Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[400]

Georg Wimpfer an
Bullinger
Stein am Rhein,
28. Juni 1534

Autograph: Zürich StA, E II 355, 55r.-v. (Siegelspur) Ungedruckt

Vom Krieg in Württemberg hört er Unsicheres und Widersprüchliches. Hat Wolfgang [Mösel] um Neuigkeiten gebeten. Befürchtungen, daß der Krieg noch weitergeht. Grüße. Nachrichten zur Lage in Württemberg: Der Herzog [Ulrich]und der Landgraf [Philipp]liegen in der Umgebung von Riedlingen. Auf die Anfrage [an König Ferdinand], ob Ulrich in sein wiedererobertes Herzogtum eingesetzt werde, ist noch keine Antwort gekommen. Der Bischof von Konstanz und die Abte von Salmannsweiler, Weingarten und Weißenau fliehen an sichere Orte.

S. Preclare ac venerande senior, quod tardius scribo de Wirtenbergensi bello 1 deque principum castris 2 , non est alia causa, quam quod certi nichildum perceperim. Audio quidem multa, sed vaga et diversa et pugnancia. Hortatus sum in proximis meis literis 3 dominum Wolffgangum 4 , ut ille, si quid dignum scitu, quod saltem revelandum esset, haberet, ut communicaret, quo fratrum dominorum meorum desiderium saciarem. Sed neque ille rescripsit, nisi quod ex inclusis 5 poteris intelligere. Quas literas inclusas misit ad me ipso die Ioannis Baptiste 6 . Quibus lectis non opus est ad me remittere, sed pocius perdere propter inserta de quodam piscatore 7 tibi foto. Hortatur nos obnixe ad precandum, non quod ille metuat de salute principum, sed Germanie et Sveviae timet. Ex coniecturis possumus intelligere, si principes pacem nacti non fuerint, quam non modo ambiunt, sed ultro offerunt. Timeo belli principium nondum absolutum. Porro, quando hiis diebus rursus conveniam domino volente patrem meum praedictum, si quid dignum scitu hausero, non celabo.

Rogo praeterea benigniter feras insulsam et rusticam meam scriptionem. Nolo autem, ut quidquam de me sencias, sed feras infirmum et diligas amantem. Ich mains je 8 ouch gutt, aber vil anders verschrait wart, aber der zyt duldtiglich.

Salvos cupio Erasmum 9 et d. Leonem 10 , familiam in primis eciam tuam. Necessum non putavi omnibus scribere, quod possis, que velis, ipse communicare.

Bene vale.

Ex Stainia, 28. iunii anno 34.

Fr[ater] Geor. W.

1 Zum Kriegszug in Württemberg und zur Wiedereinsetzung Ulrichs in sein Herzogtum s. oben S. 178, 5-14. 188f, 23-33 und Wille 176-192.
2 Ulrich von Württemberg und Philipp von Hessen hatten ihr Lager in Daugendorf bei Riedlingen aufgeschlagen, wo sie das Ergebnis der Friedensverhandlungen in Kaaden (s. unten Anm. 22) abwarteten; s. Wille 206.
3 Nicht erhalten.
4 Wolfgang Mösel.
5 Der Brief Mösels ist nicht erhalten. Bullinger ist möglicherweise der Bitte Wimpfers nachgekommen, ihn zu vernichten (s. Z. 9f).
6 am 24. Juni.
7 Auf wen mit «Fischer» hingedeutet ist, ließ sich nicht ermitteln.
8 immer (SI I 20).
9 Erasmus Schmid.
10 Leo Jud.


