Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[426]

Hans Vogler an
Bullinger
St. Gallen,
19. August 1534

Autograph: Zürich StA, E II 351, 159 (Siegelspur) Ungedruckt

Hatte die Absicht, Bullinger um Hilfe zu bitten, da er mit seiner Frau zu hohen Kosten untergebracht ist. Schickt einen Brief der Straßburger an die Stadt Lindau, den er von Thomas [Gaßner]erhalten hat. Gaßner teilte Vogler mit, daß Blarer in Stuttgart predige und der Herzog seine Predigt täglich besuche, und berichtete über die Auseinandersetzung mit dem hessischen Prädikanten [Schnepf]. Vogler hofft, bald bei Bullinger zu sein. Grüße. Bittet um neue Nachrichten.

2 Woher Zwick die Meinung Capitos kennt, ließ sich nicht feststellen. Capito neigte bis 1532/33 selbst zu täuferischen und antitrinitarischen Ansichten (vgl. Otto Erich Straßer, Capitos Beziehungen zu Bern, Leipzig 1928. -QASRG IV 65f. 70-75; Blarer BW I 441), woher sich seine verständnisvolle Haltung gegenüber «Arianern» erklären mag.
3 Als neue «Arianer» wurden die Antitrinitarier von den reformatorischen Theologen bezeichnet, s. Gustav Adolf Benrath, Art. Antitrinitarier, in: TRE III 168f.
4 Kol 1, 16; vgl. Joh 1, 3. 10.
5 Zur Lehre d'Aliods s. oben S. 158, 86-95. 171, 3-13 und die dort angegebene Literatur
sowie die Briefe Zwicks an Vadian vom 23. August 1534 (Vadian BW V 182f) und Frechts an Ambrosius Blarer vom 27. August 1534 (Blarer BW I 532-534).
6 Dieser Vorschlag des Juristen und Theologen Capito widerspricht der sogenannten «Negativentheorie», welche besagt, daß nur positive Tatsachen zu beweisen seien; vgl. Hans-Joachim Musielak, Die Grundlagen der Beweislast im Zivilprozeß, Berlin-New York 1975, S. 259-261.
7 Obwohl Zwick diese Bitte am 9. Dezember wiederholte (s. unten S. 433, 18-21), kam ihr Bullinger offensichtlich nicht nach.


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Gott mitt unns durch Christum. Amen.

Sonders min gelieptter herr und bruder, wissend unnsser gsondthait 1 . Also hortend wir gernn von üch mitt fröden etc. Ich bin all tag dess willens gsin, zu üch von miner husfrowen 2 und mintwegen ettwas zu pitten 3 . Wir husend nochmals mitt grossem schaden 4 , wiewol by günstigen und fromen lüten 5 . Demnach schick ich üch alhie, sover irs nitt vor habend 6 , als ich wol hoff üch zugeschicktt, das mir der tagen Thoman 7 , prediger zu Lindow, zugeschickt hat, welches air 8 stat Lindow der tagen von Strassburg zugsant 9 , och warhaft mögen ir besechen baid kopygen 10 , dann ers abgschriben und mir in truwen zugeschickt. Schript mir och daby, daß im gsagt, daß der Blarer getrüw zu Stugarten predige 11 und der hertzog dryg 12 fürsten all 13 , all tag an sin predig gangen und an kain mess. Es sygen och die kilchen zu eng, das das volck nit hinin mög so unzal 14 . Gott geb das gelygen[!]. Schript och, daß im der hessisch predicant 15 , der dann mer dann luterisch sy, etwas widerstandtz gethon hab dess sacramentz halben 16 . Sy söllend sich aber veraintt haben 17 , daß sy jetz rüwig predigen. Es sygen sunst och noch zwen 18 da, die kenn er 19 nitt.

1 gemeint: daß wir bei (guter) Gesundheit sind.
2 Ehefrau. -Appolonia Vogler, geb. Baumgartner.
3 der Sinn dürfte sein: Ich habe jeden Tag die Absicht gehabt, an Euch zu gelangen und meiner Frau und meinetwegen etwas (Hilfe) zu erbitten.
4 Kosten, Auslagen (SI VIII 167).
5 Unbekannt.
6 vorher erhalten habt.
7 Thomas Gaßner.
8 einer (SI I 269).
9 Ein Brief Straßburgs an Lindau aus der fraglichen Zeit konnte im Stadtarchiv Lindau nicht ermittelt werden (freundliche Mitteilung von Herrn W. Dobras).
10 auch als zuverlässig (Grimm XIII 815f) könnt (SI IV 107-109) ihr beide Kopien betrachten, ansehen (vgl. SI VII 580f).
11 Ambrosius Blarer, den die Straßburger Prediger bereits wenige Tage nach dem Sieg bei Lauffen in einem Brief vom 18. Mai 1534 an Philipp von Hessen und Ulrich von Württemberg als geeigneten Mann zur Durchführung der Reformation im Herzogtum empfohlen hatten (s. PC II 211f), war in einem Brief vom 17. Juli 1534 an den Konstanzer Rat von Herzog Ulrich berufen worden (abgedruckt in: Theodor Pressel, Ambrosius Blaurer's des schwäbischen Reformators Leben und Schriften, Stuttgart 1861, S. 313) und kam am 30. Juli 1534 in Stuttgart an (s. oben S. 276, Anm. 12).
12 drei.
13 Ulrich von Württemberg, sein Bruder Georg und sein Sohn Christoph, die in dieser Zeit in Stuttgart weilten (s. Gustav Bossert, Zur Geschichte Stuttgarts in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts, in: Württembergische Jahrbücher für Statistik und Landeskunde 1914, Stuttgart 1915, S. 166 und Anm. 281).
14 gemeint: in so großer Zahl.
15 Erhard Schnepf.
16 Zur Auseinandersetzung um die Abendmahlsauffassung zwischen Blarer und Schnepf zu Beginn ihres gemeinsamen Wirkens im Herzogtum Württemberg am 31. Juli und 2. August 1534 S. die Berichte Johannes Zwicks (oben Nr. 424), Berchtold Hallers am 21. August (unten S. 287f, 27-42), Benedikt Euanders am 29. August (unten S. 293f, 6-39), Johannes Zwicks am 9. (unten Nr. 435) und Bucers am 10. September (unten Nr. 436). Siehe auch Köhler, ZL II 335.
17 in der Württemberger Konkordie vom 2. August 1534. - Näheres dazu s. oben S. 279, Anm. 47.
18 Beim einen handelt es sich mit Sicherheit um Konrad Öttinger (Hutzellob), den hessischen Hof- und Feldprediger, beim andern wahrscheinlich um den Zwinglianer Jakob Otter, den Pfarrer in Esslingen (s. Bossert, Stuttgart, aaO, S. 164-166; vgl. auch oben S. 243f, Anm. 31).
19 Thomas Gaßner.


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Ich hoff zu gott, in kurtzem by üch zu sin. Min husfrow last üch sampt üwer frowen 20 , och namlich die muter 21 , grüssen; och ych.

Yn yl, S. Gallen, actum mitwoch vor Bartholomey anno 34.

Habend ir nüwer zitung 22 etc.

Üwer williger Hans Vogler,

jetz zu S. Gallen.

[Adresse auf der Rückseite:] An min gelieptten hern unnd frundt M. Hainrichen Bulligem, prediger zu Zurych, zu handen.