Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[653]

Ambrosius Blarer an
Bullinger
[Stuttgart?] ,
29. September 1535

Autograph: Zürich StA, E II 357, 10 (Siegelspur) Zusammenfassende Übersetzung und Teildruck: Blarer BW I 741f

Seine Pflichten lassen ihn nicht zu sich selbst kommen und hindern ihn am Schreiben von Briefen. Verwahrt sich gegen Gerüchte über eine angeblich von ihm verfaßte Apologie. Hofft auf eine Konkordie; hat durch Capito von den Plänen der Zürcher erfahren und bittet sie um Zurückhaltung. Wollte gerade [nach Tübingen] aufbrechen, als er Bullingers Brief erhielt; hat [Hans]Hager noch nicht gesehen. Versichert Bullinger seines Einsatzes gegen das Aufkommen von Sekten und spricht ihm sein Vertrauen aus. Zwischen König Ferdinand und [Ulrich von Württemberg] besteht Einigkeit; was die Religion betrifft, ist keine Beeinträchtigung erfolgt. Grüße.

Salve iterum atque iterumque adeoque plus millies, mi charissime simul ac observande Bullingere.

Cessationem meam recte tu tribuis 2 innumeris istis et molestissimis meis negociis. Non enim a te solum caeterisque meis dulcissimis amicis, sed a meipso etiam longissime absum, ut non sit, quod mirari merito debeas, si nihil a me, qui non sum ego, literarum accipis.

13 Von Froschauer sollte Myconius ein Exemplar von Bullingers Kommentar zu vier Paulusbriefen (HBBibl I 72) erhalten, vgl. oben Nr. 637, 27f.
14 Michael Schwyzer, gest. 1566, von Wildberg (Baden-Württemberg), war gelernter Buchbinder und Faktor bei Froschauer. Auf seinen Geschäftsreisen, besonders nach Chur und St. Gallen, diente er oft als zuverlässiger Bote. — Lit.: Z VIII—X. Reg. (bes. X 74, Anm. 7); Graubünden,
Korr., Reg.; Paul Leemann-van Elck, Die Offizin Froschauer, Zürichs berühmte Druckerei im 16. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte der Buchdruckerkunst anläßlich der Halbjahrtausendfeier ihrer Erfindung, Zürich 1940, Reg.
15 Georg Binder.
1 Vgl. Z. 11f.
2 Bullingers Brief ist nicht erhalten.


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De posteriore mea apologia nugas audisti 3 . Concordiae studium utinam omnes incesseret! Nam video, quantum istuc commodaturum esset negociis Christi. Capito de vobis omnia 4 . Tu vide, ne quid praeter christianum decorum et intempestiviter designetis. Plura, ita me ames, frater, nequeo.

Iam confectis apud principem 5 negociis ad iter accingebar 6 , cum famulus meus 7 tuum mihi offerret epistolium 8 . Hagerum 9 nondum vidi. Tu semel habe me totum in eo esse, ut in hac ditione nulle sectae, nullae nobis oboriantur odiosorum nominum studia. De tuo candore tuaque in domini caussa synceritate nihil dubito. Vide autem, ne aliorum quorundam plus satis crudo spiritu duci te substineas.

Inter Ferdinandum regem et principem nostrum optime convenit 10 . Quod ad religionem adtinet, nihil ab illo magnopere contendit; integra nobis per regem sunt omnia 11 .

Sed vale, mi frater, mi dulcissime caput, cum uxore 12 et liberis tuis 13 , quos meis v[e]rbis a amanter salutabis, adde vero illis optimos et eruditissimos Pellicanum, Leonem 14 , Theodorum 15 et alios, consulem Röschum 16 in primis, et

a Text beim Öffnen des Siegels beschädigt.
3 Die Gerüchte über eine neue Schrift Blarers waren Bullinger durch Erasmus Ritter zugetragen worden; vgl. oben Nr. 649, 19-22.
4 Kurz nach seinem Besuch in Zürich (vgl. oben Nr. 635, Anm. 12), wo er die Theologen von der geplanten Veröffentlichung einer Verteidigungsschrift abzubringen suchte, war Capito auch mit Ambrosius Blarer zusammengetroffen; vgl. Blarer BW I 737.
5 Herzog Ulrich von Württemberg.
6 Gemeint ist wohl die Rückkehr von Stuttgart nach Tübingen.
7 Unbekannt.
8 Nicht erhalten.
9 Hans Hager, geb. um 1477, gest. um 1538, von Zürich, druckte zwischen 1524 und 1528 zahlreiche Reformationsschriften, darunter Bullingers erstes gedrucktes Werk (s. HBD 10, 23f). 1522-1530 war er Zwölfer der Saffranzunft und gehörte in diesem Zeitraum verschiedenen Kommissionen an. Nachdem er 1530 seiner Ämter enthoben worden war (s. AZürcherRef 1677. 1679), betätigte er sich als "Reder" (Anwalt). Im September 1535 suchte er als Rechtsvertreter in einer Erbschaftsangelegenheit Herzog Ulrich von Württemberg auf, s. Zürich StA, B IV 6,
119. — Lit.: Paul Leemann-van Elck, Zur Zürcher Druckgeschichte. 2. Peter und Hans Hager, Bern 1934. — Bibliothek der Schweizer Bibliophilen II/3, S. 29-44 und Anhang; BZD 379-391, Nr. D 1-46; Benzing, Buchdrucker 523 (mit weiterer Lit.); Grimm, Buchführer 1349; Fabian, Geheime Räte 515; HBLS IV 53.
10 Herzog Ulrich leistete am 9. August 1535 in Wien den Lehenseid und empfing Württemberg von König Ferdinand I. als habsburgisches Afterlehen. Den damit ratifizierten Friedensvertrag von Kaaden vom 29. Juni 1534 (vgl. HBBW IV, S. 221, Anm. 22; 280, Anm. 64) bestätigten und ergänzten die beiden Fürsten im Wiener Vertrag vom 21. August 1535; vgl. Heyd III 24-28; Deetjen 37. 42.
11 Herzog Ulrich deutete die mündlichen Vereinbarungen als Anerkennung der württembergischen Reformation durch König Ferdinand; dieser beharrte allerdings stets darauf, daß die "Sakramentierer" laut den Verträgen von Kaaden und Wien nicht zu dulden seien, und hielt Blarers Wirken für vertragswidrig; vgl. Deetjen 37. 47f.
12 Anna, geb. Adlischwyler.
13 Siehe oben Nr. 522, Anm. 87.
," Leo Jud.
15 Theodor Bibliander.
16 Bürgermeister Diethelm Röist


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pro me dominum sedulo interpellate. Supra vires conor, sed non infeliciter, gratia domino, qui praesens nobis perpetuo adest. Iterum vale.

Penultima septembris anno 1535.

Tuus Ambr. Blaurerus.

[Adresse auf der Rückseite:] Domino Heinricho Bullingero suo, venerando et charissimo fratri, episcopo Tiguricen[sium]plurimum observando.