen zog. Seine Lage verschlechterte sich zudem durch die Auflösung des Schwäbischen Bundes 1534. Nachdem sich das Reichsstift mit den Herzögen geeinigt hatte, kehrte er ins Kloster zurück. Siehe dazu Marian Gloning, Konrad Reuter, Abt von Kaisheim 1509-1540, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige, Bd. 33, N. F. 2. Jg., 1912, S. 459-473; M. Wieland, Das Kloster Kaisheim und die Pfalzgrafen bei Rhein und Herzoge in Bayern Ottheinrich und Philipp in den Jahren 1519-1533, in: Cistercienser-Chronik 20, 1908, S. 65-76.


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Grutzend mir üwer gantzes hus. Der herr tröste üch etc., Leon 26 , Karolstad 27 und all prediger sampt gliepten brüder.

Actum S. Gallen, ---[tag na]ch b der herren (und puren) fasnacht anno 34 jar 28 .

[Maister] c Nasal 29 , verston ich, lyg etwas kranck. [Bitt dic]h d mir in zu , klagen 30 , als min trüwen.

U[wer]w[iliger] Hans Vogler,

jetz zu Sant Gallen.

[Adresse auf der Rückseite:] An minen sonders gelieptten hernn und fründt, M. Hainrichenn Bulliger, prediger der stattgmain zu Zürych, zu handen.