Briefe_Vol_04_0221arpa

Es wirt uff mon[tag] acht tag werden, das unns die mär sind ge[n] Stain komen, der hertzog mit dem landgraffen lig zu Riedlingen 11 , Mengen 12 , Sulgen 13 etc., in der truchsässen 14 landschafft, als 15 es ouch war ist, aber in welcher gestalt 16 diewil ers nit , begwaltiget 17 noch schatzet 18 wais niemantz, , welchen weg es haben wil. Das ist aber gewusß: Sy haben angesucht by den kungischen umb antwort, ob man hertzogen Ulrichen by sinem erlangten und eroberten land wol 19 lassen pliben oder nit 20 . Deß ist inn biß uff Johannis noch von imants 21 khein antwort worden 22 . Nun ists gewusß: So man inn deß fridens nicht versichert, so wirt er ander weg suchen, welche ich besorg sin ain hartern und grössern angriff; wiewol er bißher || 55v. belaidiget noch beschediget hatt, noch so ist die verstockung unnd blindthait so groß unnd der schrecken so starck, das sy das nit erkennen, so zu gmainem hayl und friden diente. Flihen allenthalb die gwaltigen in die sichern stett: bischoff 23 ist hinuber gen Arbon 24 , apt von Salmaschwiler gen Uberlingen 25 , Wingarten 26 , Wissenow 27 gen Ravenspurg. Sy thund wie bose kind, schryen, und roufft 28 sy niemantz. Die von Zell 29 wolten gern friden haben, doch so sagen sy, der kunig sy nit ir herr, sonder ir vatter, darum wollen sy thun wie bruderbluth und zu im setzen lyb und gutt etc.

[Adresse darunter:] Clarissimo ac venerando viro d. Heinricho Bullingero, archiepiscopo Tigurine ecclesie, patrono suo observando.

11 eigentlich in Daugendorf bei Riedlingen an der Donau; s. oben Anm. 2.
12 Mengen (Kr. Sigmaringen, Baden-Württemberg).
13 Saulgau (Baden-Württemberg).
14 Gemeint sind die Grafen und Truchsessen von Waldburg.
15 wie.
16 mit welcher Absicht.
17 unterjocht, unterwirft (Grimm I 1292).
18 schätzt (SI VIII 1674); eine Kriegskontribution erhebt.
19 wolle.
20 Die vom Mainzer Kurfürsten, Herzog Georg von Sachsen und dem sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich in den Annaberger Artikeln zusammengestellten Friedensbedingungen waren von Herzog Ulrich und Landgraf Philipp angenommen worden; diese gaben am 19. Juni dem sächsischen Kurfürsten Vollmacht, auf dieser Grundlage mit Ferdinand Frieden zu schließen; s. Wille 194f. 201.
21 von irgend jemandem.
22 Die Friedensverhandlungen im böhmischen Kaaden, wo sich König Ferdinand von Österreich seit dem 17. Juni 1534 aufhielt, zogen sich in die Länge. Hauptgrund dafür war in erster Linie das Festhalten Ferdinands an seinen Ansprüchen
auf Württemberg, die er sich, wenn er schon der Wiedereinsetzung Ulrichs ins Herzogtum zustimmen mußte, mit dem reichsrechtlichen Mittel der Afterlehenschaft zu sichern suchte. Diese Bedingung konnte er schließlich auch durchsetzen, und der Friede wurde am 29. Juni abgeschlossen; zum Gang der Verhandlungen s. Wille 201-205.
23 Johann von Lupfen, Bischof von Konstanz, der in Meersburg am Bodensee residierte.
24 Arbon am Bodensee (Kt. Thurgau), Schloß und Stadt gehörten dem Bischof von Konstanz; s. HBLS I 412.
25 Amandus Schäffer, der Abt des Zisterzienserklosters Salem (Salmannsweiler, Bodenseekreis, Baden-Württemberg), lag seit spätestens 26. Juni 1534 krank in Überlingen (s. Gerwig Blarer, BA 232, Nr. 377). Offenbar starb er bald darauf; denn am 10. Juli 1534 wurde ein neuer Abt gewählt (s. unten S. 228, Anm. 32).
26 Abt des Benediktinerklosters Weingarten war Gerwig Blarer.
27 Abt des Prämonstratenserklosters Weißenau (Minderau, Au) bei Ravensburg war Ulrich Sattler.
28 zerrt ... an den Haaren.
29 Radolfzell (Baden-Württemberg).