Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[722]

Sulpitius Haller an
Bullinger
[Lenzburg],
13. Januar 1536

Original von der Hand Hemmann Haberers: Zürich StA, E II 360, 293f (Siegelspur) Ungedruckt

Dankt für Nachrichten über Kaiser (Karl V.] und berichtet vom Konflikt um Genf: Bern beabsichtigt, die Bündnisse mit Herzog [Karl III.] von Savoyen aufzukündigen, da dieser seine Zusagen nicht einhält und fortfährt, Genf zu bedrängen. Auf den im ganzen Land abgehaltenen Gemeindeversammlungen fand die Haltung Berns Zustimmung; nun werden wohl Schritte zur Befreiung Genfs folgen. Laut Gerüchten sollen die Savoyer eine von König [Franz I.] oder von seiner Schwester, Königin [Margarete] von Navarra, entsandte Reitertruppe geschlagen haben; der König soll einen Rachefeldzug planen. Grüße.

Min früntlich, guttwillig dienst zu allen zytten zevor bereitt.

Sonders günstiger Meyster Heinrich, üwern brieff 1 , anzeigend die nüwen mär des keysers halb 2 , hab ich wol verstanden, und demnoch der Jänfferen halb, das ich üch biß har nütt geschriben 3 , ist die schuld, das ich a selbs nütt eygentlichs han mögen bericht werden. Doch so stads jetz also, das min herren von Bernn willens, dem hertzogen von Saffoy die bünttbrieff hinußzegäben und zeüberschicken 4 und gar nütt mitt im me wellen zeschaffen haben. Und ursach dessy ist, das er unß vil glatter worten gäben und zugeseytt, des er aber wenig gehallten hatt und min g[nedigen] h[erren] nütt anders an im funden dan bettrug, und hie zwüschen einßdar 5 zu fartt, die gutten Jänffer fechtt 6 und plagett, das ir keiner on sins lybs und läbens gefar darff hinuß uß der statt kommen; ich geschwyg die verhergung 7 ir gütter, des lands und der straßen etc.

Und domit min g. h. ouch der irren in statt und land meinung und willens bericht 8 dester dapfferer dörffind mitt dem hertzigon handlen, haben sy die irren söllichs berichtt, und ist hierumb im gantzen gebiett gemeindett 9 , ouch by unß im gantzen Ergöw 10 einhelligklich b gemeerett 11 , das man unseren g. h.

a nach ich ein gestrichener Buchstabe.
b vor einhelligklich gestrichenes da.
1 Nicht erhalten.
2 Sulpitius Haller hatte Bullinger am 16. November des Vorjahres um Nachrichten über Kaiser Karl V. gebeten; s. HBBW V, S. 430, 14f.
3 Im selben Brief hatte Haller versprochen, über die Tagung in Aosta Bericht zu erstatten, wo eine bernische Delegation mit Herzog Karl III. von Savoyen über die
Genfer Angelegenheit verhandelte; s. ebd., Z. 15-17.
4 Zur Aufkündigung der Bündnisse vgl. HBBW V, S. 485, 96-100.
5 in einem fort (SI I 532).
6 bedrängt (SI I 644-646).
7 Verheerung (vgl. SI II 1606).
8 in Kenntnis der Meinung der Ihren.
9 es wurden Gemeindeversammlungen abgehalten (SI IV 307). Zu dieser Volksbefragung vgl. Gilliard, Conquête 50-52.
10 Aargau.
11 abgestimmt (SI IV 371-373).


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disse sachen noch ir wyssheitt und wolgefallen zefolfüren übergäben und heimgstellt, ouch hieby lyb und gutt zu inen zesetzen verheyssen hatt. Nun meldett aber ouch ir schryben 12 , sy wellind im sölliche bündttbrieff überschicken und demnoch rattschlagen, handlen und thun, das sich irrem verschriben 13 gägen den Jänfern des burgrächts halb gethan und beschächen c den eeren noch d geburren 14 werde. So vil ist mir jetz wüssend. Ob nun min g. h. söllich brieff hinuß gäben, oder wass sy willens, mag ich noch nit wüssen, achtt aber wol, man werde ein mal versuchen und mit der gotz hilff die Jänffer entschütten 15.

Demnoch wirden ich ouch bericht landtmers wyß 16 , wie der künig von Franckrych 17 —||294 ettlich sagend, sin schwester, die küngin von Nawerren 18 , habs gthan - sölle e 200 ringe f reysig pfärd 19 über das birg gan Jänff zu gschicktt haben, an die die Zaffoyer unversächens kommen, alls sy syend abgesässen und die roß bin zömen 20 an der hand den berg nider gefürt haben 21 . Sye der Frantzosen by 50 gefangen und erstochen; die andren söllend entrunen sin und ettlich in Jänff kommen. Und demnoch haben die Zaffoyer die gefangen ouch erhencktt, des nun der küng übell zufriden, ein groß volck gemüsteret, und understand 22 , söllich schand und schaden zu rächen etc.

Söllichs hab ich üch in gutem wellen berichten. So ich wytters ettwas warhaffts bericht wird, sol üch nit verhallten werden. Söllichs wellend ouch allweg, alls ich üch wol vertrüw, gegen mir thun etc. Und hiemit sind allzyt gott, unssrem eynigen heylland, bevolchen.

Datum 13. ianuarii anno 36.

U[wer]allzytt gutter göner

Sulpitius Haller,

obervogt uff Lentzburg.

Grüssend mir Meyster Lew 23 und den vogtt von Kyburg 24 sampt andren guten herren und gesellen.

c nach beschächen gestrichenes und.
d noch über der Zeile nachgetragen.
e nach sölle gestrichenes han.
f ringe am Rande nachgetragen.
12 Gemeint ist die vom Berner Rat am 28. Dezember verabschiedete Botschaft an das Volk (Anshelm VI 255-257; vgl. Gilliard, Conquête 51, Anm. 1).
13 ihrer schriftlichen Verpflichtung (im Burgrecht von Bern und Freiburg mit Genf vom 8. Februar 1526, s. EA IV/1a 1507-1510).
14 wie es sich (der Verpflichtung gemäss) als Ehrensache gebührt.
15 entsetzen, befreien (SI VIII 1555f).
16 durch allgemeines Gerücht (SI IV 361).
17 Franz I.
18 Margarete von Navarra.
19 leichte Kavalleriepferde (SI VI 1056-1058. 13251).
20 an den Zäumen.
21 Zum Gefecht vom 14. Dezember 1535 am col de la Faucille unweit von Gex s. HBBW V, S. 485f, 111-120 mit Anm. 48.
22 darangehe.
23 Leo Jud.
24 Hans Rudolf Lavater.


Briefe_Vol_06_067arpa

[Adresse auf S. 296:] Dem erwirdigen, wolgelerten herren Meyster Heinrich Bullinger, diener des wortt gotts und der kilchen in meererem Zürich 25 , minem günstigen, lieben herren.